Lähmung der japanischen Wirtschaft droht

Noch immer sind die langfristigen Folgen der Katastrophe, die über Japan hereingebrochen ist, schwer einzuschätzen. Nach den verheerenden Zerstörungen und den schrecklichen Verlusten für die Menschen, werfen drohende wirtschaftliche Belastungen ihre Schatten voraus. Dreh- und Angelpunkt für die weitere Entwicklung ist das Ausmaß der atomaren Katastrophe. Sollten weite Teile Japans betroffen sein, kann sich dies auch auf die globale Konjunkturdynamik temporär bremsend auswirken, so die Einschätzung der W&W Asset Management, einer Tochtergesellschaft des Stuttgarter Vorsorge-Spezialisten Wüstenrot & Württembergische (W&W).

„Kurzfristig wird es angesichts der verheerenden und für die Menschen sehr schlimmen Zerstörungen und der mittlerweile stattfindenden stromsparenden Maßnahmen zu einem deutlichen Einbruch der japanischen Industrieproduktion kommen“, berichtet Ortansa Becker, Kapitalmarktanalystin der W&W Asset Management. So unterbrachen zahlreiche Unternehmen ihre Produktion, ohne zunächst die Dauer des Stopps abschätzen zu können. Mittlerweile gehen viele davon aus, dass es teilweise zu einem Erliegen der Produktion von ein bis drei Monaten kommen könnte. Die bereits im Vorfeld zurückhaltende private Nachfrage der japanischen Verbraucher wird sich voraussichtlich weiter abschwächen und sich deshalb kaum kompensierend auswirken können.

Bei einer sich zuspitzenden atomaren Katastrophe bleiben das menschliche Leid und die wirtschaftlichen Belastungen nicht – wie etwa bei dem starken Erdbeben 1995 in Kobe – auf eine Region begrenzt, sondern können sich langfristig auf das ganze Land und vor allem auf den für Japans Wirtschaft wichtigen Großraum Tokio auswirken. „Das käme einer Lähmung der gesamten Wirtschaft gleich. Denn letztlich würde es bedeuten, dass Industrieunternehmen in einem großen Teil Japans über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Produktion nicht wieder aufnehmen können, so dass sich der Prozess der Wirtschaftserholung stark verzögern würde“, schätzt die Expertin. Grundsätzlich sei zudem zu erwarten, dass durch die Finanzierung der Wiederaufbaumaßnahmen Japans hohe Staatsverschuldung weiter ansteigt und sich das Land dabei verstärkt auch im Ausland verschulden muss.

Japanischer Kapitalmarkt: Unsicherheit schürt Risikoaversion

Der Schockzustand hatte zunächst zu deutlichen Kurseinbrüchen am japanischen Aktienmarkt geführt. Der Nikkei 225 verlor rund 19 Prozent und wies das niedrigste Kursniveau seit 2009 auf. Zu den Verlierern zählten vor allem Versicherungsunternehmen, aber auch die Energieversorger. Zwar war nach dem Einbruch eine Belebung der japanischen Aktienkurse zu beobachten. „Eine nachhaltige Kurserholung ist jedoch noch nicht zu erwarten, da die unterbrochene Industrieproduktion die Unternehmen auch mittelfristig belasten dürfte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine anhaltende Risikoaversion in Japan für eine schwache Kursentwicklung unter hohen Schwankungen sorgen wird“, lauten die Prognosen von Ortansa Becker.

Auswirkungen auf die globale Konjunkturentwicklung

Wichtigster Handelspartner Japans sind mittlerweile die asiatischen Nachbarländer. Durch den vorübergehenden Ausfall der japanischen Nachfrage dürfte deshalb der asiatische Exportsektor nachlassende Zuwachsraten aufweisen. Das könnte zumindest temporär zu einer moderaten Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums beitragen.

Im globalen Kontext hat Japans Wirtschaft insgesamt aber in den letzen Jahren an Gewicht verloren. „Der direkte Einfluss der Entwicklungen in Japan etwa auf Deutschland und die EWU bleibt voraussichtlich zunächst gering“, so Ortansa Becker von der W&W Asset Management. Generell gilt jedoch: „Je länger die kritische Situation anhält, desto wahrscheinlicher wird eine Belastung der europäischen und der weltweiten Konjunktur aufgrund der engen globalen Handelsverflechtungen bzw. der internationalen Arbeitsteilung. Durch den Stillstand einiger japanischer Unternehmen, die teils eine hohe Spezialisierung aufweisen, entstehen Lieferunterbrechungen. Hält der Zustand an, wird sich auch die deutsche Wirtschaft auf lange Sicht diesen indirekten Belastungsfaktoren nicht entziehen können.“

Auswirkungen auf internationale Kapitalmärkte

Die Unsicherheit unter den Anlegern trug zunächst zu deutlichen Kursrückschlägen an den internationalen Aktienmärkten bei. Kurzfristig gewann der sichere Hafen festverzinslicher Staatsanleihen wieder an Attraktivität. Nach dem ersten Schock konnten an den internationalen Aktienmärkten jedoch wieder deutliche Kursgewinne erzielt werden. Die Annahme, dass sich die konjunkturellen Belastungen vor allem auf Japan beschränken würden, ließ die Risikofreude bei den internationalen Anlegern wieder aufleben.

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