Bundesbank-Chef über Haftungsprinzip, Banken und Staatshaushalte

Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve.“

Joseph Schumpeter

 

Im zweiten Teil seiner Münchner-Rede sprach der Präsidente der Deutschen Bundesbank, Dr. Jens Weidmann, gehen. übe die Verknüpfung von Haftungsprinzip, Banken und Staatshaushalten.

Aus dem Gleichgewicht

Für Herrn Weidmann sind die Balance von Haftung und Kontrolle nicht immer gegeben. Bei zwei größten und relevantesten Gruppen istdas Haftungsprinzip gefährlich ausgehöhlt: nämlich bei Staaten und bei Banken.



Dr. Weidmann brachte dieses Mißverhältnis elegant auf den Punkt:

„Die Verluste vieler Banken wurden am Ende von den Steuerzahlern der jeweiligen Länder getragen. Und die Finanzierung der Haushalte einzelner Euro-Länder wurde von den Steuerzahlern anderer Euro-Länder geschultert.“

Der Grund dafür war, dass sowohl die Banken als auch die Staaten als systemrelevant galten – es wurde befürchtet, dass ihre Schieflage die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnte.

Und so haben am Ende nicht diejenigen gehaftet, die entschieden haben und damit die Kontrolle hatten.

Das aber untergräbt verantwortungsvolles Verhalten.

Deshalb gründete der Maastricht-Rahmen, also das Regelbuch der Währungsunion, auf dem No-Bail-Out Prinzip.

Kein Euro-Land sollte für die Schulden eines anderen Euro-Landes haften.

Spätestens mit der Krise hat dieses Prinzip aber an Bindungskraft verloren.

Um das Fundament der Währungsunion zu härten, müssen wir das Haftungsprinzip wieder stärken – nicht nur für Staaten, sondern auch für Banken.“

Sicherung der Finanzstabilität

Um Finanzstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten und Krisen in Zukunft zu verhindern, müsse Weidmann zufolge die Verflechtung von Staaten und Banken so weit wie möglich gelockert werden – und zwar so, dass gleichzeitig das Haftungsprinzip wieder umfassend gelte. Wie das konkret erreicht werden soll, skizziert Weidmann wie folgt:

Um das zu erreichen, können wir an mehreren Punkten ansetzen: Wir können dafür sorgen, dass Banken widerstandsfähiger werden, wir können dafür sorgen, dass die Staatsfinanzen nachhaltiger werden, und wir können dafür sorgen, dass die Probleme des einen möglichst nicht den anderen belasten. Einige der aktuellen Reformen des institutionellen Rahmens setzen an diesen drei Punkten an.

Basel III mit den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln sorgt dafür, dass Banken Verluste besser tragen können und die Eigentümer der Banken stärker in die Haftung genommen werden. Damit wird es unwahrscheinlicher, dass Banken in eine Schieflage geraten und vom Staat gerettet werden müssen.

In die gleiche Richtung geht auch das, was im Rahmen der europäischen Bankenunion geplant ist. Dazu gehört zunächst die europäische Bankenaufsicht, der Single Supervisory Mechanism. Auch er soll dafür sorgen, dass Schieflagen von Banken rechtzeitig verhindert werden können.

Doch weder mit Basel III noch mit der gemeinsamen Aufsicht können wir Schieflagen von Banken gänzlich ausschließen. Das wäre aber auch nicht wünschenswert.

Die Möglichkeit des Scheiterns ist nämlich entscheidend für eine funktionierende Marktwirtschaft.

Joseph Schumpeter hat das mit dem Begriff der schöpferischen Zerstörung umschrieben.

Es ist also wichtig, dafür zu sorgen, dass Banken scheitern können, ohne den Staat und damit den Steuerzahler zu belasten.

Deshalb soll im Rahmen eines europäischen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus – der einen zweiten Baustein der Bankenunion darstellt – gewährleistet werden, dass im Restrukturierungs- und Abwicklungsfall die Eigentümer und Gläubiger der Banken hinreichend an den Verlusten beteiligt werden.

Dabei muss es eine klare Haftungsreihenfolge geben:

Zuerst haften die Eigentümer, dann die nachrangigen Gläubiger, und anschließend die Einleger, deren Einlagen die Obergrenze der Einlagensicherung übersteigen.

Wenn das nicht reicht, dann muss ein von den Banken gespeister Abwicklungsfonds einspringen.

Der Steuerzahler darf nicht mehr die erste, sondern muss die letzte Instanz in dieser Kaskade sein. Eine solche Haftungsreihenfolge ist mit dem Haftungsprinzip vereinbar und stärkt für Banken die Marktdisziplin.“

Stabilisierung der Staatshaushalte

Und auch mit Blick auf die Lage der Staatshaushalte drängt Herr Weidmann darauf, das Haftungsprinzip zu stärken. Für die Staatsfinanzen müsse das Haftungsprinzip wieder gestärkt werden. Allerdings seien im Vorfeld der Währungsunion die Ansteckungseffekte zwischen den Ländern im Euro-Raum unterschätzt worden. Wenn aber die Schwierigkeiten eines Landes die Finanzstabilität im gesamten Währungsgebiet bedrohen, dann seien begrenzte Hilfen vertretbar – unter strengen Auflagen und zu bestimmten Konditionen. Dafür sei der ESM geschaffen worden.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Es müsse laut Weidmann aber unser Ziel sein, dass jedes Land seinen öffentlichen Haushalt rasch wieder in die eigene Verantwortung überführe. Die Regierungen, die Parlamente aber auch die Wähler jedes Mitgliedslandes der Währungsunion müssen eigenverantwortlich dafür Sorge tragen, dass ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig und leistungsstark sei. Aus eigener Kraft müsse Wachstum und Beschäftigung generiert werden, so dass die Staatsfinanzen dauerhaft tragfähig seien, und dass übermäßige öffentliche Defizite und Verschuldung abgebaut werden, damit ein Land auch konjunkturelle Schocks aus eigener Kraft abfedern könne.

Wie nun konkret dem Haftungsprinzip mit Blick auf die Staatshaushalte umgesetzt werden soll, bringt Herr Weidmann wie folgt auf den Punkt:

„Damit wir dorthin gelangen, damit die Anreize für gute Politik richtig gesetzt sind, müssen wir auch dem Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschaffen.“

Die neuerdings für Staatsanleihen geltenden Umschuldungsklauseln sind ein Schritt in die richtige Richtung, um bei ernsten Zahlungsschwierigkeiten die Anleihegläubiger in die Haftung einzubeziehen. Denn nur dann wird der Markt eine disziplinierende Wirkung auf die Staatshaushalte ausüben.

Aber wie die Krise gezeigt hat, kann dieser Ansatz der nationalen Verantwortung nur unter einer Bedingung wirklich funktionieren. Es muss sichergestellt sein, dass Probleme der Staatsfinanzen nicht das ganze Finanzsystem aus den Angeln heben.

Zwei Dinge können zumindest dazu beitragen, dass diese Bedingung erfüllt ist:

Banken sollten mittelfristig Staatsanleihen mit ausreichend Eigenkapital unterlegen müssen, und sie sollten bei staatlichen Schuldnern Großkreditgrenzen einhalten müssen.

Bei Unternehmenskrediten ist das schon lange üblich.

Das würde die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber Schieflagen bei den Staatsfinanzen stärken. Mit einer solchen Regulierung würden die Banken ihre Nachfrage nach Staatsanleihen auch stärker an deren Risiko ausrichten.

Im Falle einer unsoliden Haushaltspolitik würde der Zins für solche Anleihen dann steigen. Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefökonom des IWF, sieht in einer angemessenen Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen sogar eine weit effektivere Schuldenbremse als in den Regeln des Fiskalpakts.

Staatsschulden nicht länger gegenüber Unternehmenskrediten zu bevorzugen, würde übrigens auch Kredite an Unternehmen wieder attraktiver machen. Und davon können Sie alle profitieren, auch wenn wir in Deutschland derzeit keine Hinweise darauf sehen, dass die Kreditvergabe an Unternehmen eingeschränkt wird. Im Gegenteil, die Kreditstandards für Unternehmenskredite wurden im ersten Vierteljahr 2013 sogar leicht gelockert.

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