Vom Hirten hintergangen

sparschwein geld girokonto sparzinsen95 Millionen Euro hat ein Investmenthaus aus der Firmengruppe des Reeders Erck Rickmers in rumänischen Wäldern angelegt. Doch man ließ sich auf die falschen Partner ein

Der Wald ist der Bruder des Rumänen, so lautet ein Sprichwort in den Karpaten, denn im Leben der Menschen spielen die heimischen Urwälder Europas mit ihren Bären und Wölfen eine besondere Rolle. Eine andere Redewendung lautet: „se fura ca in codru“, „Stehlen wie im Wald“. Gemeint ist damit der freche, aber menschenfreundliche Dieb, der Schutz im Forst findet. Der Robin Hood, der Outlaw oder Wilderer, der seine Beute mit dem Volk teilt. Inzwischen drängt sich aber eine andere Lesart der Redensart auf: Maßloser Raub auf Kosten von Mensch und Natur, denn die letzten Urwälder Europas sind zum Spielball von Holzmafia und Spekulanten geworden. Raubbau, Korruption und Schmuggel sind in der rumänischen Forstwirtschaft an der Tagesordnung.

Dass bei Geschäften mit rumänischen Wäldern Vorsicht geboten ist, müssen in diesen Tagen auch die Manager des Hamburger Investmenthauses Nordcapital lernen. Die Fondsgesellschaft gehört zur Unternehmensgruppe des bekannten Reeders Erck Rickmers. Neben unzähligen Schiffs-, Private-Equity- und Immobilienfonds hat sie seit 2008 auch Fonds mit rumänischen Wäldern aufgelegt.

Das Investment biete „hohes Wertsteigerungspotenzial“ und „Inflationsschutz“, heißt es auf der Webseite. Tatsächlich aber ist das Kapital in den Karpaten weit weniger krisenfest angelegt. Bis zu 22 Millionen Euro könnte Nordkapital verlieren, weil sich die Hamburger offenbar mit den falschen Leuten eingelassen haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche von Journalisten der südosteuropäischen Nonprofit-Organisation „Organised Crime and Corruption Reporting Projects“ (OCCRP) und der „Welt am Sonntag“.

Mit den falschen Leuten ist vor allem der rumänische Millionär Gheorghe Ceteras gemeint, ein hagerer Mann Mitte 50. Er soll in seiner Jugend Hirte gewesen sein und dann für Kommunikationsunternehmen Kabelschächte ausgehoben haben. Laut rumänischen Medien ist er über Nacht reich geworden – wie genau, das ist unklar. Aktuelle Fotos zeigen Ceteras mit Halbglatze und grauen Haaren, die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst, was daran liegen könnte, dass die Nationale Anti-Korruptionsbehörde (DNA) gegen ihn ermittelt. Wegen des Geschäfts mit den Hamburgern.

Das begann im Sommer 2011. Damals kaufte Nordcapital über Tochterunternehmen und Mittelsleute den rund 5000 Hektar großen Forst Gura Teghii in den Ostkarpaten von Ceteras für rund 22 Millionen Euro. Die Hälfte der Bäume sind Fichten, der Rest meist Buchen und Tannen. Viele sind mehr als 80 Jahre alt. Der Forst sei mit vielen Festmetern pro Hektar „sehr gut bevorratet“, wirbt Nordcapital. Das Investmenthaus lässt die Wälder für den „Waldfonds 2“ bewirtschaften. „Das vor Ort geschlagene Holz wird an internationale – überwiegend in Österreich ansässige – Sägewerke in Rumänien verkauft“, teilt Nordcapital mit. Nach eigenen Angaben haben die Hamburger insgesamt rund 95 Millionen Euro in rumänischen Wäldern angelegt. Lange liefen die Geschäfte offenbar gut, bis Ende 2014 die Handschellen klickten. Anti-Korruptionsfahnder nahmen den Geschäftsmann Gheorghe Ceteras fest. Die Vorwürfe lauten auf Gründung einer kriminellen Vereinigung und Bestechung. Ceteras soll Nordcapital Wald verkauft haben, den er nie hätte besitzen dürfen. Er soll ihn sich zuvor mit einem konspirativen Komplott erschlichen haben.

Das von der DNA skizzierte Betrugsschema ist ein Klassiker der rumänischen Waldmafia. Nach den systematischen Waldenteignungen der Kommunisten im vergangenen Jahrhundert gehören viele rumänische Wälder heute der staatlichen Forstbehörde Romsilva. Erben und Nachfahren der rechtmäßigen Eigentümer können sie per Gerichtsbeschluss zurückerhalten, sofern sie ihren Anspruch mit Dokumenten begründen können. Die Mafia ist deswegen fleißig. Alte Landtitel und Urkunden werden gefälscht, Beamte und Richter bestochen. Das Geschäft mit den illegalen Rückerstattungen blüht.

Im Fall der Wälder von Nordcapital soll Ceteras dem zuständigen Präfekten – ein Amt, vergleichbar mit einem deutschen Landrat – eine Million Euro gezahlt haben. Das haben die Korruptionsbekämpfer ermittelt. Ein Mitarbeiter der staatlichen Forstbehörde habe von Ceteras ebenfalls eine Million Euro für die Beschleunigung des Verfahrens erhalten. Der Richter am Ende der Entscheidungskette sei wiederum mit 250.000 Euro bedacht worden. Die DNA will die drei und einen weiteren involvierten Anwalt wegen Amtsmissbrauchs, Anstiftung zur Fälschung und Bestechlichkeit anklagen.

Nordcapital ist unterdessen um Aufklärung bemüht. Kenntnisse zu den Ermittlungen erhalte man derzeit nur aus den rumänischen Medien, teilt das Unternehmen mit. „Selbstverständlich haben wir mit dem in Haft Befindlichen keinen Kontakt.“ Die Verbindung zu Ceteras sei über einen Makler zustande gekommen. Der rumänische Geschäftsmann sei laut Grundbuch der Eigentümer der Forstfläche gewesen. „Dies wurde zweifach gutachterlich bestätigt.“ Es gebe deshalb keinen Anlass zur Annahme, „dass das Eigentum nicht ordnungsgemäß erworben worden sein könnte“. Keine Angaben machte das Unternehmen zur Frage, ob mittelfristig der Entzug des Forsts Gura Teghii drohe.

Nach Einschätzung rumänischer Journalisten vom OCCRP wird die staatliche Forstbehörde Romsilva die Wälder zwangsläufig zurückfordern müssen. Ob Nordcapital das Geschäft rückabwickeln und die rund 22 Millionen Euro von Gheorge Ceteras eintreiben kann, ist zurzeit offen.

Nordkapital ist schon der zweite norddeutsche Finanzinvestor, der sich Ärger mit rumänischem Wald einhandelt. Schon im Zuge der Insolvenz des Itzehoer Windkraftproduzenten Prokon wurden dubiose Deals mit Karpatenwäldern bekannt. Der umtriebige Prokon-Gründer und Ex-Geschäftsführer Carsten Rodbertus hatte rund 80 Millionen Euro in rumänische Wälder gesteckt und eine Absichtserklärung über den Kauf von 40.000 Hektar für 140 Millionen Euro unterzeichnet. Prokon wäre nach eigenen Angaben der größte private Waldeigentümer in Rumänien geworden. Aber Rodbertus hatte Glück, dass die Absichtserklärung nie in einen finalen Vertrag umgesetzt wurde. Sonst hätte er wohl auch blind Wälder aus einer illegalen Rückerstattung gekauft.

Denn nach den Berichten von OCCRP und „Welt am Sonntag“ im Januar 2014 nahmen die Korruptionsjäger den geplanten Prokon-Deal auf die Ermittlungsliste. Der Kaufpreis schien den DNA-Fahndern viel zu billig, der Verdacht einer ungewöhnlich großen illegalen Rückerstattung keimte. Deshalb hörten die Fahnder Telefone ab. Monate später löste die Absichtserklärung von Rodbertus und seinen Partnern ein Erdbeben in der rumänischen Politik aus.

Die DNA-Ermittler verhafteten mehrere Beamte. Sogar der Leiter der nationalen Forstbehörde Romsilva und der Schwiegervater des aktuellen Ministerpräsidenten Victor Ponta sollen in die illegalen Geschäfte verwickelt sein. Der Wald-Skandal platzte in den Präsidentschaftswahlkampf, in dem Ponta gegen den als deutlich weniger korrupt geltenden Rumäniendeutschen Klaus Johannis antrat. Im November 2014 wählten die Rumänen überraschend Klaus Johannis zu ihrem neuen Präsidenten.

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