Der Datenschutz der Zukunft

Der 2b AHEAD ThinkTank gilt als eine der innovativsten Denkfabriken Deutschlands. Auf Einladung des Trendforschers Sven Gábor Jánszky (37) treffen sich bereits seit neun Jahren die CEOs und Innovationschefs der deutschen Wirtschaft. Unter seiner Leitung entwerfen sie Zukunfts-Szenarien und Strategieempfehlungen für die kommenden 10 Jahre. Jánszky coacht Manager und Unternehmen in Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements, führt Kreativprozesse zur Produktentwicklung und ist als 5 STERNE REDNER ein gefragter Keynotespeaker auf Strategietagungen. Er prognostiziert drei wesentliche Trends für den Datenschutz der Zukunft.

Wir erleben derzeit einen radikalen Paradigmenwechsel im Datenschutz. Denn die Grundannahme, dass Bürger Ihre Daten nicht freigeben wollen stimmt nicht mehr. Dies ist die Denke der 80er Jahre in denen viele Bürger den Staat als „allmächtigen Überwacher“ und Gegner sahen. Dies ist über 25 Jahre her! Die 68er haben ihre berechtigten Ängste von damals mit in die heutige Zeit gebracht und dabei vergessen, dass sie selbst es waren, die dieses Land verändert haben. Heute leben wir lebt in einer komplett anderen Welt. Wir wollen unsere Daten nicht mehr verheimlichen!


Trend 1: Elektronische Assistenten bestimmen den Tagesablauf

In Zukunft werden wir in unserem Tagesablauf von intelligenten Softwareassistenten begleitet. Je nachdem wo wir uns befinden sitzt er in der Uhr, im Handy, im Computer und synchronisiert sich mit dem Wohnzimmerfernseher, dem Badspiegel usw. Dieser Softwareassistent ist die Weiterentwicklung der heutigen Behavioral Targe-ting Technologie. Er beobachtet unser Verhalten, analysiert unsere Taten und Entscheidungen und führt damit ein jederzeit aktuelles Profil unserer Bedürfnisse. Mit diesem Profil spielt der Assistent Angebote und Entscheidungshilfen automatisch in unseren Tagesablauf ein.

Die Auswirkungen sehen wir schon heute. Experten sind keine Experten mehr, wir erleben schon seit Monaten eine „Devaluation des Expertentums“. Häuslebauer gehen nicht mehr zum Handwerker und lassen sich die ideale Heizung für ihr Haus empfehlen, sondern sie beauftragen ihn jene bestimmte Heizung XY einzubauen, die angeblich die beste sein soll … sagt das Internet. Vom Experten zum Handlanger! Touristenführer müssen sich beim Stadtrundgang von ihren Teilnehmern belehren lassen, denn die wissen per iPhone & Co. mehr über die Geschichte von Gebäuden als der Historiker. Vom Experten zum Schirmwedler! Buchhändler werden immer weniger nach einem Geschenktipp gefragt, denn dank Barcodescannern und Amazon wissen Käufer besser als Verkäufer, was ihnen gefallen könnte. Vom Experten zum Kassierer!

Auf diese Weise verändern sich in den kommenden Jahren in allen Branchen die Geschäftsmodelle der bisherigen Experten: Lehrer, Redaktionen, Makler, Trainer, Einkäufer, Reiseführer, Berater … etc. Sie alle verlieren Schritt für Schritt die Basis Ihrer Geschäftsmodelle. Hand aufs Herz: Was würden Sie tun, wenn morgen früh alle Gegenstände um Sie herum eine IP-Adresse hätten … jede Handtasche, jeder Badspiegel, jeder Tisch, jede Zeitung …? Was würden Ihre Kunden von Ihnen verlangen? Was würde die Konkurrenz tun? Was müssten Sie tun?

Trend 2: Paradigmenwechsel im Umgang mit Daten

Natürlich wird dieses Szenario nur entstehen, wenn wir Menschen bereits sind, unsere persönlichen Daten analysieren und auswerten zu lassen. Deshalb ist klar: Es wird weiter Datenschutz geben. Er wird ein zentrales Element der Geschäftsmodelle der Zukunft sein. Aber es wird ihn anders geben als heute: Wir als Kunden werden souverän im Umgang mit unseren Daten. Wir geben die Daten demjenigen frei, den wir vertrauen und sperren sie für andere.

Wir erleben damit einen klaren Paradigmenwechsel unseres Verständnisses des Datenschutzes. Denn die bisherige Logik des Datenschutzes stammt aus einer Zeit vor 25 Jahren. Es war die Zeit der Volkszählung und der Angst der Bürger vor einem als allmächtig und unheimlich empfundenen Staat. Heute ist das anders. Wieder steht eine Volkszählung bevor. Im kommenden Jahr wird es soweit sein. Wo ist der Protest? Es gibt keinen!

Denn die Bürger verfallen nicht in Hysterie und gehen souverän mit ihren Daten um. Sie werden es akzeptieren, dass der Staat ihre Daten sammelt. Denn seit damals hat sich unsere Gesellschaft grundlegend gewandelt. Wir Bürger sind nicht mehr ängstlich, sondern souverän gegenüber dem Staat. Statt unsere Daten zu verstecken, schreiben wir heute tagtäglich in Twitter oder XING, wo wir gerade sind und was wir gerade tun, nutzen selbstverständlich die Payback-Card, Kreditkarten und Google, obwohl wir genau wissen, dass unsere Daten hier gespeichert werden.

Wir erhalten dadurch Rabatte oder Anerkennung und haben kaum etwas zu befürchten, außer ein paar Werbebriefen und Werbemails, die ungelesen in den Müll wandern. Das scheinbare Paradoxon dabei: Statt der erwarteten Werbeflut werden wir feststellen, dass wir weniger sinnlose Werbung bekommen, je mehr Daten wir preisgeben. Mit unseren Daten erleichtern wir den Unternehmen uns genauer zu kennen und zielgenauer mit jener Werbung zu versorgen, die uns interessiert und von jener zu verschonen, die wir nur wegwerfen. Dieser souveräne Umgang mit unseren Daten bedeutet, dass wir jederzeit abwägen, ob der Vorteil, den wir uns versprechen, einem eventuellen Datenmissbrauch überwiegt.

Natürlich hegen viele Menschen ob dieser neuen Technologien auch Befürchtungen. Doch auch bei ihnen wird irgendwann die Angst überwiegen, etwas zu verpassen. Denn der Nutzen liegt auf der Hand: Bessere Fernsehprogramme, bessere Musik im Radio, interessante Nachrichten und passende Werbung. Den Nutzen gibt es sogar in ärgerlichen Situationen: Wir rechnen damit, dass künftig bei 80% der Anrufe in Callcentern der Grund des Anrufes schon vorausgesagt werden kann und entsprechend geholfen wird.

Wenn wir in den kommenden Jahren überall und jederzeit mit dem Internet verbunden sind, werden wir schnell feststellen, dass wir die Komplexität nichtmehr sinnvoll beherrschen. Wir werden sehr dankbar sein über Technologien, die anhand unserer analysierten Daten das Interessante in unsere Leben hinein filtert. Und viele von uns werden ihr Geschäft damit machen, eine neue Data-Economy zu betreiben, die die Daten der Kunden sammelt, aufbereitet und den Kunden wieder zur Nutzung verkauft. Dann leben wir wirklich in einer komplett neuen Welt. Wir wollen unsere Daten nicht verheimlichen. Wir wollen sie freigeben. Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben!

Trend 3: Datenschutz wird wichtiger aber anders!

Heißt das, dass wir keinen Datenschutz mehr brauchen? NEIN! Der Datenschutz wird eines der zentralen Elemente für die künftige Entwicklung der Wirtschaft sein. Die Unternehmen wissen das selbst sehr genau. Die Werbung ist das Schmiermittel des gesamten Wirtschaftskreislaufes. Ohne Werbung kann unsere Marktwirtschaft nicht funktionieren. Deshalb sind Unternehmen darauf angewiesen, dass sie ihre Werbung an die richtige Frau und an den richtigen Mann bringen.

Die Menschen werden in den nächsten Jahren immer genauer erkennen werden, wie unsere Wirtschaft und Gesellschaft funktioniert, nämlich dass die Unternehmen mit ihren Kunden kommunizieren und entsprechend deren Daten verwenden. Die Bürger werden sich bewusst werden, dass ihre Daten einen wirtschaftlichen Wert haben. Wir werden unsere Daten jenen Unternehmen freigeben, denen wir vertrauen und die am meisten dafür zahlen. Vertrauen wird das wichtigste Wirtschaftsgut des Jahres 2020!

Dies sichert der Datenschutz der Zukunft! Wir Bürger werden in Zukunft erwarten, dass der Datenschutz nicht die Freigabe der Daten verhindert, sondern dem Bürger eine Möglichkeit schafft, die Souveränität über seine Daten zu behalten. Die Politik wird eine Möglichkeit dafür schaffen, die Unternehmen die Nutzung von Daten nur gestattet, wenn gleichzeitig jedem Kunden eine Einsichts- und Kontrollmöglichkeit über seine Daten gegeben wird.

Datenschutz der Zukunft heißt, dass der Bürger mit einem Klick die über ihn gespeicherten Daten ansehen, verändern und löschen kann.

Es wird Systeme geben, die dies sicherstellen. Entweder durch ein bundesweites Trust-Center, in dem die Daten aller Nutzer in Deutschland gespeichert und entsprechend freigegeben oder gesperrt werden. Doch noch wahrscheinlicher ist die zweite Möglichkeit des Datenschutzes der Zukunft. Dabei werden die persönlichen Nutzerprofile bei jedem Nutzer selbst auf dem Handy oder Computer gespeichert. Auch dafür ist Technologie nötig, die von vertrauenswürdigen Anbietern bereitgestellt wird.

Und was geschieht mit Menschen, die nach wie vor Angst um ihre Daten haben? Kein Problem! Niemand wird gezwungen seine Daten freizugeben! Allerdings werden wir erleben, dass diese Menschen Schritt für Schritt aus den Kommunikations- und Partizipationsprozessen der Gesellschaft ausgegrenzt werden, so wie das heute etwa mit Menschen ohne Email-Adresse passiert.

Übrigens wird es auch der Datenschutz der Zukunft nicht verhindern, dass es weiterhin Skandale gibt. Kriminelle Personen treiben in allen Bereichen ihr Unwesen. Dafür brauchen wir Gesetze und Strafverfolgungsbehörden. Was wir jedoch nicht mehr brauchen, ist der übertriebene Regulierungswahn traditioneller Datenschützer. Die heutige Datenschutzdebatte ist ein Relikt der alten Zeit und das vermutlich letzte Gefecht des überkommenen Datenschutzes. Wir sind kein Volk von Naivlingen, das vor sich selbst beschützt werden muss!

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