Gehen der EZB die Staatsanleihen aus?

Das Wertpapierkaufprogramm der europäischen Währungshüter endet voraussichtlich im März 2017. So zumindest der Plan. Doch gerade mal 70,1 Prozent der geplanten Käufe gingen tatsächlich über die Bühne. Demnach ist von einer Ausweitung Quantitativer Lockerung (QE) in sieben Monaten auszugehen. Die EZB unterliegt gewissen Kaufkriterien, die dem Eurosystem zunehmend auf die Füße treten. Erfahren Sie im heutigen Zinskommentar, warum der EZB unter den gegenwärtigen Marktbedingungen die erwerbbaren Staatsanleihen möglicherweise ausgehen.

 

 

Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor hat sich in den letzten 2 Wochen nicht verändert und steht nach wie vor bei -0,301 %. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,40 % ist sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.
Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz liegt derzeit bei 0,355 % und ist in den letzten Wochen abermals leicht gestiegen. Durch BREXIT erwarten wir weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

 

Gehen der EZB die Staatsanleihen aus?
Die stockende Weltwirtschaft lässt nicht nur die europäischen Wertpapiere ins Negative rentieren. Es scheint sich ein globales Phänomen abzuzeichnen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller Euro-Staatsanleihen bewegt sich derzeit unter der Nullprozentmarke. In der Schweiz liegt die gesamte Zinskurve im Negativbereich. Mit einem Volumen von ca. 8,3 Billionen US-Dollar sind rund 35 Prozent der ausstehenden Staatsanleihen aller Industrieländer mit einer negativen Rendite behaftet.

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Quelle: Allianz Global Investors (hier klicken um Grahik zu vergrößern)

 

Die EZB hat bestimmte Mindestkriterien für den Ankauf von Staatspapieren im Rahmen ihres Wertpapierkaufprogrammes festgelegt. Diese besagen unter anderem, dass keine Anleihen erworben werden dürfen, deren Rendite unterhalb des Zinses für Zentralbankguthaben (Einlagefazilität) von aktuell -0,4 Prozent p.a. liegt. Nun bewegen sich alleine für Deutschland alle Laufzeiten bis einschließlich 7 Jahre unterhalb der -0,4 Prozent. Das sind rund 63,2 Prozent der gesamt ausstehenden Bundesanleihen. Rund 30,4 Prozent aller Anleihen der Eurozone sind für die EZB nicht mehr erwerbbar.

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Quelle: Allianz Global Investors (hier klicken um Grahik zu vergrößern)

Außerdem unterliegt die EZB einem Emissionslimit: Maximal 33 Prozent einer einzelnen Emission bzw. der ausstehenden Schuldtitel eines Emittenten dürfen erworben werden. Insgesamt haben alle Bundesanleihen über 7 Jahre ein Volumen von 341 Milliarden Euro. Unter Berücksichtigung des Emissionslimits bleiben der Bundesbank nur 114 Milliarden Euro an käuflichen Anleihen. Das verfügbare Volumen der Bundesbank wird somit immer kleiner.

Das Gewicht der Einlagefazilität lässt sich auch bei der Betrachtung des 1-Monats EURIBOR Zinssatzes erkennen. Der für das Interbankengeschäft relevante Zinssatz bewegte sich in dem letzten Monat stets um -0,37 Prozent und unterbot nie die Einlagefazilität der EZB. Die Raten können gar nicht weiter ins Negative fallen.

Sicher ist, um den Knappheitssorgen zu entgehen, muss die EZB ihre Kaufkriterien anpassen. Eine Anpassung der Emissionslimits auf 50 Prozent wäre ein denkbarer Schritt. Eine weitere Senkung der Einlagefazilität dürfte in der Geschäftsbankenwelt auf großen Protest stoßen. Noch ist genügend Angebot da, die Frage stellt sich nur bis wann.
Kleiner Ausblick: Nächste Woche Dienstag und Mittwoch entscheidet der US-Gouverneursrat der FED über mögliche Zinsentscheidungen. Die Chance für eine Zinserhöhung steht schlecht, doch Gewissheit besteht ab Mitte nächster Woche.

 

 

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