Das Management austauschen oder nicht??

Beyond the Deal Deutschland by Pronex GmbH, 60327 Frankfurt, 09.12.2016 (c) Team Uwe Nölke | Fotografie & Film für Menschen & Unternehmen, D-61476 Kronberg, Brunnenweg 21, T +49 6173 321413, look@team-uwe-noelke.de, www.team-uwe-noelke.de

Können wir mit dem aktuellen Management die geplanten Übernahmeziele erreichen? Das prüfen Investoren vor Unternehmensübernahmen kaum – unter anderem, weil sie Bedeutung des Faktors Mensch für den Erfolg von Unternehmensakquisitionen oft unterschätzen. ,

Wenn potenzielle Investoren den Kauf einen Unternehmens erwägen, engagieren sie meist Berater, um zu ermitteln:

  • Was spricht für, was gegen den Kauf? Und:
  • Wie viel wären wir bereit, für das Unternehmen zu zahlen?

 

Eine eher geringe Rolle spielt bei der sogenannten Due-Diligence-Prüfung jedoch meist die Qualität des Managements des Übernahmekandidaten und dessen (Führungs-)Kultur. Dabei sind diese Faktoren für den Erfolg von Firmenübernahmen wichtig. Denn vom künftigen Management hängt es weitgehend ab, inwieweit die Übernahmeziele erreicht werden. Also sollten Investoren vor einer Akquisitionsentscheidung prüfen: Können wir mit dem vorhandenen Management unsere Ziele erreichen?

 

 

Übernahme schafft neue Rahmenbedingungen

 

Das tun viele Investoren nicht ausreichend. Das zeigt sich unter anderem darin, dass bei vielen Firmenkäufen die gravierendsten personellen Veränderungen nicht unmittelbar nach der Übernahme erfolgen. Oft dreht sich das Personalkarussell erst nach ein, zwei Jahren so richtig. Das heißt: Die neuen Eigner vertrauen zunächst auf das alte Management. Und erst nach einiger Zeit stellen sie fest: Dieses erfüllt unsere Erwartungen nicht. Oder die Top-Executives des übernommenen Unternehmens denken zunächst: „Unter den neuen Herren wird sich nicht viel ändern.“ Doch noch einiger Zeit merken sie: „Unter den neuen Rahmenbedingungen möchte oder kann ich nicht arbeiten.“ Also ergreifen sie die Flucht.

 

Letzteres passiert oft. Denn mit den meisten Übernahmen sind auch neue (strategische) Zielsetzungen für das übernommene Unternehmen verbunden; zudem ändert sich das operative Modell – und hieraus resultieren wiederum neue Anforderungen an das Management.

 

Ein Beispiel: Angenommen ein Unternehmen erwirbt einen Mitbewerber mit langer Firmentradition – primär weil es sich hiervon den Zugang zu neuen Märkten verspricht. Dann ändert sich die Arbeitssituation des Top-Managements radikal. Denn plötzlich ist das ehemals stolze eigenständige Unternehmen nur noch eine Art Vertriebsorganisation, die ihr Handeln an den Zielvorgaben der neuen Eigner orientieren muss. Dese Situation erfordert von den Top-Executives des akquirierten Unternehmens ein neues Selbstverständnis und verändertes Managementhandeln. Deshalb sind bei solchen Übernahmen personelle Veränderungen meist unumgänglich.

 

 

Ein Ausbluten der Organisation verhindern

 

Bei Firmenübernahmen machen sich die neuen Eigner im Vorfeld oft wenig Gedanken darüber: Was folgt daraus für das Management des akquirierten Unternehmens? Anders ist dies bei dessen Top-Executives. Bei ihnen beginnt, sobald die mögliche Übernahme publik wird, das Gedankenkarussell zu kreisen: Was bedeutet die Übernahme für mein Unternehmen? Und damit unlösbar verbunden ist die Frage: Was heißt dies für meine berufliche Zukunft? Entsprechend schnell sind sie in solchen Phasen der Ungewissheit zu einem Arbeitgeberwechsel bereit. Das wissen auch die Mitbewerber. Also buhlen sie verstärkt um die Personen, die bei dem Übernahme-Kandidaten Schlüsselpositionen haben.

 

Auch deshalb sollten potenzielle Käufer eines Unternehmens im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung analysieren: Welche Fähigkeiten brauchen wir zum Erreichen der Ziele des Invests? Denn nur dann können sie rasch die für den Erfolg der Übernahme wichtigen Führungskräfte (und Spezialisten) identifizieren und an diese das Signal senden „Wir brauchen euch“.

 

 

Kernfrage: Welchem Ziel dient die Akquisition?

 

Doch wie sollte ein Unternehmen bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung vorgehen? Zunächst muss es definieren: Was wollen wir mit der Übernahme erreichen? Die Antwort kann lauten:

  • Wir wollen uns Zugang zu Know-how verschaffen, das unserer Organisation fehlt. Oder:
  • Wir wollen uns neue Kundengruppen erschließen. Oder:
  • Wir wollen unsere Stück-Kosten senken.

 

Aus dem Akquise-Ziel ergeben sich wiederum weitgehend die Antworten auf folgende Fragen:

  • Welche Bereiche im Unternehmen und welche der dort vorhandenen Kompetenzen sind für den Erfolg der Akquisition unabdingbar? Und:
  • Welche Struktur und Kultur sollte die übernommene Organisation künftig haben, damit wir unsere Ziele erreichen?

 

Die Antworten auf diese Fragen wirken sich auf die Personalentscheidungen aus. Erneut zwei Beispiele: Angenommen ein Unternehmen erwirbt ein anderes vor allem, weil dieses in der Produktentwicklung innovativer ist. Dann stellt häufig dessen Forschungs- und Entwicklungsbereich das Filetstück dar, das bei der Übernahme auf keinen Fall zu Schaden kommen darf. Also sollte bei der Übernahme in diesem Bereich weitgehend die Kontinuität gewahrt bleiben – personell, strukturell und kulturell. Sonst ist die Gefahr groß, genau das zu zerstören, was das Unternehmen attraktiv macht.

 

Anders ist die Situation, wenn ein Unternehmen einen Mitbewerber primär erwirbt, um seinen Marktanteil auszubauen. Dann ist es vor allem an dessen Kunden und Absatzwegen interessiert. Bei solchen Deals ist es meist sinnvoll, das gekaufte Unternehmen strukturell und kulturell soweit möglich in die eigene Organisation zu integrieren.

 

 

Frage: Was für ein Management brauchen wir?

 

Angenommen der Investor hat seine Übernahmeziele definiert. Er weiß zudem, welche Struktur und Kultur das akquirierte Unternehmen hierfür nach der Übernahme braucht. Dann kann er im nächsten Schritt definieren:

  • Wie sollte das Management des übernommenen Unternehmens künftig strukturiert sein? Und:
  • Welches Profil müssen die Personen haben, die dort Top-Positionen innehaben?

Dies ist wiederum die Voraussetzung, um zu prüfen, welche der bisherigen Top-Executives weiterhin auf der Payroll des Unternehmens stehen sollen.

 

Dies zu ermitteln, ist im Vorfeld von Übernahmen meist nur bedingt möglich – selbst wenn die Investoren bereits Zugriff auf die Organigramme haben, die zeigen, wer welche Position im Unternehmen innehat. Denn aus diesen Datenblättern geht zum Beispiel nicht hervor,

  • wie Entscheidungen real getroffen werden,
  • wie effektiv die Leiter der Bereiche zusammen arbeiten und
  • wie diese als Person „ticken“.

 

Hierüber können Investoren im Vorfeld von Übernahmen meist nur über Umwege erste Informationen gewinnen – zum Beispiel durch ein Analysieren der betriebswirtschaftlichen Daten oder durch ein Befragen von externen Partnern wie Kunden und Lieferanten. Diese Infos genügen jedoch gerade bei der zweiten und dritten Führungsebene, die weniger im Rampenlicht steht, meist nicht, um zu ermitteln, inwieweit die Stelleninhaber sich für die Übernahme einer Top-Position eignen. Deshalb kann die eigentliche Leadership-Due-Diligence-Prüfung in der Regel erst nach der Übernahme erfolgen.

 

 

Prüfung auf künftige Anforderungen fokussieren

 

Eine Leadership-Due Diligence-Prüfung ist ein Management-Audit, bei dem mit einer Batterie von Instrumenten versucht wird, einzuschätzen, inwieweit die oberen Führungskräfte einer Organisation über die nötige Kompetenz verfügen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele zu leisten. Die einzige Besonderheit hierbei ist: Das Audit ist auf die angestrebten Veränderungen und die Ziele des neuen Eigners fokussiert. Dies ist wichtig! Denn bei Übernahmen sind oft gerade die Top-Executives, die im akquirierten Unternehmen bisher die „Erfolgsgaranten“ waren, die größten „Bremser“, wenn es um das Erreichen der neuen Ziele geht. Erneut zwei Beispiele.

 

Beispiel 1: Angenommen ein Anlagenbauer möchte einen Mitbewerber übernehmen und gegen diese „feindliche Übernahme“ wehrt sich dessen Finanzvorstand vehement. Erfolglos – was der Vorstand auch als persönliche Niederlage empfindet. Dann stellt sich für die neuen Eigner die Frage: Ist dies für uns der richtige Mann – ungeachtet seiner Kompetenz als Finanzvorstand?

 

Beispiel 2: Ein IT-Unternehmen wird von seinem härtesten Mitbewerber geschluckt, über dessen Produkte sich der Vertriebsleiter des übernommenen Unternehmens bisher stets abfällig äußerte – teils aus taktischen Gründen, teils aus Überzeugung. Dann stehen die neuen Eigner vor der Frage: Ist der Vertriebsleiter – im Gespräch mit Mitarbeitern und Kunden – noch glaubwürdig, wenn er plötzlich die Produkte des ehemaligen Mitbewerbers lobt und (mit-)vertreibt?

 

Zuweilen wird das Ergebnis der Prüfung lauten: „Wir brauchen Herrn Müller noch in einer Übergangszeit. Doch danach….“ Dann sollten die neuen Eigner in der Regel mit offenen Karten spielen und mit dem Manager ein Agreement auszuhandeln, das den Interessen aller Beteiligten entspricht.

Stephan Jansen

 

Zum Autor: Stephan Jansen ist geschäftsführender Gesellschafter der M&A- und PMI-Beratung Beyond the Deal Deutschland, Frankfurt. Das Beratungsunternehmen unterstützt vorrangig Mittelständler beim Kauf und Verkauf von Unternehmen sowie Unternehmensteilen und bei deren Integration. Mehr Infos: www.beyondthedeal.de

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