Der Umkehrzins: Zinssenkungen wirken nicht immer stimulierend

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

in der Regel verfolgen Zentralbanken mit Zinssenkungen eine Stimulation der Kreditvergabe und einhergehend damit eine Anregung der wirtschaftlichen Aktivität. Doch der Zins kann nicht ewig sinken, denn irgendwann kehrt sich dieser Effekt um und Zinssenkungen wirken kontraproduktiv auf eine Volkswirtschaft. Den sog. Umkehrzins (reversal interest rate) untersuchte unter anderem der deutsche Ökonom Markus K. Brunnermeier von der Universität Princeton. Die Grenze, ab wann eine weitere Zinssenkung einer Volkswirtschaft eher schadet als stützt, hängt von verschiedenen Parametern ab und kann sowohl negativ als auch positiv sein.  Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr über das Konzept der umgekehrten Zinsrate.

 

 

Markt-Monitoring und Ausblick

 

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor bleibt auch diese Woche unverändert bei – 0,328%. Bis Ende Q2 erwarten wir eine Seitwärtsbewegung, danach eine leichte Tendenz Richtung – 0,20%, da die Erwartung vom Ausstieg am Quantitative Easing den kurzfristigen Zins sukzessive anheben wird.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz pendelt wieder nach unten und liegt nun bei 0,88 %. Wir erwarten zukünftig weiter niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,75% – 1,00%.

 

 

Der Umkehrzins: Zinssenkungen wirken nicht immer stimulierend

Bisher sind Ökonomen immer von einer Nullzinsuntergrenze (zero lower bound) ausgegangen, doch spätestens seit der Einführung von Negativzinsen durch einige Zentralbanken erwies sich diese Annahme als falsch. Im Mittelpunkt des Konzeptes stehen die Geschäftsbanken. Neben der Weitergabe von Zinsen ist das Ausmaß der Kreditvergabe durch die Banken essentiell für die Effektivität von Geldpolitik. Eine Einschränkung des Kreditgeschäftes wirkt rezessiv, eine Ausweitung stimulierend.  Wie wirkt sich also eine Zinssenkung auf das Geschäft von Banken aus?

Zunächst profitieren all jene Banken, die langfristige Kredite über kurzfristige Einlagen refinanzieren, da die Finanzierungskosten der Einlagen sinken. Das führt zu einer Verbesserung des Eigenkapitals und der Rentabilität. Brunnermeier bezeichnet dies als „heimliche Rekapitalisierung“. Dem gegenüber steht eine geringere Zinsmarge, die aus einer Zinssenkung resultiert. Aufgrund des Wettbewerbs müssen Banken einerseits attraktive Konditionen für die Kreditnehmer anbieten und andererseits die Einlagen für Sparer entsprechend verzinsen.  In der Regel reagieren Kreditzinsen elastischer auf Zinssenkungen als Einlagesätze. Das führt zu einer Verringerung der Zinsmarge unter der Voraussetzung, dass die Geschäftsbanken die klassische Fristentransformation (Transformation von kurzfristigen Einlagen in langfristige Kredite) betreiben. Darüber hinaus können Zinssenkungen dazu führen, dass Einlagen zunehmend durch Bargeld ersetzt werden. Auch das drückt auf die Profitabilität.

Aus den beiden genannten Effekten ergibt sich entweder ein negativer oder positiver Saldo und damit eine Ausweitung oder Einschränkung der Bankgeschäfte und Kreditvergaben.  Ein ausgeglichener Saldo markiert den Umkehrzins. In dem Fall würde jede weitere Zinssenkung, unter sonst gleichen Bedingungen, rezessiv wirken. Die Höhe des Umkehrzinses hängt unter anderem von verschiedenen Parametern ab:

  • Der Regulierung des Finanzsektors: Hohe Regulierungsanforderungen z.B. an das Eigenkapital erhöhen den Umkehrzins.
  • Marktstruktur im Bankensektor: Je höher der Anteil der langfristigen Anlagen, umso stärker wirkt die „heimliche Rekapitalisierung“, womit der Umkehrzins sinkt.
  • Marktmacht der Banken: Je größer die Marktmacht von Banken, desto unabhängiger können diese Zinssätze festlegen und desto geringer ist der Umkehrzins.

Demnach könnte eine lockere Regulierung des Finanzsektors, ein hoher Anteil langfristiger Kredite in den Bilanzen der Banken und eine starke Marktmacht der Banken für einen geringen Umkehrzins sorgen und der Notenbank mehr Spielraum in der Zinspolitik liefern. Die Höhe des Umkehrzinses ist insgesamt flexibel und kann sich jeder Zeit ändern. Der Kern des Konzeptes ist das Saldo aus der „heimlichen Rekapitalisierung“ und der Zinsmarge. Alle Variablen, die diese beiden Effekte beeinflussen, bestimmen die Höhe des Umkehrzinses: Alles was sich neben der Zinssenkung negativ auf die Zinsmarge auswirkt (z.B. geringe Elastizität der Depositenzinsen) erhöht den Umkehrzins und alles was sich negativ auf die „heimliche Rekapitalisierung“ auswirkt senkt den Umkehrzins. Brunnermeier lieferte mit seiner Arbeit den ersten Grundstein für ein hochbrisantes Thema. Doch ob eine starke Marktposition von Banken und eine geringe Regulierungen wünschenswert ist, bleibt eine andere Frage.

 

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