Marketingstrategien und Vertriebsstrategien entwickeln und umsetzen

Strategie – so lautet die Lieblingsvokabel vieler Vertriebs- und Marketingmanager. Und selbstverständlich nimmt jeder für sich in Anspruch, dass er strategisch denkt und handelt. Doch was genau ist eine Marketing- oder Vertriebsstrategie, und wie kann sie entwickelt werden?

Wozu dient eine Strategie? Sie soll einen Weg aufzeigen, wie ein Ziel erreicht werden kann. Daraus folgt: Zum Entwickeln einer Marketing- oder Vertriebsstrategie benötigt ein Unternehmen zunächst ein Ziel – und zwar ein realistisches. Sonst sind alle Folgeüberlegungen Hirngespinste.

Doch was ist ein realistisches Ziel? Darüber gehen die Meinungen in den Unternehmen oft auseinander. Ist es zum Beispiel realistisch, wenn ein frischgebackener Friseurmeister, der sich gerade selbstständig machte, verkündet: „In einem Jahr will ich der bekannteste Friseur in Deutschland, Österreich und der Schweiz sein.“? Gewiss nicht! Ebenso unrealistisch ist es, wenn ein PC-Hersteller, der gerade ins Servicegeschäft eingestiegen ist, verkündet: „Wir wollen in einem Jahr mit unseren Serviceleistungen so viel Umsatz erzielen wie mit unserer Hardware.“ Ein realistisches Ziel könnte jedoch sein: „In einem Jahr sollen all unsere Industriekunden wissen, dass wir nun auch Serviceleistungen im IT-Bereich anbieten. Und in zwei Jahren wollen wir bei 30 Prozent von ihnen zumindest einen kleinen Erstauftrag im Servicebereich an Land gezogen haben. Und in drei Jahren? Dann sollen 15 Prozent unserer Stammkunden mit uns einen umfassenden Kontrakt im Servicebereich abgeschlossen haben.“

Ein realistisches Ziel formulieren

Doch wie gelange ich als Marketing- oder Vertriebsmanager zu einem realistischen Ziel? Eine Voraussetzung hierfür ist, genau zu wissen: Was für ein Produkt bietet mein Unternehmen überhaupt an? Welche Merkmale kennzeichnen es? Und was unterscheidet es von den Konkurrenzprodukten? Ist es zum Beispiel günstiger? Oder einfacher in der Handhabung? Zudem muss ich wissen: Wie ist die Position meines Unternehmens im Markt? Ist es ein unbekannter Newcomer oder ein Unternehmen, von dem (fast) jeder weiß „Die bauen 1A-Stereoanlagen“ oder „Die sind in Sachen IT-Sicherheit fit“?

Wichtig ist auch, zumindest ungefähr zu wissen: Welche Mittel stehen uns zur Verfügung? Denn es macht einen Unterschied, ob ein Unternehmen 1.000, 100.0000 oder gar eine Million Euro für Marketing- und Werbezwecke ausgeben kann. Beträgt das Budget nur 1.000 Euro, braucht es über bestimmte Maßnahmen wie überregionale Anzeigen oder Radio- und Fernsehspots gar nicht erst nachzudenken. Das wirkt sich auch auf das erreichbare Ziel aus.

Die erfolgversprechendsten Zielgruppen ermitteln

Generell gilt: Die finanziellen und personellen Ressourcen eines Unternehmens sind begrenzt. Also lautet die zentrale Frage in der Regel nicht: „Was könnten wir alles tun?“, sondern: „Was können wir mit den vorhandenen Mitteln tun?“ Entsprechend wichtig ist es zu ermitteln: Auf welche Teilgruppen unserer potenziellen Kunden sollten wir als Unternehmen unsere Marketing- und Vertriebsaktivitäten fokussieren, weil wir bei ihnen die größten Erfolgschancen haben?

Bei einem Anbieter von hochpreisigem Mineralwasser könnte die Antwort lauten: Wir konzentrieren uns auf die Szene-Gastronomie. Denn wenn die Szene-Kneipen unsere „Wässerchen“ servieren, dann kauft unsere Kernzielgruppe diese auch privat. Bei einem IT-Systemhaus könnte die Antwort hingegen lauten: Wir konzentrieren uns auf Dienstleistungsunternehmen wie Ingenieurbüros, bei denen nichts mehr geht, wenn die Computeranlage ausfällt. Denn für sie ist das Thema Zuverlässigkeit extrem wichtig.

Obiges Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Vorzüge des eigenen Produkts genau zu kennen. Denn ohne dieses Wissen kann ein Unternehmen nicht die Kundengruppen ermitteln, denen genau diese Merkmale wichtig sind. Und ohne sie kann es auch nicht seine Werbebotschaften so formulieren, dass bei den Zielkunden das Gefühl entsteht: „Das könnte etwas für mich/uns sein.“

Klare Marketingbotschaften formulieren

Die Marketingbotschaften können sehr unterschiedlich sein. Bei einem Discounter kann die zentrale Botschaft lauten: „Billiger als bei uns bekommen Sie Elektroartikel nirgendwo.“ Ein Hersteller von Sportwagen hingegen kann vielleicht mit folgender subtilen Botschaft punkten: „Wenn Sie unser Cabriolet fahren, laufen Ihnen die jungen Frauen scharenweise hinterher.“ Denn zu seinen Zielkunden gehören auch alternde Männer, die gerne wieder jung wären. Und bei einem PC-Dienstleister, der Ingenieurbüros als Kunden gewinnen möchte? Bei ihm kann die zentrale Werbebotschaft lauten: „Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, müssen Sie keine Angst mehr haben, dass Ihre Computeranlage ausfällt.“

Die Marketingbotschaften sind so unterschiedlich, weil auch die Bedürfnisse der Kunden verschieden sind – selbst wenn sie (scheinbar) dasselbe Produkt kaufen. Ein alltägliches Beispiel: Achtet der eine Kunde beim Kauf einer Pizza primär auf den Preis, muss für einen anderen die Pizza vor allem knusprig und dick belegt sein. Und einem dritten ist es wichtig, dass der Pizzabäcker braune Augen hat und zum Abschied „ciao“ sagt. Ähnlich verhält es sich bei fast allen Produkten – unabhängig, ob es sich bei ihnen um Konsumgüter oder komplexe Investitionsgüter handelt.

Die passenden Marketinginstrumente auswählen

Ist die Marketingbotschaft formuliert, stellt sich die Frage: Wie können wir diese unserer Zielgruppe vermitteln? Nun gilt es also, die Marketinginstrumente auszuwählen und sie so zu kombinieren, dass das Marketingziel erreicht wird. Hierfür muss man wissen, was man mit den einzelnen Marketinginstrumenten (nicht) erreichen kann. Ein Beispiel: Angenommen ein Bildungsanbieter möchte ein Seminar vermarkten, das in ein, zwei Monaten in Buxtehude stattfindet. Wenn er nur auf das Instrument Pressearbeit setzt, hat er von vornherein verloren. Denn bis die ersten Pressetexte, wenn überhaupt, erscheinen, ist die Stornofrist des Seminarhotels längst abgelaufen. Also kann die Pressearbeit maximal eine unterstützende Funktion haben. Ansonsten muss das Unternehmen zum Beispiel auf Anzeigen, Mailings oder Telefonmarketing setzen.

Anders ist es bei einem IT-Dienstleister, der sich einen Ruf als Spezialist für IT-Sicherheit aufbauen möchte. Er kann zur Überzeugung gelangen: In Anzeigen und Werbebriefen können wir unsere fachliche Kompetenz nur schwer transportieren. Deshalb müssen in unserem Marketingkonzept zwei Dinge eine zentrale Rolle spielen: Artikel in Fachzeitschriften und Vorträge auf Kongressen.

Entsprechendes gilt für die Wahl der Vertriebskanäle. Auch hier gibt es nicht die ideale Standardlösung. Vielmehr muss jedes Unternehmen für sich entscheiden: Soll ich beim Vertrieb eher auf den Fachhandel oder auf eine eigene Außendienstmannschaft setzen? Oder sollte ich den Onlinehandel forcieren oder gar zielgruppenabhängig die verschiedenen Vertriebskanäle kombinieren?

Das heißt: Die Marketing- und Vertriebsstrategie sowie ihr Umsetzungskonzept müssen stets haarscharf auf das jeweilige Unternehmen, seine Leistungen und seinen relevanten Markt abgestimmt sein. Sonst entfalten sie die gewünschte Wirkung nicht.

Christian Herlan

 

Zum Autor: Christian Herlan ist einer der drei Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, und leitet unter anderem deren Geschäftsbereich „Strategisches Vertriebsmanagement“ (Tel. 07251/989034; E-Mail: christian.herlan@krauspartner.de; Internet: www.kraus-und-partner.de).

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