Trichet – Zentralbanken benötigen Unterstützung seitens der Regierungen und der

image002Nach Auffassung von Jean-Claude Trichet, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), können die großen Zentralbanken der Welt das Wachstum, die Zinsen und die Inflationsraten in ihren jeweiligen Volkswirtschaften nicht ohne Unterstützung des öffentlichen und des privaten Sektors steigern. Bei einer von NN Investment Partners in Noordwijk, Niederlande, organisierten Konferenz für institutionelle Anleger sagte Trichet am 6. Oktober, neben den Regierungen und den Zentralbanken müssten auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände wichtige Beiträge zur Belebung des Wachstums leisten.

„In Japan, den USA und Europa sind die Inflationsraten außerordentlich niedrig. Es wird bereits gefordert, dass sich die Inflation von diesem unnormal niedrigen Niveau aus beschleunigen müsse“, sagte Trichet. „Das können die EZB beziehungsweise die Zentralbanken nicht allein leisten. Sie brauchen Hilfe.“

Die Zentralbanken in den Industrieländern nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, um die Konjunktur wieder anzukurbeln, die sich nach der Finanzkrise im Jahr 2008 noch immer nicht vollständig erholt hat. Der gleitende Zehn-Jahres-Durchschnitt der BIP-Wachstumsraten der Mitglieds-länder der Organization of Economic Cooperation and Development (OECD) liegt weiterhin unter dem Vorkrisenstand.

In den USA verschob die Federal Reserve den für die September-Sitzung geplanten ersten Zinsschritt und begründete dies damit, dass Anzeichen für ein schwächeres Wachstum der Weltwirtschaft zu erkennen seien. Wenn die Fed den von zahlreichen Beobachtern sehnlich erwarteten Straffungszyklus beginnt, wird sie den Leitzins zum ersten Mal seit Juni 2006 anheben. Derweil versucht die EZB, durch Käufe von Staatsanleihen im Rahmen ihres quantitativen Lockerungsprogramms (QE) eine Konjunkturerholung im Euroraum herbeizuführen, und die Bank of Japan könnte noch in diesem Jahr den Umfang ihres eigenen QE-Programms ausweiten. Die Inflation im Euroraum liegt seit Anfang 2013 unter 2%, d.h. dem Niveau, das für ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Wirtschaft als erforderlich angesehen wird.

„Die Zentralbanken der Industrieländer haben die richtigen Maßnahmen ergriffen. Aber die anderen Partner tun nicht, was sie tun sollten“, sagte Trichet in einer Podiumsdiskussion, die zum Abschluss der Veranstaltung in Noordwijk stattfand. „In allen Ländern trägt die Exekutive eine große Verantwortung. In allen Ländern tragen die Parlamente Verantwortung. Und natürlich tragen auch der private Sektor und die Sozialpartner Verantwortung.“

Nach Auffassung des ehemaligen EZB-Präsidenten müssten Arbeitgeber und Gewerkschaften in Ländern mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen wie z.B. Deutschland und den Niederlanden Tarifabschlüsse vereinbaren, die das Verbrauchervertrauen und den Konsum stärken. Anderenfalls werde die Inflation unter dem Zielwert der EZB von 2% verharren.

Ursachen für die Krise

Trichet, der von 2003 bis 2011 an der Spitze der EZB stand, sieht den Mangel an Strukturreformen und das Fehlen eines Binnenmarkts, vor allem für Dienstleistungen, in der Europäischen Union als zwei Hauptursachen für die Eurokrise in den Jahren 2011 und 2012 an. Außerdem sei der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der den Mitgliedsstaaten der Währungsunion Obergrenzen für die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung vorgibt, nicht hinreichend respektiert worden.

„Europa hat keinen gemeinsamen Haushalt, aber eine gemeinsame Währung mit einem fiskalpolitischen Rahmenwerk. Und das muss respektiert werden“, sagte er. Seit der Krise, so Trichet weiter, „haben wir uns mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt angefreundet. Er wird aber nicht vollumfänglich respektiert.“

Trichet zufolge wurden andere Schwächen der Währungsunion, die zur Krise beigetragen haben, in gewissem Umfang behoben. Der im Jahr 2012 eingeführte Europäische Stabilitätsmechanismus habe eine Brandmauer um den europäischen Währungsraum gezogen, und die Bankenunion habe die Korrelation zwischen der Bonität der Länder und der Bonität ihrer Banken verringert. Das im Jahr 2011 von der Europäischen Union umgesetzte Makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren (Macroeconomic Imbalance Procedure, MIP) trage dazu bei, riskante Entwicklungen wie z.B. übermäßig hohe Leistungsbilanzdefizite oder externe Schulden, zu verhindern bzw. zu korrigieren „Die Bankenunion ist die zweitwichtigste Entscheidung nach der Währungsunion selbst“, sagte Trichet. „Das ganz neu geschaffene MIP könnte ebenso wichtig sein wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Es geht sehr weit; es hat eine große Signalwirkung gegenüber den Regierungen, aber auch gegenüber den Sozialpartnern.“

Herausforderungen für institutionelle Anleger Das derzeitige Finanzmarktumfeld ist unter anderem von rekordniedrigen Zinsen und einer allgemein zunehmenden Marktunsicherheit geprägt. Dadurch wird es für institutionelle Anleger immer schwieriger, zufriedenstellende Renditen bei einem akzeptablen Risiko zu erzielen. Laut Hans Stoter, Chief Investment Officer bei NN Investment Partners, führen die neuen Regulierungen sowie die bisher ungekannten Maßnahmen der Zentralbanken nicht nur kurz-, sondern auch langfristig zu Unsicherheit.

„Wir sind mit sehr hoher Marktvolatilität und einer außerordentlich geringen Liquidität im Fixed-Income-Segment konfrontiert“, äußerte Stoter während der Diskussion. „Gleichzeitig verändert sich die Landschaft für Pensionsfonds durch politische Entscheidungen und die demografische Entwicklung. Damit muss ein Versicherungskonzern oder ein Pensionsfonds umgehen. Einerseits müssen die Aktiva ansteigen, andererseits muss eine Deckung der Verbindlichkeiten erzielt werden.“

Die traditionellen Instrumente zur Erfüllung der Verbindlichkeiten, z.B. „sichere“ Staatsanleihen, erzielen im derzeitigen Niedrigzinsumfeld keine oder nur geringe Renditen, und die Aktieninvestitionen, die in der Regel zur Steigerung der Aktiva dienten, schwanken stark im Wert. Stoter unterstrich daher, dass Instrumente benötigt werden, die aktienähnliche Renditen und rentenähnliche Eigenschaften miteinander kombinieren.

„Die Lücke zwischen diesen beiden Assetklassen wird durch alternative Credit Assets und Immobilien geschlossen“, erklärte er zum Abschluss der Veranstaltung. Zu alternativen Credit Assets gehören z.B. privat platzierte Kredite, Mezzanin-Verschuldung, besicherte Kredite, variabel verzinsliche Schuldpapiere und Hypothekenkredite. Die Assetklasse Immobilien umfasst, so Stoter, neben Immobilien im engeren Sinne auch Infrastruktur und Sozialwohnungen.

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