Hochleistungsteams entwickeln

Machwürth, Hans-Peter_mit HemdIn den meisten Unternehmen ist die Teamarbeit heute gängige Praxis. Das wirkt sich auch auf das Design der in ihnen durchgeführten Teamentwicklungsmaßnahmen aus. Sie zielen heute in der Regel darauf ab, aus bestehenden Teams Hochleistungsteams zu entwickeln.

Die Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Unternehmen haben sich in den zurückliegenden Jahren stark verändert. Neben der Projektarbeit ist heute die Teamarbeit in weiten Teilen der Unternehmen gängige Praxis. Dies wirkt sich auf die Zielsetzungen und Designs der Teamentwicklungsmaßnahmen in ihnen aus. Eher selten werden Trainingsanbieter heute noch mit Anfragen konfrontiert, bei denen der Auftrag lautet: Aus einer Gruppe von Einzelkämpfern soll ein Team formiert werden. Oder die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern soll verbessert werden. Stattdessen lautet der Auftrag meist: Die Leistung eines bestehenden Teams soll gesteigert werden.

 

Die Teams, die heute an Trainingsmaßnahmen teilnehmen, haben also meist bereits – geht man von den vier Stufen der Teamentwicklung „Forming“, „Storming“, „Norming“, „Performing“ aus – die ersten zwei, drei Stufen durchlaufen. Es klemmt aber noch beim Performing. Das heißt, der gemeinsame Output stimmt noch nicht. Und das Team entfaltet noch nicht die gewünschte Wirkung.

 

 

Ziel: Wirksamkeit erhöhen

 

Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Zum Beispiel, dass das Team beim „Norming“ – als es unter anderem die Regeln für die Zusammenarbeit definierte – gewisse Dinge vergaß. Oder dass die Arbeitsbedingungen und -anforderungen sich so stark geändert haben, dass die einmal getroffenen Vereinbarungen nicht mehr zeitgemäß und tragfähig sind. Oder dass ein, zwei Neue ins Team kamen, die andere Werte und Vorstellungen von der Zusammenarbeit haben – was zu Reibungen, sprich Effizienzverlusten führt.

 

In all diesen Fällen geht es nicht um ein klassisches „Teambuilding“ – also das Neuformieren eines Teams. Vielmehr soll die Zusammenarbeit verbessert und die Wirksamkeit erhöht werden – und zwar ausgehend von den realen Herausforderungen, vor denen das Team beziehungsweise Unternehmen steht.

 

Das wirkt sich auch auf das Design der Maßnahmen aus. Als Teambildungs- und -entwicklungsmaßnahmen eher „out“ sind heute solche Survivaltrainings, wie sie vor circa einem Jahrzehnt Mode waren, bei denen die Teilnehmer zum Beispiel in einem Schlauchboot gemeinsam einen reißenden Fluss hinab fuhren. Einen solchen Schnickschnack können und wollen sich die Unternehmen heute nicht mehr leisten. Sie kommen heute, wenn überhaupt, nur noch im Vertrieb zum Einsatz. Und dort haben sie meist auch eine Incentive-Funktion.

 

 

Neue Designs und Methoden

 

Auch der High-Ropes-Anlagen-Boom ist abgeebbt. Nur noch selten verbringen Teams heute einen oder gar zwei Tage in einem Hochseilgarten. Das heißt nicht, dass diese Anlagen nicht mehr genutzt werden: Sie werden jedoch anders genutzt. Großer Beliebtheit erfreuen sie sich noch, wenn es um das Entwickeln eines „Teamspirits“ geht. So schicken Unternehmen zum Beispiel nicht selten, wenn ein neues Traineeprogramm in ihnen startet, dessen Mitglieder gemeinsam auf einen solchen Parcours – auch damit zwischen den neuen Mitarbeitern persönliche Beziehungen entstehen und diese auch emotional im Unternehmen ankommen.

 

Wenn es aber um das Entwickeln oder genauer gesagt

Weiterentwickeln von Teams geht, dann setzen die Unternehmen zunehmend auf andere „Instrumente“. Und zwar unabhängig davon, ob die Teams nur aus Mitarbeitern

  • einer Abteilung oder eines Bereichs,
  • mehrerer Abteilungen oder Bereiche oder gar
  • verschiedener Unternehmen bestehen.

So führen heute zum Beispiel manche Unternehmen Teamseminare durch, bei denen die Teilnehmer gemeinsam kochen. Bei anderen mailen sie gemeinsam ein großformatiges Bild malen. Das Ziel hierbei ist stets: Aus den Verhaltensmustern, die die Teilnehmer beim Lösen der Teamaufgabe zeigen, sollen in der „Reflektionsphase“ zunächst Rückschlüsse auf das Verhalten im Arbeitsalltag gezogen werden. Und in der anschließenden „Transferphase“? In ihr sollen Vereinbarungen getroffen werden, um die Zusammenarbeit zu verbessern und die Performance zu steigern.

 

 

Mitarbeiter sind heute offener und selbstkritischer

 

Als Begründung für diesen „Umweg“ wurde in der Vergangenheit oft genannt: Wenn die Teilnehmer zunächst ihr Verhalten zum Beispiel beim gemeinsamen Bauen eines Iglus oder Lenkdrachens reflektieren, dann nehmen sie, wenn „Knackpunkte“ angesprochen werden, nicht sogleich eine Verteidigungshaltung ein – anders ist dies, wenn unmittelbar ihr Verhalten am Arbeitsplatz thematisiert wird.

 

Zunehmend sind die Unternehmen jedoch nicht mehr bereit, solche „Umwege“ zu gehen – oder sie erachten diese nicht mehr als nötig. Auch aus folgendem Grund: Die (jungen) Mitarbeiter der Unternehmen heute sind – verallgemeinert formuliert – andere Typen als die Mitarbeiter noch vor 15 oder 20 Jahren. Sie sind nicht solche „Betonköpfe“, wie dies die Mitarbeiter früher zum Teil waren. Sie fragen sich auch nicht mehr, wenn sie mit einer neuen Anforderung oder Aufgabe konfrontiert werden, sogleich: Ist das mit meiner Stellenbeschreibung vereinbar? Die jungen Leute heute – zumindest die, die das Potenzial für exponierte Positionen haben – sind deutlich teamfähiger und offener für neue Aufgaben, als dies die Mitarbeiter früher waren. Außerdem sind sie kritikfähiger und flexibler in ihrem Verhalten.

 

Für die Unternehmen bedeutet dies: Sie müssen weniger Überzeugungsarbeit leisten, wenn es um notwendige Verhaltensänderungen geht. Auch weil die meisten Mitarbeiter heute verinnerlicht haben: Letztlich werden wir sowohl als Individuum, als auch als Team daran gemessen, welchen Beitrag wir zum Erreichen der Unternehmensziele leisten. Bewusst ist dies heute eigentlich fast allen Mitarbeitern. Unklar ist ihnen jedoch häufig noch: Was bedeutet dies für unsere Alltagsarbeit? Und wie müssen wir uns verhalten und kooperieren, um die gewünschten Resultate zu erzielen?

 

 

Im Fokus stehen reale Herausforderungen

 

An diesem Punkt setzen denn auch fast alle „modernen“ Teamentwicklungsmaßnahmen an. In ihnen wird, zumindest wenn die Teilnehmer bereits Teamerfahrung haben,  meist darauf verzichtet, beispielsweise durch ein gemeinsames Floß-Bauen ein „künstliches Referenzerlebnis“ zu schaffen. Stattdessen Bearbeiten die Teilnehmer gemeinsam eine Aufgabe oder Herausforderung, vor der sie im Arbeitsalltag tatsächlich stehen. Und danach wird unter Anleitung eines Trainers oder Beraters reflektiert: Wie gingen wir vor? Welche Verhaltensweisen haben wir gezeigt und inwiefern waren diese zielführend? Und hieraus werden dann konkrete Schlüsse für die künftige Zusammenarbeit gezogen.

Hans-Peter Machwürth

 

Zum Autor: Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer der international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (www.mticonsultancy.com).

Schreibe einen Kommentar