Weltweit niedrige Zinsen weiterhin entscheidend für Schwellenländeranleihen

Autor: Marcelo Assalin, Head of Emerging Market Debt bei NN Investment Partners und Lead Portfolio Manager der EMD Blended Strategies sowie des EMD Opportunities Fonds, Den Haag

 

Im Rückblick auf die ersten fünf Monate des Jahres hat sich, die Perspektiven für die Emerging Market Debt (EMD) betreffend, nur sehr wenig geändert. Dem Pessimismus, der noch zu Beginn des Jahres unter Investoren herrschte, ist eine realistische Einschätzung gewichen. In unserem Januar EMD Outlook nahmen wir bereits eine realistischere Position ein als die meisten Marktteilnehmer. Dennoch erholte sich die Anlegerstimmung überraschend schnell; wir hatten damit erst später im Jahr gerechnet.

 

Anhand einiger Schlüsselthemen skizzieren wir unsere Erwartungen für den weiteren Jahresverlauf: China, die US-Wirtschaft, Federal Reserve und Dollar, Ölpreis sowie die politische Entwicklung in bestimmten Ländern. Unterm Strich erwarten wir weltweit eine Fortsetzung der Niedrigzinspolitik. Das wird einer der wichtigsten Positivfaktoren für EMD sein; entsprechend rechnen wir dieses Jahr mit positiven Renditen.

 

Kräftige Erholung der EMD-Benchmarkrenditen in 2016

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Quelle: JP Morgan, Bloomberg. Daten per 27. Mai 2016

 

          Chinesische Volkswirtschaft stabilisiert

Im Spotlight vom Mai „Chinas globale Bedeutung wächst weiter“ haben wir unsere Sicht zu China bereits ausführlich erläutert. Dazu lässt sich noch ergänzen, dass China derzeit eine L-förmige Erholung erlebt. Ende letzten Jahres sowie im Frühjahr dieses Jahres verlangsamte sich die chinesische Konjunktur deutlich. Danach fand infolge der gezielten Konjunkturmaßnahmen eine gewisse Stabilisierung statt. Den Konjunkturbarometern zufolge nähert sich das Wachstum zwar den Zielwerten an, beschleunigt sich aber nicht. Ein Zuviel an Konjunkturförderung könnte das Wachstum so sehr anheizen, dass Kursblasen entstehen, die den Aufwärtstrend in Zukunft belasten könnten. Der Verschuldungsgrad ist offensichtlich, doch sehen wir hier kein wesentliches Problem im Kreditzyklus. Je mehr sich die chinesische Wirtschaft dem Modell einer westlichen Volkswirtschaft annähert, desto häufiger wird es zu Kreditereignissen kommen. Auch der Kreditzyklus wird zunehmend dem einer entwickelten Volkswirtschaft ähneln. Insolvenzen sind durchaus möglich in China, laufen aber geordnet ab, um Marktsorgen zu vermeiden.

 

Die Umschichtung der Volkswirtschaft geht weiter und die Inlandsnachfrage wird allmählich den Außenhandel als größten Treiber der chinesischen Wirtschaft ablösen. Mit zunehmender Reife wird die chinesische Wirtschaft zudem langsamer wachsen, das ist nur natürlich. Das Wachstum wird daher allmählich nachlassen, jedoch ohne wesentliche Unterbrechungen. Wichtig ist allerdings, dass parallel zum Umschichtungsprozess die Strukturreformen fortgesetzt werden, um Überkapazitäten und Verschuldung zu verringern. Hier kommt es auch auf die Erhöhung der Produktivität an. China wird stets im Fokus bleiben. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – und auf gutem Wege, die größte zu werden – ist China die Konjunkturlokomotive der Welt.

 

Fed setzt Zinserhöhungszyklus fort

Wie in den letzten Jahren war das erste Quartal auch in diesem Jahr schwach für die US-Wirtschaft. In Q2 zeichnet sich jetzt eine gewisse Stabilisierung ab, zuletzt sogar eine Verbesserung der Datenlage. Insgesamt werden die Zuwächse in diesem Jahr wohl nicht über der Potenzialwachstumsrate liegen, doch auch eine merkliche Verlangsamung ist eher unwahrscheinlich. Arbeitsmarkt und Kreditmarkt (mit einem nur geringen Verschuldungsgrad) dürften robust bleiben. Insofern gibt die US-Wirtschaft derzeit keinen Grund zur Sorge.

 

Größere Aufmerksamkeit gilt vor dem Hintergrund einer soliden US-Konjunktur der weiteren Fed-Politik. Die Fed war zu Beginn des Jahres äußerst entgegenkommend, nicht nur wegen ihrer Sicht auf die US-Konjunktur, sondern auch gegenüber der Einschätzung der globalen Risiken. So erwähnte die Fed sogar China und die potenziellen Risiken, die Chinas Finanzsystem für die Weltwirtschaft darstellt.

 

Aus dem Protokoll der FOMC-Sitzung vom April ergibt sich indes ein anderer Tonfall. Zahlreiche stimmberechtigte Mitglieder im FOMC sind mittlerweile der Überzeugung, dass die Märkte wieder ordnungsgemäß funktionieren, dass China sich im Hinblick auf die Risikostimmung stabilisiert hat und dass die US-Wirtschaft sich erwartungsgemäß entwickelt. Daher stellt der Markt sich bereits auf weitere Zinserhöhungen noch in diesem Jahr ein. Die US-Zinskurve hat sich nach oben verlagert, da sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinsen zu steigen begonnen haben. Dem Markt macht dies wiederum Sorge, denn für die Emerging Markets sind weltweit niedrige Zinsen und üppige Liquidität günstig.

 

Durch die solide Wachstumsentwicklung der US-Wirtschaft ist die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung nun höher, als von den Märkten bisher eingepreist. Daher muss die Fed jetzt die geldpolitischen Impulse zurückfahren. Die Zinsen sind in den USA immer noch sehr niedrig – in Anbetracht der Konjunkturphase zu niedrig. Selbst jetzt liegen die Zinsen auf zehnjährige Anleihen immer noch unter 2 %, obwohl der Markt eine weniger entgegenkommende Haltung der Fed erwartet. Sofern die Fed die Zinsen in diesem Jahr zweimal anhebt, sollten die Zinsen nicht wesentlich steigen. Andere Zentralbanken halten hingegen am geldpolitischen Stimulus fest, nicht nur in Europa, sondern auch in Japan und China. In vielen Ländern sind die Zinsen sogar immer noch negativ. Wir erwarten daher insgesamt anhaltend niedrige Zinsen.

 

Dollar-Rally wohl nur kurzlebig

Infolge der stärker anti-inflationären Haltung der Fed, zieht der Dollar seit Anfang Mai wieder an. Das belastete die EM-Währungen, doch muss man hier relativieren. Zu Beginn des Jahres war der Dollar noch sehr stark und notierte auf dem Höchststand der letzten paar Jahre. Vor allem die EM-Devisenmärkte waren stark überverkauft. Durch den akkommodativeren Tonfall, den die Fed im Januar anschlug und der anschließenden Auspreisung von Zinsanhebungen, büßte der Dollar stützende Faktoren ein. Im Ergebnis fand eine starke Rally im EM-Währungsuniversum statt. Viele Anleger hielten hier untergewichtete oder Minuspositionen, insofern erlebte der Markt einen deutlichen Trend hin zur Eindeckung von Short-Positionen. Und da die Fed nunmehr wieder etwas weniger „dovish“ ausgerichtet ist, legte der Dollar wieder zu.

 

Unserer Einschätzung nach hat sich dieser Trend jedoch bereits weitgehend totgelaufen. Wir glauben nicht, dass die Fed die Märkte mit einer unerwartet starken anti-inflationären Haltung überraschen wird. Daher sollte auch die jüngste Dollar-Rally nicht zu lange anhalten. EM-Währungen haben in den letzten Wochen an Boden verloren. Doch schneiden sie bereits seit einigen Jahren unterdurchschnittlich ab und sind immer noch unterbewertet. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre ist die Kurskorrektur beim Greenback noch nicht besonders ausgeprägt. Der jüngste Anstieg des Dollar macht uns daher keine Sorge.

 

Weltweit niedrige Zinsen weiterhin entscheidend für EMD

Die weltweit niedrigen Zinsen bleiben vorerst der wichtigste Antriebsfaktor für EMD. Wir glauben nicht, dass die Fed Schritte ergreifen wird, die zu einem nachhaltigen Anstieg der globalen Zinsen führen. Wenn überhaupt, dürfte die US-Renditestrukturkurve sich verflachen. Falls die Fed mit einer unerwartet anti-inflationären Haltung überraschen sollte, würde sich der Zweijahresbereich der Kurve nach oben bewegen. Die Verfassung der Welt- (bzw. US-) Konjunktur rechtfertigt allerdings keinen wesentlichen Anstieg des Zehnjahresbereichs. Und das liefert einen Fixpunkt für Anlegererwartungen. Letztendlich orientieren sich institutionelle Investoren wie etwa Pensionsfonds bei ihren Anlageentscheidungen an eben diesen Faktoren und deshalb bleiben wir im Hinblick auf EMD äußerst optimistisch.

 

Hartwährungsanleihen sind weiterhin die von uns präferierte Sub-Assetklasse, da hier im Vergleich zu Anleihen von den entwickelten Märkten deutliche Renditevorteile zu erzielen sind. Im Verhältnis zu den Risiken bietet diese Sub-Assetklasse mit Renditeaufschlägen von derzeit rund 400 Basispunkten einen auskömmlichen Ertrag. Lokale Anleihemärkte bleiben voraussichtlich volatil. EM-Währungen sind dennoch weiterhin unterbewertet. In Phasen mit höherer Stabilität zeigt sich, wie viel Potenzial für eine Rally in diesem Markt besteht, das war in diesem Jahr bereits zu beobachten. Kurzfristig werden sich Investoren – angesichts der Unsicherheit im Hinblick auf die nächsten Schritte der Fed – wohl abwartend verhalten. Wir sehen allerdings Raum für ein starkes Abschneiden von EM-Lokalwährungsanleihen, sobald mehr Klarheit über die nächsten Schritte der Fed besteht.

 

EMD-Renditen in diesem Niedrigzinsumfeld attraktiv (in %)

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Quelle: JP Morgan, Bloomberg. Daten per 27. Mai 2016

 

 

 

Ölpreise voraussichtlich im Bereich von 50 bis 60 USD

Der starke Rückgang der Ölpreise in den letzten Jahren hat am gesamten Markt zu Verwerfungen geführt. Inzwischen sind unsere Analysten etwas optimistischer gestimmt, da die US-Produktion schneller als erwartet gestiegen ist. Davon profitiert die Angebots- und Nachfragesituation. Wir gehen davon aus, dass die Rohölpreise auf etwa 50 bis 60 Dollar anziehen werden. Preise über 60 USD würden zu einer Ausweitung des Angebots führen, da US-Produzenten ihre Produktion rasch hochfahren können. Der Anstieg des Ölpreises über die vergangenen Monate ist für viele Emerging Markets – insbesondere im Segment Hartwährungsanleihen und Frontier Markets – positiv.

 

Argentinien plangemäß, positive Dynamik in Indonesien, neue Entwicklungen in Brasilien

Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Trends in einigen anderen wichtigen EM (außer China). Hier hat sich unsere Einschätzung seit Jahresbeginn kaum verändert. Argentinien hat sich unseren Erwartungen entsprechend entwickelt. Das Land hat erfolgreiche Anleiheemissionen aufgelegt, die Risikoprämien auf seine Anleihen nähern sich normalen Niveaus an. Wir meinen, dass dieser Trend anhalten wird. Die argentinische Regierung verfolgt ein tragfähiges Programm und setzt die notwendigen Änderungen um. Die lokalen Anleihemärkte werden für globale Investoren wieder attraktiv, sofern die hohe Inflation kontrollierbar bleibt und die Währung nicht aus dem Ruder läuft. Wie erwartet hat sich Argentinien bislang als Erfolgs-Story erwiesen.

 

Auch Indonesien ist ein Land, das wir schätzen, vor allem seine Lokalwährungsanleihen. Die Wachstumsentwicklung verläuft solide, es bestehen gute Chancen für weitere Verbesserungen im Zuge von Strukturreformen, Infrastrukturprojekten und günstigen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierung Jokowi. Die Maßnahmen zur mittelfristigen Verbesserung der Staatseinnahmen tragen bereits zu einer entspannteren Haushaltslage des Landes bei. Gleichzeitig bemüht man sich um eine Ausweitung des Marktes für Lokalwährungsanleihen, umso Raum für eine flexible und effiziente Geldpolitik zu schaffen. Die indonesischen Rahmendaten sind im Vergleich zum übrigen EM-Universum positiv; wir rechnen daher mit einer baldigen Rating-Anhebung durch S&P.

 

In Brasilien geht der Amtsenthebungsprozess gegen Präsidentin Rousseff schneller voran als erwartet. Der Kongress hat für eine Fortsetzung des Verfahrens gestimmt, und Rousseff wurde für eine Dauer von bis zu 180 Tagen suspendiert. Während dieses Zeitraums wird der Senat den Fall prüfen, die endgültige Abstimmung dürfte in den nächsten Monaten stattfinden. In der Zwischenzeit erfüllt Vizepräsident Temer die präsidialen Funktionen; er hat bereits mit einer Kabinettumbildung begonnen. Die Übergangsregierung wird von Anlegern wegen ihrer haushaltspolitischen Umsicht und marktfreundlichen Ernennungen zum Finanzministerium und zur Zentralbank als positiv wahrgenommen. Bis zur endgültigen Abstimmung wird wohl weiterhin hohe Volatilität in Brasilien herrschen.

 

Fazit: Günstiges Umfeld für EMD

Wir bleiben optimistisch. Wir meinen, dass die Fed zeitweise Unsicherheit und Volatilität heraufbeschwören mag, doch im Endeffekt werden die Schritte der Fed nicht zu einem wesentlichen Anstieg der globalen Zinssätze führen. Global werden die Zinssätze durch moderate Konjunkturentwicklung und geringe Inflation in Schach gehalten. Niedrige Zinsen weltweit sind für die aufstrebenden Anleihemärkte kritisch, denn sie schaffen attraktiven relativen Wert für EMD-Investoren. China gibt momentan keinen Anlass zur Sorge, denn die Wirtschaft hat sich stabilisiert. Die Ölpreise dürften infolge rückläufiger Fördermengen gut verankert bleiben.

 

Extrapoliert man dies auf die erwartete EMD-Performance, dann kann die Assetklasse allgemein auch weiterhin positive Ertragszahlen in diesem Jahr schreiben. Sollte es aufgrund von Ereignissen, die den weltweiten Risikoappetit dämpfen (z. B. eine unerwartet stark anti-inflationär gestimmte Fed oder ein Brexit), zu einem Kurssturz kommen, bietet sich hier eine gute Gelegenheit, EMD-Positionen auszuweiten.

 

Veröffentlichungen

Das EMD-Team von NN Investment Partners hat in diesem Jahr eine Reihe von Veröffentlichungen herausgegeben, die Sie von unserer Website herunterladen können:

 

 

 

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