Die digitale Transformation und Zukunft der Banken: eine Kulturfrage

Die Bankenwelt befindet sich in einem radikalen Umbruch. Welche Institute aus diesem Prozess als Gewinner hervorgehen und welche zu den Verlierern zählen, ist vor allem eine Kulturfrage.

 

Das Thema Digitalisierung steht zurzeit auf der strategischen Agenda aller deutschen Banken. Doch anders als bei ihren innovationsfreudigen skandinavischen und niederländischen Mitbewerbern sind ihre Modernisierungsinitiativen eher von „moll-Tönen“ geprägt, denn damit einher geht nicht selten die Aufgabe einer Sanierung und Suche nach neuen Geschäftsmodellen.

 

Ganz anders sieht es in der Fintech-Szene aus. Dort herrscht eine Goldgräberstimmung. Verblüffend viel Venture-Kapital wird investiert, und junge und erfahrene Talente werden gewonnen. Erfrischende Innovationen für den Finanzsektor werden entwickelt und mutieren zu Geschäftsmodellen wie zum Beispiel einer kundenfreundlichen Kontoeröffnung oder bargeldlosen Bezahlplattform. Hier tut sich eine riesige Spielwiese für kreative Geister auf, in der zudem das Potenzial steckt, das Banking zu erleichtern.

 

Ein Weg zur Teilhabe der Banken an dieser Entwicklung wäre eine Kooperation und Öffnung für die Fintech-Szene. Dabei will jedoch gut überlegt sein, ob man ausgerechnet die Wertschöpfung an der Kundenschnittstelle aus der Hand geben möchte. Noch ist der Spielstand unentschieden, denn wenige Fintechs verdienen Geld; das ist bei vielen Banken in Europa und speziell in den USA durchaus der Fall.

 

 

„Destroy your own business before someone else does“ – Jack Welch

 

Klar ist: Die echten Wettbewerber der Geldinstitute sind künftig die Amazons, Googles und Apples dieser Welt. Und die entscheidende Frage lautet: Gelingt es den Banken, sich neu zu erfinden, oder nehmen sie die Entwicklung von Unternehmen wie Kodak und Xerox?

 

Veränderungsprozesse in Unternehmen sind generell nicht leicht zu managen. Erschwerend kommen im Bankensektor jedoch die durch den Personalabbau ausgelöste Schockstarre in den Belegschaften vieler Geldinstitute und ihre Veränderungsmüdigkeit nach den vielen Umstrukturierungswellen der letzten Jahre hinzu. Dies gilt es beim Planen von Change-Projekten zu beachten.

 

 

„Culture eats strategy for breakfast“ – Peter Drucker

 

Das größte Hindernis beim Erreichen der Ziele bei Changevorhaben ist das Beharrungsvermögen der Kultur und Struktur. Wer sägt freiwillig den Ast ab, auf dem er sitzt? Und welcher Führungskraft fällt es leicht, ein Verhalten aufzugeben, das sie und die Organisation in der Vergangenheit erfolgreich machte?

 

Seit Jahrzehnten ist die Kultur der Banken geprägt von einem Silo-Denken und hierarchischen Führungsstil. Die Steuerungssysteme honorieren kaum Teamarbeit oder Innovation. Eine Kultur, die Fehler erlaubt oder sogar feiert, und die systematisch ein Von- und Miteinander-lernen fördert, erscheint in diesem Umfeld wie von einem anderen Planeten.

 

Viele digitale Transformationsprojekte in der Bankenwelt folgen der altbewährten Ingenieur- Logik: erst neue Systeme und Plattformen bauen sowie Produkte entwickeln und diese dann an den Kunden und den Mitarbeiter bringen. Die Zuständigkeit für die Digitalisierung wird delegiert an die IT oder einen Chief Digital Officer statt sie konsequent zur Chefsache zu machen. Neue Arbeitsmethoden wie „agil“ kommen zwar in Mode, doch ohne eine Veränderung der Kultur entfalten sie nicht die gewünschte Wirkung.

 

 

„Nur wer selbst brennt, kann andere anzünden“ – Hans Dietrich Genscher

 

Bei der Kultur handelt es sich um die ureigene Genetik eines Unternehmens. Sie umfasst die Art, wie Herausforderungen angegangen und gelöst werden, sowie die in einer Organisation existierenden Überzeugungen, Gewohnheiten und Rituale – also viel mehr als die oft top-down verordneten Unternehmenswerte.

 

Eine Schablone für die Kultur der Zukunft gibt es nicht. Die Deutsche Bank kurzerhand zu einem Klon von Apple zu machen oder die Sparkassen mit ihrer Kundennähe zu einem Pendant von Facebook, klingt inspirierend, macht aber keinem Sinn.

 

Die digitale Transformation der Banken beziehungsweise deren Sich-neu-erfinden fordert insbesondere deren Führungskräfte, denn ihre Neugierde und Begeisterung sind die zentrale Voraussetzung, um gemeinsam eine Change-Story zu formulieren und stetig weiter zu entwickeln, die die Mitarbeiter inspiriert.

 

Ein nachhaltiger Kulturwandel beginnt mit einer Änderung des Mindsets im Unternehmen und bei seinen Mitarbeiter. Hierfür gilt es, einerseits zahlreiche Hindernisse aus der „alten Welt“ zu beseitigen, und andererseits Potenziale, die in der Organisation brach liegen, und bereits vorhandene Stärken zu nutzen.

 

Ein dynamisches Changeprogramm, das die Kultur in den Mittelpunkt stellt, mit regelmäßigen Lern- und Überprüfungsschleifen ist der richtige Weg bei dieser spannenden Reise in ein noch unbekanntes Land. Um dieses zu erreichen, gilt es, das bereichsübergreifende Arbeiten zu fördern, Vertrauen zu geben, Verantwortung zu delegieren und schrittweise Netzwerke der Veränderung zu schaffen.

 

 

Die Zukunft aktiv und selbstbewusst gestalten

 

Zurzeit besteht weltweit eine so große Veränderungsdynamik  wie zumindest seit der Industrialisierung nicht mehr. Für Banken kann dies eine Riesen-Chance sein, eine neue Zukunft zu gestalten, sofern sie sich und ihre Mitarbeiter zukunftsfähig machen – das ist das zentrale Ziel bei dem nötigen und angestrebten Kulturwandel. Wer diese Reise antritt, kann viel gewinnen; wer nicht, wird wie die Saurier enden.

Horst Schmidt

 

Zum Autor: Horst Schmidt war zehn Jahre Vorstandsvorsitzender der Bethmann Bank und Country Executive der ABN AMRO – bis Mitte 2017. Aktuell ist er unter anderem als Senior Consultant im Bereich Finanzwirtschaft für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de) tätig.

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