Aktionärs-Rechte-Umsetzung-Gesetz ARUG II

Neue Herausforderungen für Intermediäre

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) wird in Deutschland die EU Shareholders Rights Directive (SRD II) in nationales Recht umsetzen. Mit dem Ziel, in der gesamten EU Aktionäre besser identifizieren und informieren zu können, werden Pflichten für Intermediäre wie Banken und Verwahrstellen auf ein EU weit einheitliches Niveau gehoben. Mit der Harmonisierung kommen konkrete Herausforderungen im Bereich der Datenerfassung, -haltung und
-übermittlung, auf die sich Intermediäre vorbereitet müssen. Auch die Kundenbereiche der Banken sind gefordert praxistaugliche Antworten auf wieder neue Regelungen zu finden.

Wer Aktien einer europäischen börsennotierten Aktiengesellschaft im Depot hält, bekommt von seiner Bank heute anders als bei deutschen börsennotierten AGs oftmals weder eine Einladung zur Hauptversammlung noch sonstige wichtige Informationen der ausländischen Gesellschaft. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie soll sich das ändern. Die Durchführungsverordnung DVO 2018/1212 mit Mindestanforderung für den Datenverkehr nach der SRD II wird im Herbst 2020 wirksam, der Bundestag wird ARUG II voraussichtlich Ende 2019 verabschieden. Die wesentlichen Bestandteile für Intermediäre treten zum 03.09.2020 in Kraft.

Ziel des Gesetzes ist zum einen die Verbesserung der Mitwirkung der Aktionäre in börsennotierten Unternehmen und der Abbau von Barrieren innerhalb des EU-Binnenmarktes. Außerdem soll die grenzüberschreitende Informationsübermittlung verbessert und die Ausübung von Aktionärsrechten vereinfacht werden. Zudem zielt das Gesetz auf eine Verbesserung der Transparenz bei Aktiengesellschaften ab. Über vier gesetzliche Ansätze soll im Rahmen von ARUG II die Umsetzung erfolgen.

  • Say-on-pay: Aktionäre sollen bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie bei der Erstellung eines jährlichen Vergütungsberichtes größere Mitspracherechte erhalten.
  • Related-party-transactions: Geschäfte nahestehender Personen und Unternehmen bedürfen der Zustimmung und Bekanntmachung ab einer Wesentlichkeitsschwelle von 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses der Gesellschaft bzw. des Konzernabschlusses.
  • Comply-or-explain: Zur Verbesserung der Transparenz müssen bestimmte Anteilseigner wie institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater künftig ihre Mitwirkungspolitik veröffentlichen oder erklären, warum dies nicht erfolgt. Mit den Pflichten zur Offenlegung von Mitwirkung, Anlageverhalten und Geschäftsmodell sollen Interessenskonflikte mit anderen Anlegern sowie Endbegünstigten vermieden werden.
  • Know-your-Shareholder: Eine bessere Identifikation und Information der Aktionäre und weitreichende neue Pflichten für Intermediäre werden eingeführt.

Know-your-Shareholder-Anforderung

Gerade der Know-your-Shareholder-Ansatz beinhaltet einige Herausforderungen für Intermediäre, zu denen sofortige Informations- und Rückmeldepflichten genauso gehören wie die Identifikation der Aktionäre.

  • Unverzügliche Übermittlung von Informationen zu Unternehmensereignissen (§ 67a und b AktG-E i.V.m. DVO) an den Aktionär

Einer der zentralen Anforderungen der ARRL II ist die verpflichtende, grenzüberschreitende Informationsweiterleitung von Unternehmensereignissen börsennotierter Gesellschaften innerhalb der EU bzw. dem EWR durch die Intermediäre in der Verwahrkette, vom CSD bis zur depotführenden Bank des Aktionärs. Der daher zukünftig deutliche Anstieg von Mitteilungen geht einher mit gesetzlich vorgegebenen, signifikant kürzeren Übermittlungsfristen – i.d.R. taggleich. Dies lässt sich nur durch effiziente, hoch automatisierte Prozesse und sehr gut gepflegte Stammdaten bewerkstelligen. Und während heute noch zu etwa 80 Prozent eine überwiegend postalische Kommunikation bezüglich Corporate Actions und Hauptversammlungen an den Depotinhaber erfolgt, legt der Gesetzgeber die Annahme einer weitestgehend elektronischen Übermittlung in der Kette vom Emittenten über den Intermediär bis zum Aktionär vor. Diese Annahme wird die Praktiker noch vor goße Herausforderungen stellen.

  • Unverzügliche Rückmeldung vom Aktionär an die Gesellschaft (§ 67c Abs. 1 und 2 AktG-E)

Intermediäre sind nun verpflichtet, Informationen der Aktionäre zu Unternehmensereignissen sowohl von inländischen als auch von ausländischen Aktiengesellschaften zurück an den Emittenten zu melden – unter strengen zeitlichen Vorgaben. Streng interpretiert, muss jede Antwort eines Aktionärs sofort weitergeleitet werden – ein kaum vorstellbarer administrativer Aufwand. Der Depotbank als Letztintermediär kommt zudem noch die Pflicht zu, die genaue Aktienzahl ihrer Depotkunden festzustellen und darüber hinaus festzustellen, ob, wie und welche Informationen nach der Wahl des Aktionärs zurück an die Gesellschaft zu übermitteln sind.

  • Eingangsbestätigung und Rückmeldung an Aktionäre über Aufzeichnung und Zählung der Stimmen (§ 118 Abs. 1 und § 129 Absatz 5c AktG-E i.V.m. DVO)

Ebenfalls neu ist die Verpflichtung der Intermediäre, die Aktionäre bei elektronischer Stimmabgabe über den Eingang und die Zählung ihrer Stimme zu unterrichten. Erfolgt die Erstellung und Übermittlung dieser Bestätigung nicht durch die Gesellschaft, ist sie über die Intermediärskette an den Aktionär weiterzuleiten. Das bedeutet, dass der Intermediär selbst bei Vorgängen außerhalb seiner direkten Einflusssphäre jederzeit über den aktuellen Stand Auskunft geben können und entsprechende Prozesse aufbauen muss.

  • Identifikation der tatsächlichen Aktionäre eines Emittenten (§ 67d AktG-E i.V.m. DVO)

Eine börsennotierte Gesellschaft kann ab September 2020 bei Inhaberaktien von jedem Intermediär, der Aktien verwahrt, regelmäßig Informationen über die wahre Identität ihrer Aktionäre und über den ggfs. nächsten Intermediär der Verwahrkette verlangen. Theoretisch möglich ist also eine tägliche Abfrage, realistischer Weise wird es sich stark auf die Termine rund um die jährlichen Hauptversammlungstermine konzentrieren.

Bei der Umsetzung der EU-Regulierung in nationales Recht nutzen einige Länder wie z. B. Österreich dabei die Möglichkeit, eine gesetzlich vorgesehene Minimalschwelle bis zum zulässigen Maximalwert für eine Bestandsabfrage anzuwenden. Etwaige Details, wie etwa die Höhe der Besitzquoten oder die Bestimmung von Anteilen aus Gemeinschaftsdepots, befinden sich für die praktische Umsetzung bereits in Abstimmung. Sicher ist, dass bei der Offenlegung von Aktionärsdaten unter dem ARUG II Regime die Daten natürlicher Personen nicht mehr aggregiert werden können.

  • Anforderungen und zeitliche Vorgaben an die Übermittlung von Informationen (Art. 9 DVO)

Ein besonderes Augenmerk wird auf ein einheitliches Daten- und Mitteilungsformat für den elektronischen Informationsaustausch gelegt. Dies ist aus Marktsicht zu begrüßen, da nur so ein effizientes und zuverlässiges Zusammenspiel zwischen Intermediären, Emittenten und Aktionären zur Erfüllung der dedizierten Vorgaben für die Informationsübermittlung möglich ist. Mindestanforderungen an Inhalt, Format und sehr enge zeitliche Fristen der zu übermittelnden Informationen, aber auch ihre Reihenfolge und Aspekte der Sicherheit sowie Interoperabilität stehen bereits fest.

Der Gesetzgeber überlässt es dabei den Marktteilnehmern, für die Sicherheit und Integrität der hochsensiblen, personenbezogenen Daten zu sorgen und die Vertrauenswürdigkeit der Anfragen und Angaben zu gewährleisten. Dem Schutz der Daten gegen unberechtigten Zugriff, sowohl bei der anfragenden Stelle als auch beim Transport, muss daher noch größere Sorgfalt gewidmet werden.

Ohne eine STP-Verarbeitung lässt sich das zukünftige Datenvolumen innerhalb der engen, zeitlichen Vorgaben nicht mehr bewältigen: Alleine in Deutschland gibt es rund 450 börsennotierte Aktiengesellschaften. Zusammen mit den tausenden ausländischen Gesellschaften in der EU gilt es daher, eine enorme Datenmenge rund um Offenlegungsanfragen und Unternehmensereignisse in einem kurzen Zeitraum zu bewegen. Eine manuelle Selektion und Aufbereitung der Informationen wird daher zukünftig weder anforderungskonform noch effizient sein.

  • Zusätzliche Erfassung einer elektronischen Adresse des Aktionärs (§ 67 Abs. 1 Satz 1 AktG-E)

ARUG II sieht neben der Postanschrift des Kunden die Erfassung einer elektronischen Adresse vor. Intermediäre sind daher angehalten, eine E-Mail-Adresse beim Kunden nachzufragen. Sofern eine solche bereits vorliegt, ist zu klären, ob die Weiterleitung innerhalb der Kette gewünscht ist. In der Folge ist für Depotinhaber eine zweite E-Mail-Adresse für ihre Kommunikation als Aktionär empfehlenswert. Außerdem hat diese Regelung Auswirkungen auf zahlreiche administrative Prozesse der Intermediäre.

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber aber auch ein Stück weit Vorsorge für die Handhabung der DSGVO getragen. Laut ARUG II dürfen Gesellschaften und Intermediäre personenbezogene Aktionärsdaten für rechtliche Verpflichtungen verarbeiten und innerhalb der kompletten Intermediärskette übermitteln.

  • Emittenten können notwendige Aufwendungen weiterreichen (§ 67f AktG-E)

Emittenten können ihre Aufwendungen für die Nachrichtenübermittlung und Informationserhebung den Intermediären pauschaliert in Rechnung zu stellen. Auch hier sind noch vereinzelte praktische Anwendungsfragen abzustimmen. So lässt der Gesetzgeber beispielweise zwar prinzipiell höhere Aufwendungen als marktüblich zu, gleichzeitig sind aber nur solche Kosten erstattungsfähig, die auf der Basis des Einsatzes moderner Technologien anfallen. Damit erhöht sich der Druck auf Intermediäre, etablierte manuelle Prozesse zu automatisieren.

Fazit

Bis zum Ende der Übergangsfrist müssen mit dem Inkrafttreten von ARUG II Intermediäre die Verpflichtungen wie Aktionärsidentifikation oder Informationsweiterleitung erfüllen. Dazu sind effiziente Straight-Through-Prozesse entlang der gesamten Informationskette genauso wie der Aufbau einer auf europäische Ebene einheitlichen, standardisierten Kommunikation im Zusammenspiel aller Marktteilnehmer notwendig. Auch der Endkunde erwartet rechtzeitige und verständliche Informationen zur neuen Gesetzgebung, weswegen kundenbetreuende Einheiten in das Design der ARUG II Prozesse frühzeitig eingebunden werden sollten. Für Intermediäre ist es wichtig, all dies zur fristgerechten Umsetzung der neuen Vorschriften im Blick zu haben und entsprechende Lösungen zeitgerecht einzuführen. Nur so wird sich der erhoffte Erfolg und die Marktakzeptanz von ARUG II bei allen Beteiligten einstellen.

Autoren:                                            Markus Honvehlmann, Partner WEPEX Unternehmensberatung

Christian Woelke, Senior Manager WEPEX Unternehmensberatung

Weitere Informationen:                   www.wepex.de

Kontakt:                                             Frank Thole

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