Unwort des Jahres: Im Club der roten Richter

Seit über 20 Jahren will ein Verein deutscher Philologen das Ausscheren aus dem linken Mainstream einer Gesellschaft kontrollieren. Dazu scannt man die Umgangssprache „des gemeinen Volkes“ penibel nach neuen Wortbegriffen, die auf ein Abweichen von der reinen Lehre hindeuten und stellt diese dann – als Unwort des Jahres punziert –öffentlich an den Pranger.

Alleine schon die Idee der Unwort-Suche kann nur „deutschem Denken“ entstammen. Wie kaum eine andere Gesellschaft unterliegt die deutsche dem marxistischen Grundirrtum vom Nullsummenspiel: Wer Gewinne macht, hat dies auf Kosten anderer getan – in keinem anderen Land sind Begriffe wie Profit oder Vermögen deshalb ähnlich negativ besetzt. Dass für jede weitere Million Umsatz (und Gewinn) einer Firma auch eine weitere Million Euro gedruckt und unter´s Volk gebracht wurde (und somit niemandem fehlt), ist Geheimwissen, in das nur eine Handvoll Bürger eingeweiht ist.

Antike: Grundirrtum des Marxismus

Der Grundirrtum des Nullsummenspiels wurzelt in der Antike, als es über 3.000 Jahre hinweg kein Wirtschaftswachstum gegeben hatte. Der Kaufmann konnte nur verdienen, was er seinem Lieferanten weniger gegeben hatte. Der Bauer konnte nur reicher werden, wenn er eine Furche vom Nachbarfeld zu sich hinüber pflügte.

Diese unmenschliche und brutale Zeit hat die damaligen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – zutiefst geprägt. Alle drei kennen das Gleichnis vom Kamel:  „Eher käme dieses durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Himmelreich“ – vor 2000 Jahren verständlich: Da es kein Wachstum gab, musste der Reiche sein Geld ja jemandem gestohlen hatte. Und so einen wollte man nicht in einer netten Gemeinschaft wie der im Himmel haben.

Seit 200 Jahren gibt es aber Wirtschaftswachstum – ganz aus sich heraus. So ist etwa seit Adam Smith die Produktivität bei der Nadelerzeugung um 500.000 Prozent gestiegen, ohne dass irgendjemand dafür ärmer werden musste. Diese Erkenntnis hat in das kontinentaleuropäische Denken aber keinen Einzug mehr gefunden, zu stark stand es unter dem philosophischen Einfluss antiker, christlich-jüdischer Traditionen.

Mediale Steinigung

Der Kommunist Brecht ist ein Produkt des deutschen Gymnasiums: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm“ – „weiß“ er in der Dreigroschenoper. Die Bedeutung marxistischer Ideen geht in der Philologie weit über die literarische Bedeutung von Brecht, Böll oder Borchert hinaus. Das „Kommunistische Manifest“ ist Teil des gymnasialen Lehrplanes, obwohl sein sprachlicher Wert gegen Null geht.

Analog zur Erziehung im Deutsch-, Philosophie- oder Religionsunterricht wird die entsprechende Sozialisierung der Erwachsenen von einer „sprachkritische Aktion“ deutscher Philologen wahrgenommen. Mit Akribie und Hartnäckigkeit spürt die „mediale Wortkontrolle“ Ausdrücke im „Volkskörper“ auf, deren Distanz zu „Niederträchtigem“ wie Wirtschaft oder Gewinn nicht eindeutig genug ist. Einmal im Jahr werden sie als „Unwörter des Jahres“ der „medialen Steinigung“ preisgegeben.

Gut-Wörter statt Un-Wörter

Die Suche nach dem Unwort erinnert an die Suche nach der Unreinheit im Körper. Es riecht nach Schauprozess und moralgetreuem Sitten-Wächtertum. Deutschland hat sich das nicht verdient. Neben Pessimismus und Kontrolle gibt es in dem Land auch Lebensfreude, Stolz und Optimismus. Ihnen zu Ehren sollte das „Gut-Wort des Jahres“ erfunden werden.

2002: „Ich-AG“

Im Jahr 2002 lautete die offizielle Begründung für die „Ich-AG“ als Un-Wort des Jahres: „Reduzierung von Individuen auf sprachliches Börsenniveau“. Dabei hätten viele Gründe eher für die Kür als Gut-Wort gesprochen: Im Zuge der Hartz IV-Reformen versuchte man mit der „Ich-AG“ Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. So groß, kompetent und stark wie eine AG sollten sozial Gestrandete als neue Selbstständige künftig werden. Und tatsächlich: Zehntausenden gelang als „Ich-AG“ der Sprung aus der Armut in ein besseres Leben.

2004: „Humankapital“

Zum Un-Wort wurde es, weil „es Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen degradiert“.

Tatsächlich taugt es mehr zum Gut-Wort. Denn „Kapital“ bedeutet „Geld“ und damit Wohlstand, und der ist vielen Menschen wichtig. Das Wichtigste einer Firma sind aber nicht Maschinen oder Finanzkapital, sondern eben Menschen. Deren Kreativität, Beharrlichkeit und Fleiß stellen das wichtigste Asset („Kapital“) einer Firma dar. Ohne menschliches Kapital wäre alles wertlos – selbst die teuerste Maschine.

2008: „Notleidende Banken“

Der Begriff wurde zum Un-Wort erklärt, weil „das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise rundweg auf den Kopf gestellt wird.“

Schade, die Wort-Kombi hätte auch als Gut-Wort dienen können: Für die Wählerstimmen ihrer „Kleinen Leute“ hatten US-Politiker die staatlichen Geldschleusen geöffnet. In Form staatlicher Wertpapiere (wie Mortgage Backed Securities) schwappten sie nach Europa und führten Staats- und Landesbanken an der Nase herum. Erfolgreich rettete der Staat seinen staatlichen Bankensektor. Damit rettete er auch Wohlstand und Spareinlagen von Millionen „Kleinen Leuten“.

2013: „Club der roten Richter“

Will Deutschland von seiner selbst verordneten „Depressionitis“ genesen, muss „echtes Wirtschaftswissen“ Allgemeingut werden. Das Schulsystem ist radikal umzubauen, BWL muss in allen Schulformen Unterrichtsfach werden – ausschließlich von Wirtschaftswissenschaftlern unterrichtet. Deutschlands Schulbücher müssen von marxistischem Ballast befreit, die Themen „Wirtschaft“, „Globalisierung“ oder „Kapital“ auch aus konservativer, liberaler – oder einfach nur neutraler – Sicht dargestellt werden.

Unzählige VWL-Lehrstühle schwimmen schon seit 50 Jahren nur im trüben Wasser eines alten („linken“) Keynesianismus. Um Gegenthesen („Hayek“, „von Mises“, „Friedman“) zu studieren, müssen Aufgeschlossene ins Ausland emigrieren – obwohl Europas Schuldenkrise vor allem eine keynesianistische ist.

Aufgrund seiner Technikverliebtheit und Genauigkeit wird Deutschland immer die besten Maschinen bauen. Und es wird immer ein reiches Land sein. Will es aber auch glücklich sein, muss es noch vieles lernen – und noch mehr verändern.

Der österreichische Wirtschaftspublizist Michael Hörl beschäftigt sich in seinen Büchern mit der Kritik an der „Globalisierungskritik“. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschreibt einen neuen Zugang zur Marxismus-Kritik.

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