Krisenindikator im Extrembereich

Der Eurozone steht eine Rückkehr der Krise ins Haus. Nicht nur, dass Griechenland bereits im Sommer wieder das Geld ausgehen dürfte und die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen einen Euro-Austritt ihres Landes fordert. Auch harte Zahlen belegen, dass die Krise in der Eurozone zurück ist. So ist der Target2-Saldo der Bundesbank im Januar auf ein neues Rekordniveau von 795,6 Mrd. Euro gestiegen, nach 754,3 Mrd. Euro im Vormonat.

Etwas vereinfacht ausgedrückt ist der Target2-Saldo nichts anderes als eine Art „Überziehungskredit“, den die Bundesbank den anderen Notenbanken im Eurosystem gewährt. Seit der Euro-Krise ist zu beobachten, dass sich in den südeuropäischen Krisenländern im Zuge des Target2-Systems hohe Verbindlichkeiten und in Deutschland und einigen weiteren Ländern hohe Überschüsse ansammeln. Während der Zuspitzung der Euro-Krise flüchtete mehr privates Kapital aus den Krisenstaaten ins Ausland. Dieses private Kapital wurde durch Notenbankkredite der Überschussstaaten (insbesondere Deutschland) ersetzt.

Dafür sind die Anleihekäufe der EZB im Rahmen ihres QE-Programms mitverantwortlich, denn diese führen zu überschüssiger Liquidität. Da die Verkäufer der Anleihen die aus den Verkäufen resultierenden Guthaben bevorzugt bei Banken z.B. in Deutschland halten, erhöht das die Ungleichgewichte im Rahmen des Target2-Systems. Allerdings sind auch die auf QE zurückzuführenden Ungleichgewichte letztlich ein Ausdruck der weiterhin existierenden Fragmentierung im Euroraum, bei der private Investoren überschüssige Gelder nicht in Krisenländern wie Italien oder Spanien parken wollen.

In der Folge sammeln sich bei der Bundesbank riesige Überschüsse an. Diese Überschüsse sind aber für Deutschland gleichzeitig ein hohes Risiko, denn die „Guthaben“ der Bundesbank im Target2-System bestehen aus nichts anderem als aus Forderungen gegenüber den den Notenbanken der Krisenstaaten. Es steht vollkommen in den Sternen, ob die Krisenstaaten ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesbank jemals erfüllen können. Sollten einige Euro-Staaten die Gemeinschaftswährung verlassen, worauf jetzt wieder vermehrt spekuliert wird, dürften die Forderungen völlig uneinbringlich sein. Der Bundesbank könnten aus den Target2-Salden dann im schlimmsten Fall Verluste in Höhe von 795,6 Mrd. Euro ins Haus stehen – wenn sich die anderen Euro-Staaten irgendwann darauf verständigen sollten, die Verbindlichkeiten aus dem Target2-System nicht mehr zu erfüllen.

Die Kredite im Rahmen des Target2-Systems sind auch deshalb problematisch, weil sie anders als etwa die Hilfspakete für Griechenland, von keinem Parlament jemals beschlossen wurden, sondern einfach aus der Funktionsweise des Target2-Zahlungssystems, mit dem Zentralbankgeld zwischen den Banken der Eurozone übertragen wird, resultieren. Anders als etwa in den USA existiert in Europa auch kein Mechanismus, um die gegenseitigen Verbindlichkeiten wieder auszugleichen. Zwischen den regionalen Federal-Reserve-Banken in den USA werden entstehende Ungleichgewichte regelmäßig durch den Transfer von Goldzertifikaten ausgeglichen.

 

(© BörseGo AG 2017 – Autor: Harald Weygand, Head of Trading)

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