Artikel: „Der Ankereffekt“ von Martin Limbeck.
Der neue Hardseller lässt sich von seinem Kunden nicht den Zeitpunkt der Nennung seines Preises diktieren. Stattdessen bringt er den Preis erst ins Spiel, wenn er den spezifischen Nutzen, den Mehrwert seines Angebots für diesen Kunden als schwergewichtiges und nachhaltiges Argument in die Preisverhandlung eingebracht hat. Er bedient sich dabei eines psychologischen Mechanismus, der als „Ankereffekt“ bekannt ist.
Marketingforscher haben in den letzten Jahren herausgefunden, dass vorab genannte hohe Zahlen Käufer dazu verleiten, auch nachfolgend genannte höhere Verkaufspreise zu akzeptieren, weil diese hohen Zahlen als Anker wirken, soll heißen: weil sie (für den Kunden unbewusst) zum Ausgangspunkt der nachfolgenden Preisnennungen und -verhandlungen werden.
Deswegen ist es so wichtig, den Preis erst nach der Nutzenargumentation zu nennen. Diese scheinbare Verzögerung, die ja vor allem das Ziel hat, dass der Kunde den Preis untrennbar mit dem Mehrwert verknüpft, birgt noch einen anderen Vorteil: Der neue Hardseller nutzt diese Zeit, um den Preis seines Angebots schon von vornherein zu seinen Gunsten zu beeinflussen – selbst wenn er noch nicht die (Maximal-) Preisvorstellungen seines Kunden kennt. Wie das gehen soll, fragen Sie? Hier kommt der sogenannte „Ankereffekt“ ins Spiel…
Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern liegen in der Regel weit auseinander – letztere wollen hohe Preise durchsetzen, ohne ihre Kunden im Vorfeld abzuschrecken, diese wiederum wollen den Preis drücken. Das ist eine banale Beobachtung, die Sie jeden Tag selbst machen. In Experimenten wurden Käufern und Verkäufern willkürlich ausgewählte Zahlen präsentiert, worauf beide Gruppen ihre jeweiligen Mindestverkaufspreise bzw. ihre Maximalkaufpreise nennen sollten. Das Ergebnis war so einfach wie verblüffend: Zufallszahlen im Vorfeld von Preisnennungen wirken. Sie beeinflussen (unbewusste) Preisfestlegungen sehr oft, wenn auch nicht immer. Der Ankereffekt verursacht durch die Nennung von vorab genannten Zahlen – selbst bei willkürlich ausgewählten – Preisdifferenzen von bis zu 30 Prozent!
Dabei werden Maximalkaufpreise sehr viel stärker beeinflusst als Mindestverkaufspreise. Das führen die Marketingforscher darauf zurück, dass Kaufentscheidungen komplexer und deshalb mit mehr Unsicherheit verbunden sind als Verkaufsentscheidungen. Anders formuliert: Verkäufer sind quasi immun gegen Beeinflussungsversuche von Kunden. Verkäufer lassen sich deutlich weniger von niedrigen Zahlen beeindrucken, mit denen Käufer sie vor der Preisfestlegung konfrontieren.
Das bedeutet für Sie als Verkäufer: Ihr Kunde ist durch den Ankereffekt stärker zu beeinflussen als Sie selbst. Sie verfügen über weit mehr Beeinflussungsspielräume hinsichtlich der Preisgestaltung als Ihr Kunde. Kurz: Als Verkäufer können Sie den Ankereffekt hervorragend für Ihre eigenen Ziele nutzen!
Wie nun setzen Sie als neuer Hardseller diese Erkenntnis in Ihrer Verkaufspraxis um? Stellen Sie vor oder unmittelbar zu Beginn der eigentlichen Preisverhandlungen eine oder mehrere hohe Zahlen in den Raum, selbst wenn diese Zahlen mit Ihrem Angebot bzw. Ihrem Produkt rein gar nichts zu tun haben! Es ist auch unerheblich, ob die Zahlen eher ausdrücklich präsentiert werden oder ob Sie sie eher beiläufig erwähnen. Entscheidend ist vielmehr, dass diese hohen Zahlen in Ihrem Kunden einen (unbewussten) Prozess der Preisfestlegung auslösen und dieser Preis dann zum Ausgangspunkt der nachfolgenden Verhandlungen wird. So sind beispielsweise brancheninterne Umsatzzahlen hervorragende Anknüpfungspunkte für die nun folgenden Verhandlungen über den eigenen Preis. Auf diese Weise verschaffen Sie sich eine sehr gute Verhandlungsposition:
Beispiel:
Neuer Hardseller: „Das jährliche Umsatzvolumen unserer Druckmaschinen beträgt weltweit ca. 3,6 Milliarden Euro. (Der neue Hardseller macht eine Pause, um die Zahl wirken zu lassen). Durch den Einsatz Ihrer Maschine aus unserem Haus haben Sie zukünftig in nur einer Schicht Ihre Zeitungsauflage von 125.000 Exemplaren auf 250.000 Exemplare gesteigert …“
Kunde: „Soviel? Und das jeden Tag? Das wären ja pro Jahr knapp 37 Millionen Exemplare mehr …“
Neuer Hardseller: „Für diese Steigerung und den Mehrerlös, den Sie dadurch erzielen, investieren Sie in diese Druckmaschine Baujahr 1990 nur Eins-Vier im Monat (Anmerkung: Machen Sie Ihren Preis klein, hier also statt 1400 Euro Eins-Vier). Wenn Sie jetzt „Ja“ sagen, ist sie innerhalb der nächsten sechs Wochen einsatzbereit. Welche weiteren Vorteile sehen Sie darin, dass Sie jetzt Ihre Zeitungsauflage innerhalb nur einer Schicht verdoppeln?“
Praxistipps:
► Nutzen Sie eine dritte Person, zum Beispiel einen Kollegen, der Sie zu den entscheidenden (Preis-) Verhandlungen begleitet, als Stichwortgeber, der per (vorab vereinbartem) Zuruf eine oder mehrere hohe Zahlen in den Raum wirft, um Ihren Kunden in der Festlegung seines Maximalkaufpreises zu beeinflussen. So können Sie quasi aus einem ganz entspannten Dreiergespräch heraus die Preisverhandlungen in eine für Sie günstige Richtung lenken!
► Wählen Sie kleinere Preiseinheiten, die von Ihrem Gesprächspartner besser „verkraftet“ werden, denn große Preise lösen zunächst einen großen Schreck aus – verdeutlichen Sie zum Beispiel die geringen Preisunterschiede gegenüber einem Wettbewerberangebot. Ist Ihr Kunde sehr stark auf den Preis fokussiert, sollten Sie ihm ein Preisspektrum von … bis … bieten, herunter gebrochen auf die kleinste Preiseinheit.
Beispiel:
„Herr Kunde, Sie haben die Möglichkeit, in unterschiedlichen Hotelkategorien auf den Bahamas zu buchen. Da gibt’s Hotelsuiten für 750 $ und Strandhotelzimmer mit Meerblick für 105 $ die Nacht. Damit Sie sich in Ihrem Urlaub auch wohl fühlen – was erwarten Sie von einem guten Hotelzimmer?“ Damit signalisieren Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie keine Angst haben, Ihren Preis zu nennen, denn Ihr Angebot ist es ihm schließlich wert!
Weiterhin helfen Sie noch ein wenig nach, wenn Sie den Preis „weich“ aussprechen: Sagen Sie „Sechszehnhundert“ oder „Einssechs“ statt „Eintausendsechshundert“, klingt das handlicher, kleiner, weniger abschreckend, weil die Nullen sprachlich wegfallen. Optimieren Sie diesen psychologischen Effekt mit Sie- und nutzenorientierten Formulierungen: „Sie bekommen das Angebot für einssechs!“ Das Wörtchen „bekommen“ macht den Preis zum Zugewinn, klingt rund und angenehm und nimmt der Preisaussage ihre Härte.
► Legen Sie den Anschaffungspreis für Ihr Angebot auf seine lange Lebens-/Nutzungsdauer oder auf die Produktionskosten Ihres Kunden um: Durch die Nennung des Aufwandes für eine kleine Zeiteinheit oder eine Produktionseinheit (Stückpreis) verkleinern Sie den Preis psychologisch.
► Lassen Sie Ihren Gesprächspartner unbedingt selbst Wirtschaftlichkeitsberechnungen ausführen, da er die entsprechenden Ergebnisse viel eher akzeptiert, als wenn Sie ihm fertige Modellrechnungen vorlegen. Auch hier bietet es sich an, die Wirtschaftlichkeit des eigenen Angebots auf die Zeit oder das Einzelstück zu projizieren. Nutzen Sie dafür die Alleinstellungsmerkmale Ihres Angebots und die Vorteile, die sich daraus für Ihren Kunden ergeben:
– schnellere Lieferung und bessere Logistik: geringere Lagerhaltung und Kapitalbindung
– längere Wartungsintervalle: weniger Stillstand, geringere Investitionen
– optimale Energienutzung: geringerer Energieverbrauch (Strom,Öl, Benzin etc.)
– höhere Präzision: weniger Ausschuss
– stabilere Bauart: längere Lebensdauer
– hohe Qualität: hoher Wiederverkaufswert
► Achten Sie beim Vergleich mit Wettbewerberangeboten darauf, nicht den eigenen, eventuell höheren Komplettpreis Ihres Angebots zu begründen, sondern erklären Sie lediglich die kleinere Preisdifferenz – natürlich immer in Verbindung mit den Vorteilen Ihres Produktes bzw. Ihrer Dienstleistung gegenüber dem der Wettbewerber. Diese Differenz spielt im Unterbewusstsein Ihres Gesprächspartners eine wesentliche Rolle, ist sie doch handlicher, greifbarer, kleiner und vernachlässigbarer als der zunächst monströse Gesamtpreis Ihres kompletten Angebots!
Der neue Hardseller setzt – bei aller nützlichen Verkaufspsychologie und bei allen cleveren Verhandlungstechniken, -methoden und -taktiken – seine ganze Persönlichkeit ein, um seinen Kunden von den Vorteilen seines Angebots zu überzeugen, ihm seinen ganz individuellen, persönlichen Nutzen, seinen Mehrwert nahe zu bringen. Er bleibt dabei immer er selbst und verhandelt mit der Kraft seiner Authentizität, um seinen Kunden zu überzeugen – nicht zu überreden, denn er weiß: Ein überredeter Kunde ist kein begeisterter Kunde, der ihm vertraut und wieder zu ihm kommt. Haben Sie einen Kunden zum Auftrag „gequatscht“, dann haben Sie vielleicht die Schlacht gewonnen, aber den Krieg haben Sie verloren!
Martin Limbeck ist der Hardselling-Experte in Deutschland. Seit mehr als 17 Jahren begeistert er mit seinem Insider-Know-how und praxisnahen Strategien Mitarbeiter aus Management und Verkauf. Nicht nur in seinen provokativen und motivierenden Vorträgen, sondern auch in den umsetzungsorientierten Trainings steht das progressive Verkaufen in seiner Ganzheit im Mittelpunkt. Dies hat ihn in den letzten Jahren zu einem der effektivsten und wirksamsten Trainer gemacht. Martin Limbeck ist der Kopf des Martin Limbeck Trainings® Teams, Lehrbeauftragter im Bereich Sales Management an der European School of Business in Reutlingen, Mitglied des Club 55, der German Speakers Association und des Top-Trainer-Teams SALES MASTERs. Im Jahr 2006 erhielt er den Internationalen Deutschen Trainingspreis in Bronze in der Kategorie Verkauf/Vertrieb für sein Konzept „DAS NEUE HARDSELLING® – Verkaufen heißt verkaufen“. 2008 wurde er mit dem 5 Years Award in Bronze vom BDVT (Berufsverband der Verkaufsförderer und Trainer e.V.) ausgezeichnet. 2009 ehrte ihn die ‚Vereinigung Deutscher Veranstaltungsorganisatoren e.V.’ für seine exzellenten Leistungen als Business-Speaker und Trainer mit dem Conga Award und weist ihn damit als einen der Top-3-Referenten im deutschsprachigen Raum aus. Seine herausragenden Ergebnisse als Verkaufsexperte wurden zusätzlich durch die Wahl zum „Trainer des Jahres 2008“ bestätigt. Mehr Infos auf www.martinlimbeck.de.
Buchtipp:
Martin Limbeck
Das Neue Hardselling ®
Verkaufen heißt verkaufen – So kommen Sie zum Abschluss
Gabler Verlag ISBN 978-3-409-14342-4
3. erweiterte Auflage, 277 Seiten, € 38,00
Martin Limbeck zeigt in seinem aktuellen Buch „DAS NEUE HARDSELLING® – Verkaufen heißt verkaufen“ einen neuen Weg, wie Topverkäufer im harten Wettbewerb, in engen Märkten und bei einem unüberschaubaren Angebot an vergleichbaren Produkten und Dienstleistungen weiterhin die Nase vorn haben. Der Autor beschreibt den entscheidenden Unterschied zwischen Beraten und Verkaufen und stellt Möglichkeiten für zwingende und zielführende Verkaufsgespräche vor.