Business Angels sind keine Almosen-Geber: So knackt man sie trotzdem

Sie heißen Engel, aber verschenken nichts: Warum Business Angels für Start-ups goldwert sind – und wieso Gründer trotzdem mit möglichst wenig Geld starten sollten. So wenig Geld wie möglich aufnehmen – aber nicht warten, bis die Kasse leer ist. Das rät Leif Jägerbrand, Mitgründer des KI-Unternehmens Atomize, im Interview allen Unternehmern, die über eine Finanzierungsrunde nachdenken. „Man muss lernen, selbst Geld zu verdienen.“
Business Angels sind keine Almosen-Geber: So knackt man sie trotzdem

Business Angels: Erfahrung schlägt reine Kapitalgabe

Als Leif Jägerbrand, Olle Langenius und Mattias Silversparre 2016 Atomize gründeten – ein KI-Unternehmen, das Hotels dabei hilft, Zimmerpreise optimal zu gestalten – hatten sie bereits eigenes Startkapital. Zwei Jahre zuvor hatten sie ihr vorheriges Unternehmen, das Werbetechnologie-Start-up Admeta, an den US-Konzern Wideorbit verkauft. „In Admeta hatten wir Risikokapital an Bord, das war für uns nicht ideal. Bei Atomize setzten wir stattdessen ausschließlich auf Business Angels und sogenannte Family Offices als Teilhaber“, erzählt Jägerbrand.

Er sieht einen entscheidenden Unterschied: Business Angels hätten selbst unternehmerische Erfahrungen gesammelt und dadurch ein hohes Maß an Wissen. „Sie verstehen zum Beispiel sehr viel besser, dass nicht immer alles exakt nach Plan läuft.“

Netzwerke sind entscheidend

Der erste Angel-Investor bei Atomize war Magnus Emilson aus Göteborg, den Leif Jägerbrand bereits kannte, weil beide in das E-Commerce-Unternehmen Na-kd von Jarno Vanhatapio investiert hatten. Sie saßen gemeinsam im Aufsichtsrat. Nicht jeder hat das Glück, solche Kontakte von selbst zu knüpfen. Doch es gibt Alternativen: „Anrufen! Frühzeitig Termine vereinbaren und mit Leuten sprechen. Es zahlt sich aus, Kontakte zu pflegen, gemeinsam Mittag zu essen – und das regelmäßig“, rät Jägerbrand. Er selbst investiert auch in Start-ups und betont, wie viel leichter es sei, mit Gründern zusammenzuarbeiten, die man bereits länger kennt. „Am Ende geht es zwar um die Geschäftsidee, aber man investiert immer auch in Menschen. Dafür braucht es Vertrauen.“

Magnus Emilson kennt sich bestens in der Reisebranche aus, weshalb er perfekt als erster Investor für Atomize geeignet war. Dennoch findet Jägerbrand nicht, dass alle Investoren zwingend Branchenerfahrung mitbringen müssen. „Aber es ist enorm wichtig, ein Netzwerk mit vielfältigen Kompetenzen um sich herum aufzubauen“, sagt er. Außerdem seien Business Angels nicht nur wegen ihrer Erfahrung wertvoll. Sie spielen oft eine zentrale Rolle bei weiteren Finanzierungsrunden. „Viele Family Offices und Angels kennen sich untereinander. Das Einfachste ist, die bestehenden Investoren zu fragen, wen sie empfehlen würden.“

Früh planen und unabhängig bleiben

Jägerbrand rät allen Unternehmern, frühzeitig über Kapitalrunden nachzudenken – nicht erst, wenn das Unternehmen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Sonst gerät man leicht in eine Situation, in der man keine Wahl hat und jede noch so ungünstige Offerte akzeptieren muss. Gibt es etwas, vor dem man sich bei der Kapitalaufnahme hüten sollte? „Meiner Meinung nach sollte man so wenig Geld wie möglich aufnehmen. Einerseits, um einen möglichst großen Anteil am eigenen Unternehmen zu behalten. Andererseits, weil man dadurch gezwungen ist, selbst profitabel zu wirtschaften.“ Atomize wurde Ende November vergangenen Jahres an das zu Kinnevik gehörende Unternehmen Mews verkauft. Die Hauptgesellschafter hätten die Gespräche geführt, doch Jägerbrand betont, dass alle Investoren stets über den Stand der Verhandlungen informiert werden müssten.

Sie haben bereits früher in Start-ups investiert. Werden Sie das weiterhin tun? „Wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt.“

Was ist der Reiz daran? „Ich werde nächstes Jahr 50 und habe nie einen richtigen Job gehabt – abgesehen von Ferienjobs. Direkt nach der Uni habe ich mein erstes Unternehmen gegründet. Klar, man hat über die Jahre enorm von Investoren profitiert, da möchte man etwas zurückgeben. Und außerdem: Die Arbeit mit Start-ups ist enorm intellektuell stimulierend.“

Der Rat eines Gründers: Selbst schuld, wer zu viel Geld ins Start-up holt

Auch für die deutsche Gründerszene sind die Erfahrungen von Leif Jägerbrand hochrelevant. Gerade in Deutschland herrscht nach wie vor ein starker Fokus auf klassische Bankfinanzierung, während Business Angels häufig unterschätzt werden. Doch ihre praktische Erfahrung, ihr Netzwerk und ihre Fähigkeit, kritische Phasen zu begleiten, können für junge deutsche Technologieunternehmen den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern bedeuten.

Der wichtigste Appell von Jägerbrand: Unternehmer sollten sich nicht zu früh abhängig machen und lieber gezielt smarte Mitstreiter ins Boot holen. Wer zu spät Kapital sucht, riskiert schlechte Konditionen – wer zu früh zu viel Geld aufnimmt, verliert Kontrolle und den unternehmerischen Antrieb.

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