BIP-Rückgang verschärft: Warum Deutschlands Wirtschaft nicht in Fahrt kommt
Wie die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, muss die erwartete Wirtschaftsentwicklung nach unten korrigiert werden. Im 2. Quartal 2025 sinkt die Wirtschaftsleistung und damit das Bruttoinlandsprodukt (BIP) signifikanter als ursprünglich angenommen. Damit wird das dritte Jahr der Stagnation oder auch Rezession in Folge eingeläutet – etwas, das es in Deutschland bislang noch nie gegeben hat. Das liegt vor allen Dingen an den wichtigen Industrien in Deutschland, die schwächer performt haben als erwartet.
Von April bis Juni diesen Jahres ist nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes das BIP um 0,3 Prozent gesunken im Vergleich zum Quartal davor. Zuvor wurde der Rückgang nur auf 0,1 Prozent geschätzt. Zurückzuführen ist dies nach Angaben des Amtes auf die schlechte Entwicklung der Industrieproduktion. Im ersten Quartal 2025 gab es hingegen noch ein Wachstum in Höhe von 0,3 Prozent. Zwar legten sowohl der private als auch der staatliche Konsum zu, es fehlte aber an Investitionen. Insbesondere bei Bau, Maschinen und Fahrzeugen fehlte es hier an Aktivität. Auch der Außenhandel lahmte infolge der US-Handelspolitik und verringerte die deutschen Exporte.
Belebung der Wirtschaft im 1. Quartal 2025 war nur ein Strohfeuer
Die Wachstumsbelebung zu Jahresbeginn entpuppt sich nach Meinung von Experten als kurzes Strohfeuer. Insbesondere der Einbruch im Export zeigt nun die Wirkung der Zollvereinbarungen mit den USA und wird Deutschland in spürbarem Umfang Wachstum kosten. Denn auch bei der Investitionstätigkeit ist keine Besserung in Sicht in einem wirtschaftlichen Umfeld, das von einer niedrigen Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und einer schwachen Auftragslage gekennzeichnet ist.
Konjunkturimpulse werden auch weiterhin nicht vom Bau erhofft. Auch wird erwartet, dass trübe Aussichten am Arbeitsmarkt und eine abflauende Lohndynamik den privaten Konsum bremsen werden. Impulse werden auch nicht aus dem Dienstleistungssektor erwartet. Im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank wird ebenfalls für das laufende Quartal keine Besserung erwartet und man rechnet mit einer Stagnation. Die fehlende Investitionstätigkeit wird sich in einem wirtschaftlichen Umfeld von niedriger Auslastung der Kapazitäten und einer schwachen Auftragslage wohl nicht beleben lassen.
Positive Signale gibt es aber auch
Allerdings ist die Staatskasse besser gefüllt als erwartet, denn Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge stiegen schneller als die Staatsausgaben und senken somit das Staatsdefizit zum Vorjahres-Verleichszeitraum. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung lag es bei 1,3 Prozent im ersten Halbjahr 2025.
Überraschenderweise stieg auch der Einkaufsmanagerindex auf einen Wert von 50,9 Punkten und signalisiert bereits im dritten Monat in Folge damit Wachstum. Der Einkaufsmanagerindex (EMI) ist ein Wirtschaftsindikator, der monatlich von Einkaufsmanagern von Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungssektor befragt wird, um die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes oder einer Branche einzuschätzen. Der Index fasst die Einschätzungen zur Geschäftslage in Bezug auf Bereiche wie Auftragseingänge, Produktion, Beschäftigung, Lieferfristen und Lagerbestände zusammen.
Wirtschaftsinstitute geben sich optimistisch
Auch das ifo-Institut ist optimistisch und spricht schon vom Ende der deutschen Wirtschaftskrise. Nach Berechnungen des Instituts soll nach zwei Jahren Rezession in diesem Jahr ein Wachstum von 0,3 Prozent möglich sein. Für das kommende Jahr wurde die Prognose bereits nach oben angepasst mit 1,5 Prozent Wachstumspotenzial. Das entspricht auch einer Einschätzung des IfW Kiel, das prognostiziert, dass der Tiefpunkt der Krise bereits überwunden ist. Die Prognosen für das laufende und das kommende Jahr wurden bereits nach oben angepasst.
Auch nach Einschätzung der staatlichen Förderbank KfW dürfte die anhaltende Krise bald ein Ende finden. Sie rechnet für das laufende Jahr mit einem leichten Wachstum. t wird hierbei, dass deutsche Unternehmen den Handelsstreit mit den USA besser verkraften als gedacht. KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher erwartet statt einer Stagnation jetzt ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Für das kommende Jahr geht Die Resarch-Abteilung der Bank dann von einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent aus – statt des bisher mit 0,5 Prozent prognostizierten Anstiegs.
Steht Deutschland ein Aufschwung bevor?
Doch ist das alles realistisch? Aktuell steht die deutsche Wirtschaft vor einer herausfordernden Situation. Dabei bleibt auch abzuwarten, wie die Bundesregierung die Wirtschaftsplayer durch die unruhigen Zeiten manövrieren kann. Viel wird auch davon abhängen, was die exportorientierte deutsche Wirtschaft in Zukunft noch von der unsteten Zollpolitik der USA und weiteren Handelskonflikten zu erwarten hat. Die optimistischen Prognosen der Wirtschaftsinstitute bilden zumindest momentan noch keine Realität ab. Im Gegenteil – das offizielle reale, kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist aktuell sogar niedriger als vor fünf Jahren. Lag es im Jahr 2024 bei 62.800 US-Dollar, waren es 2019 62.900US-Dollar. Bereits seit 2018 stagniert die reale Wirtschaftskraft pro Kopf in Deutschland.
Auch waren laut dem Statistischem Bundesamt die Reallöhne in Deutschland im ersten Quartal 2025 niedriger als im ersten Quartal 2019. Somit verdienen die arbeitenden Menschen heute nach offiziellen Angaben real und inflationsbereinigt also weniger als vor fünf Jahren.
Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen
Die deutsche Wirtschaft hat weiterhin mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Als exportorientierte Nation leidet das Land besonders unter der allgemeinen weltwirtschaftlichen Schwäche der vergangenen Jahre, die sich durch geopolitische Konflikte und die erratische Zollpolitik der USA noch verschärft haben. Deutschlands Wirtschaftsleistung ist stark von einem freien und fairen Handel abhängig. Gerade durch die teilweise chaotische und unberechenbare Zollpolitik Trumps wird es deutschen Unternehmen erschwert, langfristige Geschäftsstrategien zu planen und auch umzusetzen.
Unsicherheit kennzeichnet die Unternehmenspolitik in diesen Tagen und bremst die Investitionsbereitschaft. Das schwächt wiederum auch die Binnennachfrage. Die Unternehmen sind jedoch auch an anderer Stelle gefordert. Der Bürokratieabbau kommt nicht wirklich in Gang, die Unternehmen sind gefordert, die Transformation hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft zu bewältigen und sie stehen auch in Bezug auf die qualifizierten Arbeitskräfte vor der Herausforderung, den demografischen Wandel in Deutschland bewältigen zu müssen.
Korrekturen des BIP stehen in der Kritik
Die jetzt nach unten korrigierte Einschätzung des BIP ist in gewisser Weise eine übliche Vorgehensweise, denn Korrekturen zwischen der Schnellschätzung zum Quartalsende und der ausführlichen Berechnung sind üblich. Das liegt daran, dass in den drei bis vier Wochen dazwischen das Statistische Bundesamt zusätzliche Daten bekommt, die eine präzisere Einschätzung der Lage ermöglichen. Was allerdings Ende Juli vom Statistischen Bundesamt an Korrektur für die vergangenen vier Jahre vorgenommen wurde, ist hingegen nicht das übliche Prozedere. Hier wurden die Werte teilweise deutlich nach oben korrigiert.
So weisen sie nun für das Jahr 2021 eine um 0,3 Prozentpunkte stärkere Erholung der Wirtschaft von den Folgen der Pandemie aus. Für das Jahr 2022 wurde der Wert von 1,4 auf 1,9 Prozent nach oben korrigiert. Allerdings gab es auch in die andere Richtung Korrekturen. So soll im Krisenjahr 2023 die Wirtschaft nicht wie bisher angenommen leicht um 0,1 Prozent, sondern deutlich um 0,7 Prozent geschrumpft sein. Auch für das Jahr 2024 steht nun ein stärkeres Minus von 0,5 Prozent statt zuvor 0,2 Prozent. Diese Zahlen erlauben die Interpretation einer ausgewachsenen Rezession und nicht wie bisher verlautbart einer Stagnation.
Das Statistische Bundesamt begründet die deutliche Korrektur mit der extremen Preisentwicklung nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die massive Auswirkungen auf die Kostenstrukturen der Unternehmen gehabt hätte. Diese Effekte mit einer genauen Auswertung hätten jedoch erst ca. 18 Monate nach Ende des Berichtsjahres vorgelegen.