Zahlungsverkehr: Good bye, Bargeld?

A.T. Kearney Studie zum Thema Zahlungsverkehr in Österreich sieht beim bargeldlosen Bezahlen großes Potential, aber auch große Herausforderungen für Finanzdienstleister. Ein Perspektivenwechsel in der Zahlungsverkehrsindustrie steht bevor.

Bankkarte, Kreditkarte, Online-Banking, Zahlung mit dem Handy: die Möglichkeiten für bargeldloses Bezahlen sind groß. Dennoch zahlen die Österreicher lieber auf traditionelle Weise: über 80% der annähernd 1.000 Zahlungen, die jeder Haushalt jährlich tätigt, erfolgen immer noch in bar. Für Finanzdienstleister bietet sich damit im Zahlungsverkehr noch großes Wachstumspotential. Doch neue Regelwerke (SEPA, PSD) und Technologien verändern traditionelle Geschäftsmodelle und setzen die Banken unter Druck. Auch die Konkurrenz schläft nicht: Telekom- und Internetunternehmen stehen schon in den Startlöchern: Mit Erfolg, wenn man geschätzte Wachstumsraten von 70% bis 2014 bei den Mobile-Payment Transaktionen bedenkt. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Zahlungsverkehrsindustrie neue Geschäftsmodelle entwickeln, so die aktuelle Studie der Top-Management-Beratungsfirma A.T. Kearney.

So gut wie jeder Österreicher hat sie – die Bankkarte.  Die Hälfte aller Österreicher nutzt Plastikkarten zumindest wöchentlich als Zahlungsmittel an Geschäftskassen. Auch Online Banking  wird immer populärer:  Mehr als ein Drittel der Österreicher hat bereits Erfahrungen mit Shoppen und Zahlen im Internet gemacht.  Diese Perspektive täuscht aber, denn die österreichischen Haushalte sind, was das Bezahlen angeht, ziemlich konservativ und tätigen immer noch über 80% ihrer Zahlungen bar.
„Hier besteht für die Zahlungsverkehrsindustrie enormes Wachstumspotential“, erklärt Daniela Chikova, Prinzipalin bei A.T. Kearney und Co-Autorin der Studie. „Europaweit werden die bargeldlosen Zahlungen bis 2014 jährlich um fast 7% wachsen, in Österreich wahrscheinlich um bis zu 10%. Dann wird hierzulande die Kartenzahlung das dominierende Instrument für bargeldloses Bezahlen sein. Für die Banken gilt es keine Zeit zu verlieren, bestehende Paradigmen sind zu hinterfragen und neue Trends mit zu gestalten.“

Umsatzniveaus sinken beträchtlich

Der Zahlungsverkehr ist durch den intensiven Einsatz von IT und durch komplexe Prozesse ein kostenintensives Geschäft. In den vergangenen Jahren hat die Industrie daher auf den steigenden Profitdruck vor allem mit einem reagiert: Kostensenkung. Doch das neue Regelwerk – SEPA, PSD (Payment Services Directive) – verursacht noch zusätzliche Kosten. Außerdem werden durch geringere Margen die Umsätze der Banken angegriffen. „Die Konvergenz zwischen inländischen, europäischen und anderen internationalen Zahlungen wird die Banken dazu veranlassen, sich zum ersten Mal verstärkt mit den Kundenwünschen und mit neuen Umsatzmöglichkeiten bei bargeldlosen Transaktionen zu beschäftigen“, sagt Dr. Torsten Eistert, Principal bei A.T. Kearney und ebenfalls Co-Autor der Studie.

Was bringt die Zukunft des bargeldlosen Bezahlens?

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Zahlungsverkehrsdienstleister besonders auf die folgenden Entwicklungen achten:

Kundenorientierung ist ein Muss – Features statt Formate
„Immer zuerst an den Kundennutzen denken, nicht an die Technologie“ betont Eistert. „Eine funktionierende Infrastruktur bezüglich Standards, Geschwindigkeit und Sicherheit reicht heute nicht mehr aus. Man muss sich die Anforderungen der „Nutzer“ – Privatkunden wie Unternehmen – stärker ins Gedächtnis rufen. Diese interessieren sich hauptsächlich für Features, bequeme Services und umfassende Dienstleistungen, die über die Zahlung hinausgehen – kurz die „Convenience“ steht im Vordergrund.“ Beispiele für „neue“ Dienstleistungen, die diesen Ansprüchen gerecht werden, sind „Mobile Payments“, „e-invoicing“ oder der „self-checkout“ in Supermärkten.

Wachstum durch „Low-Value“ Zahlungen
Jede zweite Zahlung beträgt weniger als EUR 10 und ist somit eine sogenannte „Low-Value“ – Zahlung. Diese wird meistens bar getätigt. Hier liegen also noch große Potenziale brach – sowohl für Banken als auch für Regierungen. Letztere profitieren von einem Anstieg der bargeldlosen Transaktionen vor allem bei der Bekämpfung der Schattenwirtschaft, da manche Low-Value Transaktionen in bar ohne Quittung und ohne weiteres Reporting abgewickelt werden. Um diese Potenziale zu erschließen, sind allerdings Investitionen – vor allem in die Erhöhung der Akzeptanz und in die Infrastruktur des kontaktlosen Bezahlens – nötig. Terminals, Zusatzservices und attraktive Zahlungsmodalitäten sind Voraussetzungen für den Erfolg in diesem Segment.

Innovation
Technische Innovationen wie z. B. kontaktloses Bezahlen, Handy-Terminals oder Zahlen mit Fingerabdruck und neue Produktlösungen wie z.B. Multifunktionskarten ermöglichen den Konsumenten ein neues Einkaufserlebnis. Wichtig ist, dass  Innovation „gemeinsam“ mit dem Kunden stattfindet, denn es soll einzig und alleine darum gehen, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und die Kundenbedürfnisse optimal zu befriedigen.

Verschärfter Wettbewerb
Die Wettbewerbslandschaft verändert sich grundlegend und vor allem über das Internet auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Junge, innovative Unternehmen (wie z. B. PayPal) haben die Internetzahlung schnell als Marktnische erkannt und können speziellen Anforderungen bei Zahlungsverkehrstransaktionen oft besser gerecht werden als traditionelle Marktteilnehmer. Außerdem drängen Unternehmen aus der Internet- und Telekombranche mit großem Erfolg in profitable Segmente des Marktes wie Online-Spiele und Geschenkkarten. Banken müssen in ihrem eigenen Terrain mit verstärktem Wettbewerb rechnen und bestehende Kundenkenntnisse zu ihrem Vorteil nutzen.
„Grundsätzlich wird in Zukunft Funktionalität und Service für den direkten und indirekten Kundennutzen eindeutig wichtiger sein als der Zahlungsmechanismus oder die Kosten einer Transaktion. Egal wie die bargeldlose Zahlung aussehen wird, der Anbieter, der den Kundenbedarf versteht und durch Innovation und Kooperation neue Geschäftsfelder bearbeiten und neue Geschäftsmodelle entwickeln kann, wird die Nase vorne haben“, fasst Eistert zusammen.

Schreibe einen Kommentar