Unternehmer gelten als relativ beratungsresistent – wenn es um ihr persönliches Verhalten geht. Das sind sie aber nicht! Im Gegenteil! Sie sind meist offen für ein kritisches Feedback, wenn der Berater in ihren Augen ein ebenbürtiger Gesprächspartner ist.
Wer wird Unternehmer statt sich für das Angestelltendasein zu entscheiden? Darüber wurden viele wissenschaftliche Untersuchungen verfasst. Sie kommen zum Schluss: Wer freiwillig Unternehmer wird – und nicht etwa, weil der Vater schon Unternehmer war – verfügt über eine ganz spezielle persönliche Disposition.
Als eine zentrale Eigenschaft von Unternehmern wird deren Streben nach Unabhängigkeit gesehen. Für viele Selbstständige stellt das „Chef-sein“ einen Selbstwert dar. Ein weiterer Faktor, der Unternehmer auszeichnet, ist: Sie haben eine Vision. Sie wissen, was sie erreichen möchten – zumindest beruflich. Doch nicht nur dies! Sie sind zudem überzeugt: „Ich kann mein Ziel erreichen, wenn …“. Deshalb sind sie bereit, Risiken einzugehen. Zum Beispiel, eine sichere Festanstellung aufzugeben. Oder alles, was sie haben, in eine Idee zu investieren.
Credo: Von nichts, kommt nichts
Unternehmer wissen zudem: Von nichts, kommt nichts. Sie zeigen zumindest in der Aufbauphase ihrer Unternehmen einen deutlich höheren Einsatz als das Gros der Angestellten. 60 oder gar 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, erachten sie schlichtweg als normal. Ebenso selbstverständlich ist es für sie, in gewissen Lebensphasen auf Manches zu verzichten. Zum Beispiel sechs Wochen Urlaub pro Jahr.
Wegen dieser Persönlichkeitsmerkmale ist das Streben der meisten Unternehmer von Erfolg gekrönt – auch weil sie eine weitere Eigenschaft haben: Rückschläge werfen sie nicht um. Und wenn sich eine Entscheidung als falsch erweist? Dann versuchen sie ihr Ziel auf einem anderen Weg zu erreichen.
Ausgeprägtes Selbstbewusstsein
Aufgrund dieser persönlichen Eigenschaften, die sie immer wieder bewiesen haben, entwickeln die meisten Unternehmer im Laufe der Jahre ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Und sie sind stolz auf ihre Tat- und Entschlusskraft. Umgekehrt fällt es ihnen aber zuweilen schwer, bei Bedarf sich und anderen einzugestehen: „Ich benötige Rat und Hilfe“.
Relativ einfach fällt ihnen dies meist noch bei Fachfragen. Also zum Beispiel, wenn es darum geht: Welches IT-Programm führen wir ein? Anders sieht dies schon bei unternehmerischen Fragen aus. Zum Beispiel: Sollen wir expandieren oder nicht? Denn ein Teil ihres Selbstbilds ist: Ich kann mich schnell entscheiden. Deshalb erleben sie ein Zögern oft als persönliche Schwäche.
Probleme, eigene Grenzen zu akzeptieren
Am schwierigsten fällt es Unternehmern aber, Unterstützung bei Fragen einzuholen, bei denen sie ahnen: Die hängen auch mit mir und meinem Verhalten zusammen. Als Beispiel seien Problemstellungen genannt wie: Meine guten Leute verlassen meinen Betrieb oft nach kurzer Zeit. Oder: Es gelingt mir nicht, meinen Sohn oder meine Tochter als Nachfolger in den Betrieb zu integrieren. Eine zentrale Ursache hierfür ist: Als pragmatische Macher graust es ihnen vor solch „menschelnden“, sprich „emotionsgeladenen“ Themen.
Entsprechend selten wenden sich Unternehmer mit solchen Fragestellungen an Berater. Der Kontaktanlass stellt meist ein akutes betriebliches Problem dar. Der offizielle Anlass kann zum Beispiel lauten: „Wir finden nur schwer qualifizierte Mitarbeiter“ – obwohl der Firmeninhaber ahnt: Unser eigentliches Problem ist die hohe Mitarbeiterfluktuation. Und deren Ursache ist teilweise auch mein Verhalten.
Berater sollen selbst Unternehmer sein
Aufgrund ihres Selbstverständnisses akzeptieren Unternehmer zudem nicht jede Person als Berater. So schreiben sie zum Beispiel einer Person, deren Biografie weitgehend durch ein Angestelltendasein geprägt ist, in der Regel nicht die Kompetenz zu, sie zu beraten. Sie wollen, dass die berufliche Biografie ihres Beraters Parallelen zu ihrer eigenen Biografie aufweist. Denn nur bei einem solchen Berater gehen sie davon aus: Er kann meine Situation als Unternehmer nachvollziehen. Unternehmer wollen also in der Regel von Unternehmern beraten werden.
Die ersten Minuten sind entscheidend
Unternehmer wollen zudem, wenn sie ihrem Berater erstmals gegenüber sitzen, spüren: Diese Person tickt ähnlich wie ich. Sie ist ähnlich risikobereit wie ich. Oder: Sie ist ähnlich leistungsorientiert wie ich. Inwieweit dies zutrifft, testen gerade gestandene Unternehmer in den Erstkontakten gern. Abhängig davon, wie ihr Gegenüber bei diesen Machtspielchen reagiert, fällen sie dann für sich entweder das Urteil „Dampfplauderer, der mir nichts zu sagen hat“ oder „gleichwertiger Gesprächspartner, der mich unterstützen kann“.
Das heißt, meist werden bei den Erstgesprächen schon in den ersten fünf, zehn Minuten die Weichen dafür gestellt, ob eine Beratung stattfindet und wie erfolgreich diese ist. Gewinnen Unternehmer in dieser kurzen Zeitspanne den Eindruck „Diese Person hat mir etwas zu sagen“, dann sind sie in der Regel auch für ein kritisches Feedback offen. Denn als Unternehmer wollen sie ihre Wirksamkeit erhöhen. Also sind sie auch bereit, ihr Verhalten zu verändern, wenn ihr bisheriges Verhalten nicht zielführend war – selbst wenn sie das Sicheingestehen von persönlichen Verhaltensdefiziten schmerzt.
Dr. Georg Kraus
Zum Autor:
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist u.a. Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag, 3. Auflage 2010) sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.