Wie links muss Kirche sein?

Gastkommentar von Michael Hörl

Salzburg, 16.9.2012.

Im Rahmen des informellen Lehrplans schüren sie mit Propaganda-Filmen a la „Let`s make money“ die Wut der Jugend auf „das System“. Und kaum ein Kirchensaal, in dem Globalisierungskritiker noch nicht vor der Verschwörung von Kapital und Spekulanten warnen durften.

Wenn junge Menschen unser Schulsystem verlassen, dann sind sie zornig auf ein System – das sie persönlich gar nicht kennen. Es soll die Armut hierzulande und global verschlimmern – obwohl die mit Hartz IV beträchtlich abgesunken ist.

Der Anteil weltweit Hungernder sinkt nach FAO ohnedies schon seit vielen Jahren kontinuierlich – von 33% (1970) auf 16% (2011). Einzig beim Kauf „fair“ gehandelter Produkte sieht Kirche über unser sündiges, auf Gier und Materialismus aufgebautes Wirtschaftssystem hinweg.

Warum ist die Kirche konservativ, wenn es um alte Männerbräuche geht, aber weit links beim Thema Wirtschaft?

Katholizismus vs. Marxismus

Dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung von Menschen und Rohstofflieferanten fußt, behaupten Marxisten wie Theologen (aller Fraktionen).

Kein Wunder, unterliegen sie doch alle dem antiken General-Irrtum vom „Nullsummenspiel“: Jemand kann nur reicher werden, wenn dafür ein anderer ärmer wurde (Kommunist Brecht: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm!“) – in Summe wäre der Wohlstandszuwachs also immer Null.

Über 3000 Jahre lang traf dies auch zu, weil es mangels Erfindungen und Technik kein Wirtschaftswachstum gab. Die Weizenerträge stagnierten über Tausende Jahre hinweg bei 400 Kilo je Hektar. So konnte der Bauer seinen Gewinn nur mehren, wenn er eine Furche vom Nachbar-Acker auf die eigene Seite pflügte. Und was ein Kaufmann mehr haben wollte, musste er durch Betrug dem Kunden nehmen.

Diese unmenschliche und brutale Zeit hat die damaligen Gesellschaften – Judentum, Christentum und Islam – zutiefst geprägt. Alle drei kennen das Gleichnis vom Kamel:  „Eher käme dieses durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“.

Vor 2.000 Jahren einleuchtend: Da es kein Wachstum gab, musste der Reiche sein Geld ja jemandem gestohlen haben. Und so einen wollte man nicht in einer netten Gemeinschaft wie der im Himmel haben.

Seit 250 Jahren gibt es aber Wachstum satt: Heute erntet man 10.000 Kilo Weizen und eine Maschine produziert um 500.000% mehr als ein Handwerker im 18. Jahrhundert.

Wer heute Geld hat, der hat produziert: Wenn ein findiger Unternehmer aus Altmetall zehn neue Pumpen baut und sie um 100 Pfund verkauft, dann bemerkt die Notenbank das Wirtschaftswachstum. Sie druckt (vereinfacht gesagt) 100 Pfund und bringt sie über Beamtengehälter in Umlauf.

Eine Gesellschaft hat nun mehr Vermögen (in Form der Pumpen) und mehr Geldscheine. Die Rohstoffe der Lieferanten haben plötzlich einen Wert und Hungerleider ihre ersten Jobs. Alle wurden reicher – und niemand ärmer oder ausgebeutet.

Sag mir, wo die Armen sind!

Christentum wie Judentum (Marx entstammte einer Rabbinerfamilie) haben diese epochale Änderung unseres Daseins nie antizipiert. In ihrer antiken Gedankenwelt finden sie für den Massenwohlstand heute keine Erklärung, für jeden „Reichen“ suchen sie nach jemandem, der entsprechend ärmer wurde.

Und weil man den nicht findet, dreht man an den Zahlen. Man erklärt Familien mit 2.165 Euro monatlich als „armutsgefährdet“. Und weil man „wirklich Arme“ erst in Afrika findet, reimt sich der internationale Caritas-Chef, Kardinal Maradiaga, hier ein Verteilungsproblem zusammen: „Die da unten hungern, weil wir hier zu viel haben“. Doch liegt das Problem ganz wo anders.

Ehemals sozialistische Länder wie China, Indien oder Vietnam waren in den 1970igern mit 250 Dollar BIP/Ew. viel ärmer als etwa die Elfenbeinküste mit 1.000 Dollar.

Den materialistischen und technikverliebten Gesellschaften Asiens war es aber immer klar, dass nur die Produktion von Gütern Wohlstand schafft. Als man dies dann durfte, gründeten Millionen Asiaten über Nacht Produktionsbetriebe.

Heute kochen unzählige Vietnamesen Schokolade und rösten Kaffee mit primitivsten Mitteln. Dabei gab es dort vor 15 Jahren noch nicht einmal Kaffeeanbau. In (West-)Afrika hingegen hat sich auch bis heute noch niemand gefunden, der mit einer 5-Dollar-Pfanne Kaffeebohnen rösten oder Schokolade schmelzen will.

Heute produziert ein Vietnamese Güter für 1.500 Dollar, ein Bewohner der Elfenbeinküste aber immer noch nur für 1.000 Dollar.

Vietnam ist aber nicht auf Kosten der Elfenbeinküste gewachsen – seine Menschen haben nur produziert. Und weil es in Afrika aber nie Erfinder oder Unternehmer gab, gibt es dort auch keine Güter. Damit kann Afrika am Welthandel nicht teilnehmen und es bleibt arm.

Gebt den Armen …Eure Eigenjagden!

Arbeitsloses Einkommen sei verwerflich, meint Salzburgs Caritas-Chef Kreuzeder, für den Münchener Bischof Marx gibt es bei den Vermögen eine große Schieflage. Dabei ist die Kirche die vermögendste Organisation in Österreich oder Bayern. Tausende Mietshäuser oder Wohnungen in besten Innenstadtlagen, Firmenanteile, Hunderttausende Hektar Grundbesitz – ja, ganze Täler mitsamt Eigenjagd für eine klerikale Jagdelite – sind Milliarden Euro wert.

„Leere Kirchen – volle Kassen!“, titelte der Deutschlandfunk einmal. Von einem erdrutschartigen Verlust von Gläubigen gelähmt, klammert sich die Rumpf-Kirche verzweifelt an den Grashalm einer Wertediskussion, die eine über fünf Jahrzehnte frei von Wirtschaftswissen gehaltene Gesellschaft weit nach links schwenken hat lassen.

In Wahrheit braucht nicht die Gesellschaft, sondern die Kirche eine Wertediskussion. Beide, Kirche wie Marxisten, lehnen Kapitalismus aus den gleichen Gründen ab (Pax Christi ist sogar Mitglied bei Attac). Nur ist der Marxismus hier bei weitem konsequenter: Was er nicht versteht, will er zerstören. Die Katholiken belassen es beim Klagen – leben sie doch viel zu gut vom inkriminierten System. Wie glaubwürdig ist eine Kirche aber, die für „andere“ Menschen höhere Steuern fordert, wobei diese aber nicht einmal über den Bruchteil des Vermögens der Kirche verfügen.

Die Kirche sollte entweder ihren salbungsvollen Worten Taten folgen lassen und ihre Milliarden mit „vermeintlich Armen“ teilen. Dann wäre sie glaubwürdiger – und für neue Mitglieder attraktiv. Oder sie sollte das theologische Studium um wirtschaftswissenschaftliche Elemente ergänzen – und ihren eignen Wertehaushalt ordnen.

 

 

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Österreich. Vor kurzem erschien sein neuestes Werk, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist eine Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen Christian Felbers (von Attac) oder Jean Ziegler.

Rückfragen: Michael Hörl, www.michaelhoerl.at, 0043 699 15 09 18 52

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