Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben als Anwältin für die Weltbank gearbeitet. Nun werfen Sie dieser als Whistle-Blower massives Fehlverhalten vor. Was stimmt nicht mit der Weltbank?
Karen Hudes: Bei der Weltbank ist dasselbe passiert wie beim Energieriesen Enron. Der Konzern ist wegen massiver Bilanz-Manipulationen am Ende kollabiert. Die Weltbank hat an den Kapitalmärkten mehr als 180 Milliarden Dollar in Anleihen ausgegeben, doch ihre Bilanzen sind nicht korrekt. Dem US-Kongress ist es nicht gelungen, dieses Problem zu lösen. Dabei war dieses Problem seit 2005 bekannt – als es erstmals durch das Joint Economic Committee aufgezeigt wurde.
Ich habe meine beruflichen Pflichten als Anwalt der Weltbank erfüllt, um die Weltbank in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften zu bringen.
Ich war von 1986 bis 2007 oberste Beraterin in der Rechtsabteilung der Weltbank. Am 25. Mai 2011 sagte ich bei einer Anhörung vor dem Ausschuss des Europäischen Parlaments für Haushaltskontrolle und Whistleblowing aus. Die Rechtsabteilung des Europäischen Parlaments empfahl, dass das Europäische Parlament die Weltbank über das brisante Material informieren solle. Alle Mitglieder des Parlaments, die an der Anhörung teilnahmen, sollten diese Chronologie des Versagens der Kontrolle der Weltbank erhalten.
Doch statt zu kontrollieren, haben sich die Amerikaner plötzlich das Privatleben zweier Aufdecker vorgenommen: Betroffen waren die Vertreter der Niederlande im Direktorium der Weltbank, Wijffels und Melkert. Ihr Privatleben wurde untersucht, um diplomatische Druckmittel zu erhalten. Andere Exekutivdirektoren der Weltbank wurden auf ähnliche Weise eingeschüchtert, so Wijffels. Wijffels war erzürnt über das „Wühlen“ in seiner Vergangenheit.
Herman Wijffels hat bei der Weltbank den Ausschuss geleitet, der sich mit einem besonders krassen Fall von Nepotismus an der Spitze der Weltbank beschäftigte.
Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz musste nach Wijffels‘ Untersuchungen zurücktreten. Wolfowitz hatte seiner Freundin, die auch für die Bank arbeitete, eine sehr markante Gehaltserhöhung verschafft.
Nach Angaben von Wijffels versuchten „Dritte“, Angelegenheiten aus seiner Vergangenheit an die Oberfläche zu bringen, die ihn diskreditieren könnten. Wijffels sagte, dass das Weiße Haus eine große Rolle im Kampf um die Führung bei der Weltbank gespielt habe: „In meinem Fall war nichts zu finden, doch meine Kollegen im Direktorium der Weltbank waren bestürzt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie arbeiten die großen internationalen Organisationen zusammen – die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds?
Karen Hudes: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist die älteste internationale Finanzorganisation. Sie wurde 1930 von den Zentralbanken Belgiens, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Japans und der Vereinigten Staaten gegründet, um Deutschlands Reparationszahlung aus dem Ersten Weltkrieg zu verwalten. Heute besteht die BIZ aus den Zentralbanken von 60 Staaten und konzentriert sich auf zwei Hauptziele: internationale geldpolitische und finanzielle Zusammenarbeit, und geldpolitische und finanzielle Stabilität.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds teilen denselben Gouverneursrat aus 188 Mitgliedsstaaten. Der ursprüngliche Zweck der Weltbank bestand darin, den Wiederaufbau des kriegszerstörten Europas zu finanzieren. Nachdem dies erreicht war, wurde die Weltbank der primäre Geldgeber für Entwicklungsprojekte.
Der Zweck des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestand darin, den Zugang zu den internationalen Währungsreserven innerhalb des Systems der Nennbeträge (gesetzter Goldwert der Währung jedes Mitglieds), den Umtausch der Währungen der Mitglieder und feste und variable Wechselkurse bereitzustellen.
Während der Finanzkrise arbeitet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit dem Internationalen Währungsfonds zusammen, um die Geld- und Finanzmärkte zu stabilisieren. Der Internationalen Währungsfonds verhandelt mit den Regierungen über die Bedingungen und stellt langfristige Kredite zur Verfügung. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich koordiniert die Finanzierung durch die Zentralbanken und beaufsichtigt das Bankensystem der Nationen. Es ist ein engmaschiges Geflecht – bei dem sich alle Beteiligten selbst kontrollieren.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Diese Institutionen versuchen mit allen Mitteln, das Fiat-Geldsystem zu erhalten. Wird ihnen das gelingen?
Karen Hudes: Es wäre gut, wenn es ihnen nicht gelingt. In den frühen 60er Jahren wurde der feste Dollarwert gegenüber Gold als überbewertet angesehen. Erhöhte Staatsausgaben für Konjunktur-Programme und die Militärausgaben im Vietnamkrieg verschlechterten die Überbewertung des Dollars weiter. Im Jahr 1971 informierten die USA den Internationalen Währungsfonds darüber, dass sie kein Gold mehr kaufen oder verkaufen, um internationale Überweisungen auszugleichen.
Dies führte 1973 zu der Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinigten Staaten, einen gemeinsamen Wechselkurs der europäischen Währungen gegenüber dem US-Dollar einzuführen. Dennoch behielt der US-Dollar seine Rolle als „internationales Geld“. Die Rolle des IWF wurde weniger gut definiert, doch im Prinzip wandelte sie sich zu einer Rolle der Aufsicht und der Währungsstützung, indem sie eine stabile Verbindung zwischen den großen Währungen aufrechterhielt.
Das Bankensystem steht unter enormem Stress, da es die Risiken einer andauernden Backwardation erfahren hat: Diese tritt ein, wenn alle Gebote, Gold für Dollar zu verkaufen, zurückgezogen werden – unabhängig davon, welchen Preis die Käufer zu zahlen bereit sind. Die Goldbasis – der Unterschied zwischen Terminpreisen in naher Zukunft und dem Gold-Spotpreis – wurde negativ. Dies zeigt einen Mangel an lieferbarem Gold und das Horten von Gold an.
Ohne die Wiederherstellung des Vertrauens in die internationalen Währungen beginnt auf diese Weise eine Kettenreaktion, die zum Tauschhandel führt und einer Reihe von Pleiten, unvorstellbar hoher Arbeitslosigkeit und einem Mangel an Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten.
Dies kann zu Hungersnöten, Seuchen und einem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung führen. Wenn der Wert der US-Staatsanleihen fällt, wird die Federal Reserve nicht in der Lage sein, genug Anleihen zu kaufen, um den Zusammenbruch des Fiat-Dollars aufzuhalten. Die Geldreserven der Weltwährung werden ausgelöscht, was die größte Zerstörung von Finanzwerten in der gesamten Geschichte sein wird. Viel hängt davon ab, wie das Bankensystem sich halten wird, während die neue Gold-Strategie umgesetzt wird.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wird die Krise enden? Gibt es eine Lösung ohne einen Crash?
Karen Hudes: Es gibt ganz sicherlich eine Lösung ohne einen Crash: Die Rückkehr zu Recht und Gesetz (rule of law). Die Wahrscheinlichkeit beträgt 95 Prozent, dass die Vertuschung der Korruption, über die ich seit 2000 berichtet habe, aufgebrochen werden wird.
Diese Vorhersage gründe ich auf ein Modell der Spieltheorie in der Politikwissenschaft.
Dieses Modell sagte 2004 voraus, dass die USA das ungeschriebene Privileg verlieren werden, den Präsidenten der Weltbank zu nominieren, und dass die NATO aufgelöst wird, wenn die USA die von der Federal Reserve ausgehende Korruption nicht beenden. Nach dem Modell der Spieltheorie müssen die Vereinigten Staaten sich weiter mit der EU verbünden und versuchen, Russland in die Koalition einzubinden. Ich weiß, dass diese mathematische Theorie im Verteidigungsministerium sehr ernst genommen wird.
Einseitige Aktionen der Vereinigten Staaten, ob im Irak oder in Syrien oder die unwillkommene Überwachung der Verbündeten, untergraben die westliche Allianz und stärken die Staaten in Asien, wie Jacek Kugler, Ron Tammen und Brian Efird hier bewiesen haben.
Wenn die Weltbank nicht ordentlich geführt wird, ist dies ein Sicherheitsrisiko für die Weltordnung. Und die Spieltheorie hat Recht behalten: Im Jahr 2010 verloren die USA den Vorsitz in der Weltbank.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben als Whistleblowerin die Weltbank erfolgreich gezwungen, Sie wieder anzustellen. Aber der Sicherheitsdienst der Bank hat Ihre Wiederbeschäftigung verhindert…
Karen Hudes: Ich kaufte eine Weltbank-Anleihe. Damit erhielt ich das Recht auf sachlich richtige Bilanzen der Weltbank. Daraufhin schloss der Gouverneursrat der Weltbank mit mir einen Vergleich. Doch meine Rechte als Mitarbeiterin der Weltbank wurden von der Sicherheits-Firma der Weltbank ausgehebelt: Die Firma Allied Barton, die zu demselben „Supergebilde“ wie die Fed gehört, verweigerte mir die Ausstellung eines Sicherheits-Ausweises. Der US- Generalbundesanwalt Eric Holder klagte mich wegen kriminellen Hausfriedensbruchs an, nachdem ich mich am 13. Mai 2013 bei der Weltbank zur Arbeit meldete. Das Washingtoner Kammergericht wies die Anklage wegen Hausfriedensbruchs am 19. Juli 2013 ab.