Karrierefalle „unklare Projektaufträge“

Viele Projekte nehmen nicht den (vom Auftraggeber) gewünschten Verlauf, weil die Beteiligten zu Beginn nicht sauber klären: Was ist der konkrete Auftrag? Und: Welche Ziele sollen erreicht werden?

Montagmorgen, bei einem mittelständischen Maschinenbauer. Der Leiter der Konstruktionsabteilung Meier trifft Geschäftsführer Huber im Foyer. Huber sagt zu Meier: „Gut, dass ich Sie treffe. Am Wochenende hatte ich eine Idee für ein neues Produkt, das…. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie…. doch wir sollten da was entwickeln. Bitte kümmern Sie sich darum, dass ….“ Danach verschwindet Geschäftsführer Huber in seinem Büro. Und Maschinenbauingenieur Meier? Er engagiert sich nach dem Gespräch sogleich pflichtgewusst für ein qualifiziertes Projektteam und nach einigem Hin und Her hat er es auch zusammen. Schließlich kam der Arbeitsauftrag ja von ganz oben.

 

Das neu formierte Team startet seine Arbeit lehrbuchmäßig mit einem Projekt-Kick-Off, in dem es erste grobe Meilensteine der Produktentwicklung diskutiert. Danach beginnt das Team das Thema zu bearbeiten. Gemeinsam versuchen die Beteiligten umzusetzen, was Herr Meier in dem kurzen Gespräch mit dem Geschäftsführer im Foyer verstand. So richtig begriffen, was es zu tun gilt, hat er zwar nicht – also kann er dies auch nicht seine Kollegen sagen. Doch dumme Fragen stellt man in solchen Situationen dem „Chef“ nicht, und schon gar nicht äußert man Zweifel – zum Beispiel bezüglich der Machbarkeit.

 

Drei Monate später. Der anfängliche Elan ist mittlerweile einer allgemeinen Lustlosigkeit und tiefen Frustration gewichen. Denn das Projekt schreitet nicht wie erhofft voran. Und trotz lehrbuchmäßigem Vorgehen werden die gewünschten Ergebnisse nicht erzielt. Zumindest signalisiert dies die Geschäftsleitung Projektleiter Meier immer wieder.

 

 

Nicht vorschnell ja sagen

 

Solche Prozesse beobachtet man in Unternehmen regelmäßig. Immer wieder werfen in ihnen Auftraggeber irgendwelche Projekte als erste Idee über den Zaun. Und häufig fängt ein noch unerfahrener Projektleiter die nebulöse Projektwolke auf und legt, ohne nachzufragen, los. Die Folge: Er wird fortan seines (Projekt-)Lebens nicht mehr froh – unter anderem weil seinem Auftraggeber die präsentierten Lösungsideen oder bereits umgesetzten Lösungen nie zusagen. „So hatte ich mir das nicht vorgestellt …“

 

Deshalb gilt vor einem offiziellen Projektbeginn und der Übernahme einer Projektleiterfunktion die Maxime: Kein Projektstart ohne ausführliche Ziel- und Auftragsklärung. Denn für ein Schiff, das seinen Zielhafen nicht kennt, weht kein Wind günstig und ist keine Route richtig. Nachfolgend einige Tipps, wie Sie solche Pannen vermeiden, wenn Ihnen ein Projektauftrag erteilt wird.

 

  1. Bitten Sie Ihren Auftraggeber um ein Auftragsklärungsgespräch.

Nehmen Sie keinen Auftrag zwischen Tür und Angel an. Bestehen Sie auf ein ausführliches persönliches Gespräch mit Ihrem Auftraggeber, in dem er ihnen seine Ideen und Vorstellungen erläutert.

  1. Lassen Sie sich die Hintergründe und Auslöser schildern.

In dem persönlichen Gespräch sollten Sie auch die Beweggründe für das geplante Projekt sowie den Kontext, in dem es steht, erkunden. Denn so erhalten Sie wichtige Infos über die Rahmenbedingungen und mögliche externe Einflussfaktoren.

  1. Definieren Sie mit dem Auftraggeber messbare Ziele.

Ein Projekt ist erst beendet, wenn die Projektziele erreicht sind und der Auftraggeber den Projektleiter von seinen Aufgaben entbindet. Also ist es nötig, zu Beginn die Ziele zu definieren – auch damit Sie wissen, was von Ihnen konkret erwartet wird. Achten Sie auf eindeutige und messbare Zieldefinitionen. Denn nur dann kann am Ende überprüft werden, ob Sie die Ziele erreicht haben.

  1. Legen Sie gemeinsam fest, was nicht zum Projekt gehört.

Mindestens ebenso wichtig wie die Projektzieldefinition ist eine detaillierte Absprache darüber: Was ist nicht Inhalt und Ziel des Projekts? Was sind seine „Grenzen“?

  1. Dokumentieren Sie das Vorhaben in einem Projektideensteckbrief.

Wer schreibt, der bleibt! Diese Regel gilt auch in Projekten. Halten Sie die unter 1. bis 4. diskutierten Ergebnisse fest. Dies hilft Ihnen zu „checken“, ob Sie alle wichtigen Infos haben. Außerdem ist dies eine einfache Methode, um mit dem Auftraggeber zu prüfen, ob Sie den Auftrag wirklich verstanden haben. Lassen Sie sich den Projektideensteckbrief oder das Antragsformular vom Auftraggeber unterschreiben. So versichern beide Seiten, dass sie zu den festgehaltenen Infos stehen.

  1. Legen Sie regelmäßige Abstimmungsrunden mit dem Auftraggeber fest.

Änderungen und neue Erkenntnisse sind in Projekten an der Tagesordnung. Entsprechend oft „veralten“ die im Projektideensteckbrief oder -antragsformular ursprünglich gesammelten Informationen und ist eine Aktualisierung nötig. Sorgen Sie deshalb dafür, dass Sie auch nach dem Initialgespräch in enger persönlicher Abstimmung mit Ihrem Auftraggeber sind, um Missverständnisse zu vermeiden.

 

Erst wenn die oben genannten Punkte „abgehakt“ sind, sollten Sie sich solchen Themen wie dem Erstellen einer Risikoanalyse und Machbarkeitsstudie oder dem Planen des Projekt-Kick-Offs zuwenden.

 

Und noch ein Tipp: Beherzigen Sie die obigen Tipps auch aus Eigeninteresse. Denn wenn ein von Ihnen geleitetes Projekt nicht den von den Auftragsgebern erhofften Verlauf nimmt, sagt niemand am Schluss: „Das Projekt fuhr an die Wand, weil wir zu Beginn den Auftrag und die Ziele nicht sauber geklärt haben.“ Nein, es wird heißen: „Der Müller (oder die Wagner) hat einen schlechten Job gemacht.“

Dr. Georg Kraus

 

Zum Autor: Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (Tel. 07251/989034; Mail: info@kraus-und-partner.de; Internet: www.kraus-und-partner.de). Er ist Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag) sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher.

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