Beziehungsmanagement: Kunden honorieren echtes Interesse und Ehrlichkeit

Artikel von Claudia Schönrock

Viele (Dienstleistungs-)Unternehmen – wie Banken und Versicherungen, aber auch Handels- und Beratungsunternehmen – wissen nicht, was ihre Kunden wirklich wollen. Deshalb überschütten sie diese häufig mit „Kundenbindungsinstrumenten“. Und übersehen dabei, dass dies ihre Kunden zuweilen eher verärgert als erfreut.

Vor einigen Monaten legte Mirko Blöker*, Inhaber einer IT-Beratung, 30 000 Euro im Geldmarktfonds einer Bank an. Sein Kundenberater versprach ihm: „In einer Woche ist die Bestätigung in Ihrem Briefkasten“. Doch Blöker schaute vergebens nach. Deshalb rief er nach zwei Wochen den Bankangestellten an. Der versprach ihm: „Übermorgen haben Sie die Bestätigung.“

Zwei Tage später fand Blöker tatsächlich Post in seinem Briefkasten. Es war aber nicht die gewünschte Bestätigung, sondern das Kundenmagazin des Geldmarktfonds. Erfreut war der Freiberufler über diese „Serviceleistung“ nicht. Verärgert rief er vielmehr bei der Bankfiliale an, sie solle ihm endlich die gewünschte Bestätigung schicken statt seinen Briefkasten mit „Werbematerial“ zu verstopfen.

Gefühl: „Die nehmen mich nicht ernst“

Ähnlich reagieren Kunden oft, wenn sie unaufgefordert mit sogenannten „Kundenbindungsinstrumenten“ beglückt werden – zumindest dann, wenn sie mit dem „Kernprodukt“ des Unternehmens unzufrieden sind. Dann denken sie: Die sollten mir lieber eine ordentliche Leistung bieten statt ihr Geld mit solchem Nonsens zu verschwenden.

Diesen Zusammenhang bedenken viele Unternehmen nicht. Sie überschütten ihre Kunden heute vielfach mit Kundenbindungsinstrumenten wie Kundenmagazinen, Infolettern und Bonus-Cards, wie sie es früher mit Prospekten taten. Und überrascht stellen sie nach einiger Zeit zuweilen fest, dass diese „Serviceleistungen“ bei den Kunden mehr Verärgerung als Freude erzeugen. Der Grund: Die Unternehmen setzen besagte Instrumente oft ein, um mit ihren Kunden den Kontakt zu halten und diese an sich zu binden, ohne vorab deren Bedürfnisse eruiert zu haben. Das erzeugt bei Kunden das Gefühl: „Die nehmen mich und meine Bedürfnisse nicht ernst.“

Dieses Gefühl haben Kunden häufig im Umgang mit Unternehmen. Denn viele schlossen in den zurückliegenden Jahren (Service-)Niederlassungen. Außerdem reduzierten sie die Zahl ihrer Servicemitarbeiter. Stattdessen richteten sie telefonische und elektronische Hotlines ein. Oder sie ersetzten wie die Banken Menschen durch Automaten. Dadurch gingen persönliche Kontaktpunkte verloren, woraus für viele Unternehmen die Frage erwächst: An welchen Stellen bauen wir nun eine (persönliche) Beziehung zu unseren Kunden auf? Und: Wo hat der Kunde persönliche Anlaufpunkte, um den vom Marketing proklamierten Service auch zu erfahren?

Eindruck: „Die interessieren sich nicht für mich“

Bei „Altkunden“ erweckt ein Reduzieren der Kontaktpunkte vielfach den Eindruck: Die interessieren sich nicht mehr für mich. Denn im Alltag sammeln sie die Erfahrung: „Wenn ich früher ein Problem hatte, konnte ich mich an eine Serviceniederlassung wenden, wo ich einen persönlichen Ansprechpartner hatte. Heute hingegen kann ich nur noch mit einem anonymen Callcenter telefonieren.“ Besser betreut fühlen die Kunden sich hierdurch nicht, weshalb sie auch schneller zu einem Anbieterwechsel bereit sind. Oder anders formuliert: Die Kundenbindung lässt nach.

Viele Unternehmen haben nicht ausreichend reflektiert: Unter welchen Voraussetzungen baut ein Kunde eine persönliche und emotionale Nähe zu einem Unternehmen auf? Zunächst gilt: Der Kunde muss mit dem, was aus seiner Sicht das Kernprodukt beziehungsweise die Kernleistung des Unternehmens ist, voll zufrieden sein. Also sollten sich Unternehmen, bevor sie Kunden mit Kundenbindungsinstrumenten „beglücken“, zunächst fragen: Ist der Kunde mit unserem Kernprodukt zufrieden und bekommt er den Service, den er erwartet? Dies lässt sich unter anderem im persönlichen Gespräch oder per Telefon erfragen.

Wenn das Kernprodukt stimmt, kann das Unternehmen über weitere Maßnahmen zur Kundenbeziehung nachdenken. Dabei lautet die goldene Regel wie beim Networking: Eine Hand wäscht die andere! Ich darf nicht mehr fordern, als ich selbst bereit bin zu geben. Und: Das Unternehmen muss den ersten Schritt tun und in die Kundenbeziehung investieren – beispielsweise um zu erfahren, welchen Mehrwert es dem Kunden über das Kernprodukt hinaus bieten kann. Das heißt: Zunächst gilt es  herauszufinden, was den Kunden bewegt und welche Themen ihn interessieren. Denn erst dann ist es möglich, ihn gezielt und individuell anzusprechen oder anzuschreiben.

Beziehung erwächst aus persönlichem Kontakt

Generell gilt: Standardisierte Kontaktmaßnahmen wie Massenmailings können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. „Make yourself available“, lautet die oberste Maxime bei der Kundenbindung. Das heißt: Die Kunden müssen einen persönlichen Ansprechpartner haben. Und dieser muss sich zeigen. So nützt zum Beispiel die beste Kundenveranstaltung nichts, wenn nicht die Berater vor Ort sind, die zum Kunden bereits eine persönliche Beziehung aufgebaut haben. „Make yourself available“ bedeutet erreichbar sein, die Augen und Ohren offen halten und sehen, was den Kunden gerade umtreibt und an welcher Stellen ihm das Unternehmen beziehungsweise sein „Repräsentant“ einen Mehrwert liefern kann. Das kann auch mal ein privater Restauranttipp sein oder die Empfehlung einer guten Veranstaltung.

Viele Unternehmen fahren seit Jahren eine Kostenführerstrategie, um den Kunden finanziell Top-Konditionen zu bieten. Entsprechend ausgedünnt ist ihr Netz an Servicestellen sowie ihre Personaldecke in den kundennahen Bereichen. Deshalb lautet eine Kernfrage für sie: Wie können wir dafür sorgen, dass wir genügend Mitarbeiter für die Kontakt- und Beziehungspflege haben, ohne dass uns die Kosten aus dem Ruder laufen? Diesen Spagat gilt es zu meistern, wenn Kunden emotional an das Unternehmen gebunden werden sollen.

Dialogmarketingexperten raten zur Lösung dieses Dilemmas oft: „Schicken Sie Ihren Kunden regelmäßig einen Newsletter oder ein Kundenmagazin. Denn dieses Marketinginstrument bietet Ihnen“, wie ein Vertreter der Zunft in einer Fachzeitschrift für Verkäufer jüngst schwärmte, „zahlreiche Dialogmöglichkeiten“: In die Magazine lassen sich „als direkte Response-Elemente unter anderem Fax-Antworten, Tip-On-Cards, Bestellcoupons oder Einladungen einbauen. Durch Leserbriefe, eine Kunden-Börse, Kundenportraits, Produkttests oder Artikelserien werden zudem regelmäßig Kontakt- und Dialoganlässe geschaffen.“ Dieser Auflistung muss entgegengehalten werden: Alle genannten Dialogmöglichkeiten sind unpersönliche. Sie gleichen nicht den Mangel an persönlicher Betreuung und Beratung aus.

Erst der Mensch – dann das Produkt

Denn für alle Kunden gilt: Sie sind Menschen. Das heißt sie wollen als Person wahrgenommen und ernst genommen werden. Theodore Roosevelt sagte einmal: „People don’t care how much you know until they know how much you care.” Dieses Zitat drückt aus, welche Einstellung ein Unternehmen, aber auch Verkäufer braucht, um ein gutes Beziehungsmanagement zu betreiben. Erst der Mensch, dann das Thema. Denn Kunden haben ein feines Gespür dafür, ob Unternehmen oder Verkäufer ein echtes Interesse für sie haben oder nur Interesse heucheln, um einen Abschluss zu erzielen.

Deshalb der Hinweis: Nichts bindet Kunden stärker als persönlicher Kontakt und das Gefühl „Ich werde mit meinen Bedürfnissen wahr- und ernstgenommen“. Oder anders formuliert: Kunden honorieren Ehrlichkeit. Sie spüren genau, welches Unternehmen bemüht sich ernsthaft, mir einen Nutzen zu bieten und seine Versprechen einzuhalten, und welches versucht, mich mit Kundenmagazinen und Bonuskarten abzuspeisen.

Überlegen Sie deshalb als Marketing- oder Vertriebsverantwortlicher: Welche Kundenbindungsinstrumente sind für unsere Kunden glaubhaft? Ein Beispiel: Schickt der Serviceleiter eines Autohändlers, bei dem ein Kunde seit Jahren sein Auto warten lässt, diesem zum Geburtstag eine Glückwunschkarte, dann ist dies glaubhaft. Und der Kunde freut sich eventuell sogar darüber – wenn er im persönlichen Kontakt mit dem Serviceleiter die Erfahrung sammelte: Das ist ein netter Kerl, der sich immer bemüht, mir …

Verschickt hingegen die Konzernzentrale des Autoherstellers solche Karten, ist dies unglaubwürdig. Dann denken viele Empfänger: Spinnen die? Halten die mich für so vereinsamt, dass ich mich freue, wenn sie mir ein von einem Schreibautomaten unterschriebenes Kärtchen senden? Denn hier besteht keine Beziehung von Mensch zu Mensch.

Kunden sind Menschen und keine „Cashcows“

Deshalb erneut der Hinweis: Kunden honorieren Ehrlichkeit. Sie spüren genau, ob ein Unternehmen Interesse heuchelt oder sich ernsthaft für sie interessiert. Und nur zu Letzteren entwickeln sie Vertrauen. Um dieses Vertrauen aufzubauen, benötigen Unternehmen keine komplexen Kundenbindungssysteme. Viel effektiver ist es, sich schlicht zu fragen: Was wollen unsere Kunden wirklich?

Ein Beispiel. Der Inhaber eines Hamburger Modehauses ruft regelmäßig, wenn bei ihm neue Ware eintrifft, bei den Stammkunden an, deren Geschmack er kennt. Er sagt zu ihnen zum Beispiel: „Herr Mayer, bei mir ist eine Lederjacke eingetroffen, die Ihnen gefallen könnte. Soll ich sie Ihnen zurücklegen?“ Dass er hiermit auch eine Verkaufsabsicht verbindet, stört die Kunden nicht. Sie haben vielmehr das Gefühl „Ich werde als Person wahrgenommen“ und „Da macht sich jemand Gedanken, wie er mir einen Nutzen bieten kann“.

Ähnlich könnten auch andere Unternehmen verfahren. Hierfür müssten sie aber ein echtes Interesse am Kunden als Person haben. Er darf nicht nur als „Cashcow“ gesehen werden. Und genau hier liegt das Problem. Viele Unternehmen sammeln über ihre Kunden zwar viele Daten, aber kaum Informationen. Deshalb ist und bleibt der Kunde für sie eine anonyme Nummer. Das spürt der Kunde. Also baut er zu ihnen keine Beziehung auf.

Zum Autor: Claudia Schönrock ist Beraterin, Trainerin und Coach beim Institut für Salesmanagement (Tel.: 0261/962 3641; Mail: info@ifsm-online.com; Homepage: http://www.ifsm-online.com), das unter anderem die Verkaufsmitarbeiter von Unternehmen trainiert und zertifizierte Sales Coachs ausbildet.

Beziehungsmanagement beginnt beim „ICH“: 6 Regeln für das Kundenbeziehungsmanagement

  • Ich beweise Zuverlässigkeit gegenüber meinen Kunden.
  • Ich sorge dafür, dass das Kernprodukt und der dazugehörige Service qualitativ hochwertig sind.
  • Ich betreibe aktiv Networking und bin da, wo meine Kunden sind.
  • Ich erfrage die Bedürfnisse und Wünsche meiner Kunden, um zu wissen, welche Themen für sie relevant und welcher Kontaktweg für sie passend ist.
  • Ich bringe Wissenswertes zum Kunden und versuche ihm einen Mehrwert zu bieten.
  • Ich bleibe als Person authentisch und ehrlich und bleibe dadurch positiv in Erinnerung.

 

  1 comment for “Beziehungsmanagement: Kunden honorieren echtes Interesse und Ehrlichkeit

Schreibe einen Kommentar