Die Welt der Assekuranz befindet sich im Umbruch. Die digitale Transformation verändert die Spielregeln der Branche und zwingt Versicherer zum Umdenken. Wie denkt der moderne Kunde? Darüber wurde im ersten Innovationslabor von Simon-Kucher diskutiert.
Impulse aufwerfen und sich von alten Denkmustern lösen stand im Mittelpunkt der ersten Ausgabe des Innovationslabors CREATE! der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners, das vergangenen Dienstag in den Kreativräumen des „New Yorker“ in Köln stattfand.
In kreativen Übungen und Diskussionsrunden beschäftigten sich die Teilnehmer und Simon-Kucher Experten mit dem Thema „Zukunft proaktiv gestaltet: Versicherungen aus Perspektive des modernen Kunden“. Dabei trugen neue, interaktive Teamarbeitsmethoden dazu bei, dass bestehende Denkmuster gelöst werden konnten. In einem waren sich alle Teilnehmer einig: Vieles wurde in den Häusern im Zuge der digitalen Transformation bereits angestoßen. Nun folgt die Phase der Konkretisierung und des Realismus. „Die Unsicherheit in der Branche ist groß, denn die meisten digitalen Aktivitäten haben noch nicht zu Wachstum geführt. Viele fragen sich, wie die nächsten Schritte aussehen müssen“, so Dr. Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner bei Simon-Kucher und Leiter der globalen Insurance Practice.
Einen Überblick über den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere im Verkauf, gab Frank Gehrig, Partner bei Simon-Kucher, in seinem Impulsvortrag. Aus anderen Branchen, wie z.B. der Unterhaltungsindustrie (Netflix), ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz in Form von automatischer Nutzerdaten-Auswertung und Erstellung von persönlichen Empfehlungen durch Algorithmen bereits nicht mehr wegzudenken. Und auch in der Assekuranz steigern Personalisierung, individuell-passende Produktvoreinstellungen, Argumentation und Visualisierungen die Kaufwahrscheinlichkeit. Datengetriebene Konzepte sind deshalb sofort umzusetzen. Ein KI-Feuerwerk braucht dafür aber nicht gezündet zu werden. „Wir haben keine 6.000 Filme und Serien im Schrank stehen“, so Gehrig. Vielmehr sollten einige dringende Hausaufgaben erledigt werden. „Wenn selbst beste Leads, wie die gerade erwachsenen Kinder von Eltern mit drei Verträgen nicht angesprochen werden, wenn Apps gebaut werden, die kaum runtergeladen und noch weniger genutzt werden, wenn Spartensilos auf Kundenrealität treffen, dann sind das riesige, tiefsitzende Probleme.“ Laut Gehrig hilft hier keine KI, sondern es bedarf zunächst klarer Richtungsentscheidungen. „Dann kann geprüft und umgesetzt werden, in welcher Form zum Beispiel vereinzelt automatisierte Prozesse sinnvoll eingesetzt werden können.“
Dr. Moritz Finkelnburg von der Goethe Business School gab spannende Einblicke in die Welt der neuen Player in der digitalen Assekuranz und deren Interessen. „Insurtechs, Accelerators und Influencer sind endgültig keine Nischenthemen mehr und in der allgemeinen Diskussion zur Zukunft der Branche angekommen“, so Finkelnburg. „Jedes Versicherungshaus, auch kleine, regionale Versicherer, sollten sich damit beschäftigen, wie sie ihre Wertschöpfungskette konsequent digital durchorganisieren können“, fasst er zusammen.
Wie persönlicher Verkauf im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich gelebt werden kann, zeigte Stefanie zur Horst, Director bei Simon-Kucher & Partners, anhand von Praxisbeispielen aus aktuellen Projekten. „Versicherer müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen, um ihre Kunden aktiv – und durchaus auch spielerisch – in den Verkaufsprozess einzubinden, um damit das Produkt ‚Versicherung‘ erlebbar machen.“
Umdenken und sich von alten Denkmustern lösen bedeutet auch, einmal über den Tellerrand hinauszuschauen – und von anderen Branchen zu lernen. Dass es bei der Produktentwicklung – unabhängig von der Branche – immer entscheidend ist, den Kunden mit seinen Bedürfnissen an den Anfang des Prozesses zu stellen, erläuterte Dr. Martin Gehring, Partner bei Simon-Kucher, am Beispiel der Automobilindustrie. „Viele Unternehmen machen den Fehler und entwickeln Produkte aus rein unternehmensinterner Sicht. Für eine erfolgreiche Positionierung am Markt müssen sich Unternehmen jedoch frühzeitig damit beschäftigen, was ihre Kunden wirklich wollen und was sie bereit sind, dafür zu zahlen“, so Gehring.
Schmidt-Gallas fasste den Tag zusammen: „Viele digitale Initiativen sind in der Assekuranz bereits angestoßen worden. Nun gilt es sicherzustellen, dass sich die digitalen Bemühungen endlich auch angemessen im Umsatz und Ertrag widerspiegeln. Hier gilt: frühzeitig den Mehrwert von Initiativen abwiegen, denn oft verschlingt punktueller Aktionismus enorme Ressourcen.“