„Tausende Strafverfahren voraus“: Was ihr unbedingt tun müsst, damit euch Corona-Hilfen nicht in die Pleite oder ins Gefängnis führen

Der deutsche Staat gibt sich in der Corona-Krise großzügig. Milliardenzuschüsse für Kleinunternehmen und Selbständige hier, günstige Milliardenkredite für mittlere und große Unternehmen da. Dazu dürften weitere milliardenschwere Hilfsfonds für besonders betroffene Branchen, den Tourismus oder das Gastgewerbe etwa, kommen.

Naiv jedoch will der deutsche Staat nicht sein. Wer Hilfen in Anspruch nimmt, muss versichern, nicht selbstverschuldet in die Krise geraten zu sein. Und wer das am Ende nicht ausreichend nachweisen kann, wer sogar betrügt, dem droht im schlimmsten Fall der Gang ins Gefängnis.

„In den nächsten Jahren wird ein Viertel aller Antragsteller mit Rückforderungen durch den Staat konfrontiert werden“, schätzt der Berliner Rechtsanwalt Niels Andersen, dessen Kanzlei sich auf Unternehmensfinanzierungen und Insolvenzrecht spezialisiert hat. „Tausende Strafverfahren werden die Folge sein.“

Was also tun? Eine Checkliste für Unternehmer und Selbständige, die Corona-Hilfen schon beantragt haben oder noch beantragen wollen.

1. Hattet ihr schon vor Corona wirtschaftliche Schwierigkeiten?

Die Haken bei der Soforthilfe für Kleinunternehmen und Selbständige sind schnell gesetzt. Kann ich als Unternehmer versichern, dass der Zuschuss „für die Sicherung der beruflichen bzw. betrieblichen Existenz in der Corona-Krise erforderlich ist und die „existenzbedrohliche Wirtschaftslage eine Folgewirkung des Ausbruchs von Covid-19“ sei? Klar. Und gab es tatsächlich keine Liquiditätsengpässe oder andere wirtschaftlichen Schwierigkeiten? Ja. Doch stimmt das wirklich?

Andersen warnt, dass der Staat später in der Tat prüfen könnte, ob die Angaben bei Corona-Hilfen auch richtig waren. Und falls der Staat dann zu einem anderen Schluss kommt? „Das kann dazu führen, dass Hilfen verzinst zurückgezahlt werden müssen und strafrechtliche Konsequenzen drohen“, sagt der Anwalt.

Knifflig könnte diese Frage vor allem für Firmen und Selbständige werden, die ihren Betrieb nicht auf behördliche Anweisung schließen mussten, sondern in die Krise schlitterten, weil ihnen etwa Aufträge wichtiger Kunden wegbrachen. Was dann? Also genau abwägen.

2. Habt ihr Dokumente, die eine Prognose für eine positive Weiterentwicklung eures Unternehmens rechtfertigen?

„Es ist ganz wichtig, Planungs- und Prognosegrundlagen vor der Beantragung von Corona-Hilfen genau zu dokumentieren und für spätere Prüfungen aufzubewahren“, sagt Andersen. Das gelte insbesondere für Kredite. So könnten Unternehmer auch bei Rückzahlschwierigkeiten im Nachhinein gut belegen, warum zu Beginn durchaus Aussicht auf die Rückzahlbarkeit des Kredites bestanden habe.

Und wenn solche Dokumente nicht vorliegen? Dann könnten selbst Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) Gefahr laufen, wegen fahrlässiger Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht persönlich zu haften. Im schlimmsten Fall würde ihnen gar eine Anklage wegen Betrugs drohen. Dazu würde es kommen, wenn Geschäftsführer vermeintlich nur vorgetäuscht haben, aufgenommene Kredite zurückzuzahlen.

3. Steht ihr vor der Insolvenz, könnt diese aber nicht eindeutig auf Corona zurückführen?

Die gute Nachricht für Unternehmer: Die Insolvenzantragspflicht ist vorerst bis Ende September 2020 ausgesetzt. Die schlechte Nachricht: Ob das auch für Unternehmen gilt, deren wirtschaftliche Schieflage nicht eindeutig auf Corona zurückzuführen ist, ist laut Andersen strittig.

Die große Frage ist: Wie geht die Justiz mit diesen Unternehmen um? Müssen die Firmen erhaltene Corona-Hilfen zurückzahlen? Machen sie sich, wenn sie erst nach September Insolvenz beantragen, wegen Insolvenzverschleppung strafbar? „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Staat nicht unbedingt zimperlich mit Geschäftsführern umgegangen ist“, sagt Andersen. „Auf jeden Fall sollten Unternehmer solche Szenarien in die eigene Planung einbeziehen und prüfen, ob für sie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht überhaupt greift.“

4. Habt ihr Vorkehrungen für eine mögliche Insolvenz für die Zeit getroffen, wenn wieder die übliche Insolvenzantragspflicht gilt?

Womöglich sei das Insolvenzverfahren für manche Unternehmen sogar der bessere Weg als Corona-Hilfen, sagt Andersen. Zumal die Dauer der Corona-Krise weiterhin unklar ist, die Corona-Hilfen dann zu klein ausfallen oder mit großen eigenen Risiken einhergehen könnten. Nicht selten müssen Unternehmer bei der Aufnahme von Krediten der staatlichen Förderbank KfW mit weiteren, eigenen Sicherheiten, dem Privathaus etwa, haften.

„In diesem Fall könnte beispielsweise eine erleichterte Sanierung unter dem Insolvenzschutz für Geschäftsführer die bessere Alternative sein“, sagt Andersen.

5. Was gar nicht geht? Betrug!

Es ist das eine, staatliche Corona-Hilfen schlampig und unvollständig zu beantragen. Es ist etwas ganz Anderes, absichtlich falsche Angaben zu machen, um an Steuergeld zu kommen. Wer das tut und auffliegt, dem droht nach Paragraf 264 Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft.

Gleiches gilt für Unternehmer, die die Mittel anders einsetzen, als das gesetzlich geregelt oder behördlich angeordnet ist. Das ist vor allem für Kleinunternehmen und Selbständige wichtig, die Soforthilfe erhalten. Dieses Bundesprogramm ist ausschließlich für betriebliche Sach- und Finanzausgaben gedacht, also für Mieten, Pachten, Heizkosten im Büro, und nicht für den eigenen Lebensunterhalt. Auch hier ist eine genaue Dokumentation der Zahlungen empfehlenswert.

In Berlin meldeten die Behörden bislang 200 Betrugsfälle bei Corona-Hilfen. Allerdings bewilligte die Bundeshauptstadt auch schon 200.000 Anträge. „Nicht alle, die einen Antrag stellen, stehen mit einem Bein schon im Gefängnis“, sagt Simon Beyme, Geschäftsführer des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg. „In Berlin sind die Betrugsfälle meistens auf Fälle organisierter Kriminalität zurückzuführen.“

Wer hingegen aus erster Panik heraus einen Antrag gestellt habe, der sich im Nachhinein als unvollständig oder nicht notwendig erwiesen habe, der müsse nicht gleich schlimme Konsequenzen fürchten, beschwichtigt Beyme. „Wichtig ist, dass man nicht vorsätzlich handelt.“

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