US-Verbraucher können steigende Energiekosten heute besser verkraften als noch vor zehn Jahren

  • Die drei zentralen wirtschaftlichen Risiken, die sich aus dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ergeben, sind höhere globale Energiepreise, eine weitere Unterbrechung der Lieferketten und eine Verlangsamung der europäischen Wirtschaft.
  • US-Verbraucher können heute besser mit höheren Energiekosten umgehen als noch vor zehn Jahren. Demnach dürften sich der Konsum und das Wirtschaftswachstum besser halten als in der Vergangenheit, wenn die Energiepreise proportional ansteigen.
  • Eine Abschwächung in Europa hätte zwar auch Auswirkungen auf die USA. Allerdings sind die Rezessionsrisiken gemäß dem ClearBridge Recession Risk Dashboard gering, da sich das Wachstum aktuell auf hohem Niveau befindet.  des zeigt.

Marktturbulenzen bei militärischen Konflikten sind in der Regel von kurzer Dauer

ARCHIV – 19.08.2010, Sachsen, Leipzig: Ein Stromzähler zeigt in einem Mietshaus die verbrauchten Kilowattstunden an. (zu dpa «Vergleichsportal: Zu wenig Geld für Strom in Hartz-IV-Satz») Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Nach monatelangen Spannungen und einer stetigen Eskalation ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Während einige Anleger befürchten, dass die Beeinträchtigungen im Handel die Wachstumsaussichten im Inland negativ tangieren könnten, sind weder die Ukraine noch Russland ein besonders großer Handelspartner der USA. Der kombinierte Bruttohandel (Exporte + Importe) mit den beiden Ländern macht 0,15 % des BIP* für 2019 aus (die letzten verfügbaren Daten). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Anfälligkeiten vernachlässigbar sind. Das potenzielle wirtschaftliche Risiko hat drei primäre Übertragungsmechanismen: höhere globale Energiepreise, weitere Unterbrechungen der Lieferkette und eine Verlangsamung der europäischen Wirtschaft infolge engerer wirtschaftlicher Beziehungen zu Russland, was bedeutet, dass die Region eine größere Belastung durch Sanktionen tragen würde.

Höheres globales Energiepreisrisiko

Die Ölpreise sind gestiegen, da sich die Nachfrage erholt und das Angebot übersteigt, nachdem eine Zeit lang zu wenig in die Produktionskapazitäten investiert wurde. Dies bedeutet, dass zusätzliche Barrel nicht so leicht gefördert werden können. Eine Einigung mit dem Iran könnte zwar helfen, aber auf kurze Sicht werden die Preise wahrscheinlich weiterhin einen geopolitischen Risikoaufschlag enthalten. Rohöl aus den USA ist auf über 100 US-Dollar pro Barrel geklettert, ein Niveau, das zuletzt in den Jahren 2011-2014 erreicht wurde. Dieser Anstieg und ein Benzinpreis von etwa 3,60 Dollar pro Gallone lassen viele über die möglichen Auswirkungen auf den Binnenverbrauch besorgt sein.

„Die gute Nachricht ist, dass der Anteil der Energiekosten am Portemonnaie der meisten amerikanischen Verbraucher seit Jahrzehnten kontinuierlich sinkt“, sagt Jeffrey Schulze, Anlagestratege bei ClearBridge Investments, ein Teil von Franklin Templeton. Auch wenn er im kommenden Quartal aufgrund höherer Preise wahrscheinlich steigen wird, bedeuten Effizienzsteigerungen und steigende Einkommen, dass die Auswirkungen des höheren Ölpreises im Laufe der Zeit abgenommen haben. Einfach ausgedrückt: Die Verbraucher sind heute besser in der Lage, höhere Energiekosten zu verkraften als noch vor 10 Jahren, was bedeutet, dass sich der Verbrauch und das Wirtschaftswachstum besser halten dürften als in der Vergangenheit.

Unterbrechungen der Lieferkette möglich

Der zweite Bereich, auf den sich der Krieg auf die US-Wirtschaft auswirken kann, ist die weitere Unterbrechung der Lieferkette. Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten vieler Industriemetalle und anderer Materialien wie Neongas, das bei der Herstellung von Halbleitern verwendet wird. Russland ist auch ein wichtiger Lieferant von Palladium, das in Katalysatoren verwendet wird. Eine Unterbrechung dieser beiden Lieferketten würde sich wahrscheinlich auf den ohnehin schon angespannten Automobilmarkt nachteilig auswirken.

Die Auswirkungen werden sich höchstwahrscheinlich im Rohstoffindikator des ClearBridge Recession Risk Dashboard zeigen, der in diesem Monat sein grünes Signal beibehält, obwohl er aber erste Schwächen zeigt. Diese Verschlechterung ist in erster Linie auf den Rückgang der Stahlpreise um etwa 50 % seit Mitte Oktober sowie auf die schwächere Entwicklung bei Chemikalien zurückzuführen. Obwohl sowohl die Ukraine als auch Russland Stahl produzieren, wurde der Preisrückgang in den letzten Monaten eher von China verursacht. Wichtig ist, dass die chinesische Politik eine Kehrtwende vollzogen hat und das Land nun einen insgesamt stimulierenden politischen Kurs verfolgt. Da die Rohstoffe vorerst im grünen Bereich bleiben, gibt es diesen Monat keine Signaländerungen.

Abschwächung der europäischen Wirtschaft

Die letzte Möglichkeit, dass die Krise der Wirtschaft Schaden zufügt, ist die Aussicht auf eine Abschwächung oder gar eine Rezession in Europa. Europa ist wirtschaftlich sehr viel enger mit Russland (dem fünftgrößten Handelspartner sowohl bei den Ausfuhren als auch bei den Einfuhren) verbunden. Infolgedessen werden die Wirtschaftssanktionen in Europa wahrscheinlich härter durchschlagen. Da Energie der wichtigste Importartikel ist, sind die Erdgaspreise in Europa nach der Invasion von einem bereits hohen Niveau aus in die Höhe geschossen, was die Verbraucher zusätzlich belastet. Europa und das Vereinigte Königreich sind bedeutendere Handelspartner der USA, wobei der Bruttohandel (Importe + Exporte) zwischen dem Vereinigten Königreich und den EU27-Staaten mit den USA etwa 5,5 % des BIP 2019 ausmacht.

Auch wenn eine Abschwächung in Europa Gegenwind für das Binnenwachstum bedeuten würde, das sich 2022 bereits zurückgehen dürfte, darf nicht vergessen werden, dass sich das Wachstum von einem hohen Niveau aus verlangsamt. Das BIP der USA stieg 2021 um 5,6 % (und sogar noch mehr, wenn man die Inflation mit einbezieht), das schnellste Wachstum seit 1984. Die Konsenserwartungen für das BIP liegen derzeit bei 3,7 % für 2022, was dem größten Wachstum seit 2004 entspricht (ohne das letzte Jahr). Wichtig ist, dass Europa im Jahr 2012 während seiner Staatsschuldenkrise eine Rezession erlebte. Dies führte in den USA nicht zu einer Rezession, auch wenn das Wirtschaftswachstum damals mit nur 1,5 % viel geringer ausfiel. Aufgrund des hohen Konsumniveaus und des großen Leistungsbilanzdefizits führen die USA in der Regel die Welt in eine Rezession, nicht umgekehrt.

Da sich die wirtschaftlichen Folgen für die USA in Grenzen halten dürften, stellt sich nun die Frage, was dies für den Kurs der Fed-Politik bedeuten könnte. Die Fed-Funds-Futures waren ebenso volatil wie die Aktienmärkte, rechnen aber derzeit mit 1,1 Zinsschritte im März und insgesamt 5,4 im Jahr 2022. Das ist weniger als vor der Invasion, aber der Trend der letzten Wochen ging bereits in Richtung einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer Anhebung um 50 Basispunkte im März und einer geringeren Gesamtzahl im Jahr 2022. Seit der Invasion haben mehrere Fed-Gouverneure und regionale Präsidenten Reden gehalten, in denen sie allgemein verlauten ließen, dass sie die Situation in der Ukraine beobachten, aber vorerst davon ausgehen, dass sie mit den Plänen für eine erste Zinserhöhung auf der März-Sitzung fortfahren werden.

Abgesehen von der Geldpolitik zeigt die Geschichte, dass geopolitische Konflikte in der Regel zu kurzlebigen Marktturbulenzen geführt haben. In der Vergangenheit ist der S&P 500 Index bei größeren geopolitischen Ereignissen innerhalb von drei Wochen um durchschnittlich 6 % gefallen und hat sich anschließend wieder auf das vorherige Niveau erholt. Sobald die Tiefststände erreicht sind, haben sich Aktien gut gehalten und in den ersten drei Monaten 6,5 % und im ersten Jahr 13 % zugelegt. Interessanterweise hat der Markt bei den letzten fünf großen Kriegen (Vietnam, Golfkrieg, Afghanistan, Irak und Krim) seinen Tiefpunkt erreicht, bevor die Invasion stattfand. Es bleibt zwar abzuwarten, wie sich die Ereignisse entwickeln – und wir alle hoffen auf eine rasche und friedliche Lösung -, aber die anfängliche Reaktion des Aktienmarktes scheint den historischen Mustern nicht zu widersprechen.

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