Versicherer gehen gestärkt aus Pandemie, Inflation und Konflikten hervor

  • Versicherer melden Anstieg ihrer Kapitalisierung
  • Höhere Zinsen führten zu Verbesserung der Solvency II-Positionen
  • Fast ein Drittel der Versicherer meldet Solvenzquoten über Zielbandbreite
  • Ukraine-Krieg mit unveränderter Schadensschätzung zwischen 10-20 Mrd. USD

Die Berichtssaison H1/22 für die europäischen Versicherer ist abgeschlossen und die Ergebnisse sind unserer Ansicht nach ein Zeichen der Stärke für diesen Sektor. Die Mehrheit der Emittenten in unserem Anlageuniversum übertraf die Analystenerwartungen und ihre Kapitalisierung stieg weiter an. Die Inflation hat – mit Ausnahme der britischen Kfz-Versicherer – keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Sektor, und wie wir bereits geschrieben haben, führten höhere Zinsen zu einer Verbesserung der Solvency-II-Positionen. Ein aktives Kapitalmanagement ist nach wie vor eine der Hauptstärken des Sektors. Die derzeitige Ausweitung der Renditen bei Versicherungsanleihen ist aus unserer Sicht eine Kaufgelegenheit, bei der bessere Qualität zu historisch hohen Renditeniveaus verfügbar ist.

Die meisten Versicherer in unserem Anlageuniversum verzeichneten im Bereich Property & Casualty (P&C) ein Prämienwachstum im oberen einstelligen Bereich, das auf höhere Tarife, eine sich erholende Wirtschaftstätigkeit und Inflationseffekte zurückzuführen ist. In der gesamten Branche wirkten sich die höheren Tarife leicht positiv auf die versicherungstechnischen Ergebnisse aus. Dies wurde teilweise durch eine höhere Schadenhäufigkeit neutralisiert, da sich die Wirtschaftstätigkeit mit dem Abklingen der Pandemie allmählich wieder normalisiert. Die wetterbedingten Schäden blieben relativ hoch, insbesondere in Frankreich, wo sie sich erheblich auf die versicherungstechnischen Ergebnisse auswirkten. Mehrere Versicherer haben während der Pandemie sehr vorsichtig reserviert und zusätzliche Reservepuffer gebildet. Diese werden nun schrittweise aufgelöst und tragen zur Glättung der Ergebnisse bei. Wir sehen jedoch keinen allgemeinen Trend zu höheren Reserveauflösungen.

Höhere Rückversicherungsprämien, aber auch höhere Katastrophenschäden

Die Rückversicherer rechneten aufgrund steigender Prämien mit einem guten Jahr 2022, doch die tatsächlichen Ergebnisse fielen eher gemischt aus. Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück übertrafen die Konsenswerte, während Scor den Markt enttäuschte. Die Prämieneinnahmen stiegen weiter an, da die Emittenten ihr erhebliches Überschusskapital während der schwierigen Marktlage wieder in das Geschäft investierten. Die Combined Ratios im Teilsektor Rückversicherung verschlechterten sich tendenziell aufgrund höher als erwarteter Katastrophen- und Großschäden in Europa. Nur die Münchener Rück wies Katastrophenschäden auf, die innerhalb ihres Katastrophenbudgets lagen. Hannover Rück und Scor meldeten im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern relativ hohe Schäden aufgrund der Dürre in Brasilien. Wir stellen außerdem fest, dass Scor die strategische Entscheidung getroffen hat, ihre Exponierung gegenüber Naturkatastrophen, insbesondere im Golf von Mexiko, zu reduzieren, um die Ertragsvolatilität zu verringern.

Die Schäden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bleiben begrenzt, aber die Schätzungen für Q1/22 wurden in Q2/22 nach oben korrigiert Die Unsicherheit in Bezug auf das Luftfahrtgeschäft bleibt bestehen, da bisher kein Rückversicherer in unserem Anlageuniversum ausdrücklich für Luftfahrtschäden reservierte. Das Ausmaß der durch den Ukraine-Krieg verursachten Branchenverluste wird inzwischen allgemein als eher am unteren Ende der Spanne von 10-20 Mrd. USD eingeschätzt.

Kapitalisierung steigt

Die Solvency-II-Positionen der Versicherer sind nach wie vor sehr stark, und die steigenden Zinsen haben die Solvency-II-Position der einzelnen Versicherer verbessert. „Fast ein Drittel der Versicherer in unserem Anlageuniversum meldete in H1/22 Solvency-II-Quoten über ihren jeweiligen Zielbandbreiten, was den Handlungsspielraum des Kapitalmanagements im Hinblick einer möglichen Eintrübung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes erhöht“, sagt Rötger Franz, Portfoliomanager bei Plenum Investments. Drei Viertel der Versicherer meldeten steigende Solvency-II-Positionen in H1/22, wobei in den meisten Fällen die Zinssätze der Hauptfaktor waren. Klare Ausreißer sind die österreichischen und französischen Akteure, was bis zu einem gewissen Grad auf ihren Geschäftsmix zurückzuführen ist. Chesnara ist ein weiterer Ausreißer, hat aber vor kurzem eine Anleihe platziert, um das zusätzliche Kapital für Fusionen und Übernahmen zu verwenden. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Solvency-II-Quote zu gegebener Zeit wieder normalisieren wird.

Die Allianz hat ihr Aktienrückkaufprogramm trotz eines Rückgangs der Solvency-II-Quote vollständig durchgeführt. Dennoch liegt die Solvency-II-Quote weiterhin bei 200 % und damit über dem Mindestziel von 180%. Wir rechnen nicht mit weiteren Maßnahmen vor Jahresende. Aviva meldete einen Rückgang der Solvency-II-Position, der auf eine Kapitalrückgabe in Höhe von 3,75 Mrd. GBP über das B-Share-Programm zurückzuführen ist, das nach Abschluss der Veräußerung vor allem des französischen und italienischen Geschäfts initiiert wurde. Darüber hinaus führte der Emittent in H1/22 ein Aktienrückkaufprogramm im Wert von 1,0 Mrd. GBP durch, und ein Schuldenabbauprogramm in Höhe von 1,0 Mrd. GBP ist im Gange. Auf Pro[1]Forma-Basis stieg die Solvency-II-Quote in H1/22 von 186% auf 213% und lag damit weit über dem Zielbereich von 160-180%. Der Emittent hat bereits seine Absicht angekündigt, nach den Ergebnissen des GJ22 ein neues Aktienrückkaufprogramm zu starten, so dass in der Zwischenzeit ein erheblicher Kapitalpuffer verbleibt.

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