Chinas Doppelrolle in der WTO: Entwicklungsland und Wirtschaftsmacht

Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) rief vor über 50 Jahren die Industrieländer dazu auf, Entwicklungsländer bei der Integration in die Weltwirtschaft zu unterstützen. China spielte dabei eine führende Rolle. Seit 2001 ist China Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO), was dem Land den Zugang zu den Märkten der WTO-Mitglieder erleichterte.

China bereitet vielen Ländern Sorge. Vor allem im Handelsbereich gibt es immer wieder Diskussionen, wegen Wettbewerbsverzerrung und ungerechtfertigte Vorteile für die chinesische Seite gegenüber europäischen Mitbewerbern.

Die WTO verlangt von ihren Mitgliedsstaaten und -territorien die Einhaltung grundlegender Handelsregeln, zu denen China gehört. Es gelten für jedes Mitglied gleiche Zölle und Handelsbestimmungen für Güter und Dienstleistungen, was als Prinzip der Meistbegünstigung bekannt ist. Mitglieder dürfen keine Regelungen schaffen, die inländische Güter und Dienstleistungen gegenüber importierten bevorzugen. Dieses Prinzip wird als Gleichbehandlungsgrundsatz bezeichnet. Und bereits bei Punkt eins hakt es, seit chinesische Onlineplattformen die deutschen Märkte mit Billigprodukten überschwemmen.

Von der Fabrik der Welt zum Innovationsführer: Chinas Wandel und seine WTO-Strategie

China hat sich von der einstmals ‚Fabrik der Welt‘ zu einem Forschungs- und Innovationsstandort entwickelt. Doch obwohl China seit 2016 in der WTO als Marktwirtschaft behandelt wird, erfüllt es nicht wirklich den Tatbestand einer offenen und marktbasierten Volkswirtschaft, denn dazu übt der Staat einen übermäßigen Einfluss auf die Wirtschaftsaktivitäten der Unternehmen aus. So befinden sich 99 der 100 größten an der Börse notierten Unternehmen mehrheitlich in staatlichen Besitz. China selbst hingegen, nutzt gezielt die Spielräume der WTO-Regeln aus, um seinen Markt vor ausländischem Wettbewerb zu schützen und gleichzeitig von den Vorteilen des globalen Handels zu profitieren. Bis August 2021 wurde China laut dem „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) 47-mal vor der Streitschlichtung der WTO „verklagt“. Doch eigentlich möchte China, das offizielle Entwicklungsland, mit der WTO nicht in Konflikte geraten, weil es von den Ausnahmen der WTO-Regeln weiterhin sehr gut profitiert.

Denn es bleibt trotz seiner Rolle als wirtschaftliche Großmacht bis heute auf der OECD Liste als Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA). Dort angegeben sind die mittleren Jahreseinkommen der Bevölkerung mit einer Spanne zwischen 3.500 und 14.500 Dollar. Deutschland gehört zu denjenigen Ländern, die noch ODA-Mittel an China gewähren, z.B. durch Entwicklungsdarlehen. Insgesamt flossen 2022 auf diesem Weg 413,8 Millionen Euro an öffentliche Entwicklungshilfe von Deutschland dorthin. Andererseits dürfte es Chinas neu gewonnenem Selbstbewusstsein alles andere als recht sein, in dieser Kategorie, was gleichzeitig ein Zeichen der wirtschaftlichen Unterlegenheit bedeutet, eingestuft zu werden. China selbst veröffentlichte 2021 in offiziellen Statistiken Zahlen, die darlegen, dass es keine absolute Armut mehr im eigenen Land gibt. Auch hat sich China zu einem wichtigen Investitionspartner für Länder in Afrika und Asien entwickelt, was in einem gewissen Widerspruch steht. Das ist nicht selten der Fall, auch die Türkei und Thailand und andere Länder sind Geber und Empfänger von Entwicklungshilfe (ODA) zugleich.

Europäische Unternehmen kämpfen mit Marktzugangshürden in China

Bisher scheinen die wirtschaftlichen Privilegien zu überwiegen, denn Peking weist die Forderung den Entwicklungsstatus aufzugeben weiterhin zurück. Neben China bezeichnen sich zwei Drittel der Mitglieder selbst als Entwicklungsland und erhalten dadurch besondere und differenzierte Behandlung, auch wenn es zwischen den Ländern wie China und beispielsweise Argentinien, die im gleichen Zuge berechtigt sind, große Unterschiede gibt. Auch Indien, welches sich wie China durch eine große und schnell wachsende Wirtschaft auszeichnet, gehört noch zu den Empfängerländern. Stimmig ist es bei China bereits seit einiger Zeit nicht mehr, in einem Land, welches mit Staatsgeldern in dreistelligen Milliardenbeträgen die Schlüsselindustrien subventioniert und zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt gehört. Die Stimmen der EU-Mitgliedsstaaten werden stärker und wünschen sich eine Reform der WTO. Die Ungerechtigkeiten haben in gleicher Maßen, wie das Land sich zu einer Weltmacht entwickelt hat, zugenommen. Denn während chinesische Unternehmen ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt haben, stehen europäische Unternehmen in China weiterhin vor erheblichen Marktzugangshindernissen.

Schreibe einen Kommentar