„Armutszeugnis“, „Bankrotterklärung“: Auf Betriebsversammlung entlädt sich die ganze Wut über VW-Krise

VW steckt in der Krise und plant einen radikalen Sparkurs. Betriebsrat und Belegschaft sind entsetzt – auf der Betriebsversammlung entlud sich die angestaute Wut.

Wolfsburg – Es herrscht dicke Luft bei VW. Erst am Montag kündigte der Konzern an, einen radikalen Sparkurs einschlagen zu wollen. Konkret bedeutete dies: Die Kernmarke VW schließt Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr aus. Das teilte das Unternehmen nach einer Führungskräftetagung mit. Sogar die Schließung ganzer Standorte in Deutschland sei nicht länger Tabu. Manche Volkswagen-Werke gerieten dann wohl besonders in Gefahr.

Aus Politik und Wirtschaft folgten bestürzte Reaktionen. CDU-Chef Friedrich Merz etwa mischte sich ein, nahm die Ampel in die Pflicht. Wirtschaftsexperten mahnten bereits vor politischen und staatlichen Interventionen. Ein Problem für eine weitere VW-Marke könnte mit dem Sparkurs einhergehen. Und auch auf der nicht-öffentlichen Betriebsversammlung des Konzerns am Mittwoch in Wolfsburg ging es heiß her.

VW-Sparkurs schockiert Mitarbeiter – lautstarke Proteste bei Betriebsversammulung

Mit scharfen Protesten der Belegschaft hat diese bei Volkswagen begonnen. Mitarbeiter begrüßten den Vorstand mit Transparenten, mit denen sie gegen die jüngsten Sparpläne protestierten. „Hände weg von der Beschäftigungssicherung“, war auf einem Transparent zu lesen. Auf einem anderen wurde dem Vorstand mit Blick auf mögliche Gehaltskürzungen „Doppelmoral“ vorgeworfen.

Es wurde laut bei der VW-Betriebsversammlung. Der Vorstand hatte zuvor einen radikalen Sparkurs angekündigt.
Es wurde laut bei der VW-Betriebsversammlung. Der Vorstand hatte zuvor einen radikalen Sparkurs angekündigt. © Moritz Frankenberg / dpa

Der Betriebsrat sprach von mehr als 16.000 Teilnehmern. Mehr als 10.000 waren den Angaben zufolge in der Fabrikfalle dabei, weitere 5.000 folgten der Versammlung auf davor aufgestellten Leinwänden. Tausende in der Halle skandierten nach Angaben von Teilnehmern „Wir sind Volkswagen, ihr seid es nicht!“, als die Vorstände auf der Bühne Platz nahmen. Die Bild berichtet zudem von lautstarken Pfiffen. VW hatte bereits im vergangenen Jahr die Mitarbeiter auf einen möglichen Stellenabbau vorbereitet.

Betriebsrat geht bei Versammlung auf VW-Vorstand los: „Armutszeugnis, Bankrotterklärung“

Auf der Veranstaltung erhöhte der Betriebsrat den Widerstand gegen den angekündigten Sparkurs massiv. Schuld an der Krise seien nicht die Mitarbeitenden, sondern die Konzernführung, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo laut Redemanuskript bei der Betriebsversammlung. Mit Blick auf das von VW jüngst verschärfte Sparprogramm nannte sie klare rote Linien: Werkschließungen dürfe es nicht geben, die Job-Garantie dürfe nicht angetastet und müsse verlängert werden. Auch Einschnitte bei den Tariflöhnen lehnte sie ab.

 „Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht“, sagte Cavallo. Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen. „Das ist Ihre Antwort auf die Krise? Ist das alles, was Ihnen einfällt?“, fragte Cavallo die mit auf dem Podium sitzenden Vorstände zum angekündigten Sparplan. „Das ist nicht nur ein Armutszeugnis. Das ist eine Bankrotterklärung.“ Stattdessen appellierte sie an den Vorstand, seiner Verantwortung für die VW-Standorte gerecht zu werden. Würden ganze Werke geschlossen, drohten in den betreffenden Regionen auch über VW hinaus massive Einschnitte, etwa durch wegfallende Steuereinnahmen.

„Flickschusterei muss Enden“: VW-Betriebsrat erhöht in der Krise den Druck auf den Vorstand

Auf die Krise bei VW nur mit Einsparungen zu regieren, sei der falsche Weg, kritisiere Cavallo. Stattdessen müsse der Vorstand zunächst ein Zielbild entwickeln, wie die Kernmarke in die Zukunft geführt werden könne, forderte sie. „Und vor allem muss der Vorstand dafür sorgen, dass nachhaltig in die Auslastung der Werke investiert wird.“ Dafür brauche die Belegschaft Sicherheit.

„Die Flickschusterei muss enden! Klares Ziel muss es sein, die branchenweite Technologieführerschaft wieder im Hause Volkswagen zu haben“, forderte Cavallo. „Alles andere ist blindes Sparen von einem Quartal zum anderen. Und das ist das Gegenteil von nachhaltiger Unternehmensführung und sorgt nur dafür, dass wir die Abwärtsspirale weiter befeuern.“

Vorstand äußert sich zum VW-Ärger: „Geben mehr Geld aus, als wir einnehmen“

Der Finanzchef des VW-Konzerns, Arno Antlitz, sagte bei der Betriebsversammlung laut Redemanuskript, Volkswagen gebe in der Marke VW „seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen“. Das gehe auf Dauer nicht gut.

Antlitz betonte, dass in Europa das Absatzniveau von vor der Corona-Krise nicht wieder erreicht werde. Volkswagen fehlten „die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke“. Das habe nichts mit den Produkten oder mit schlechter Leistung des Vertriebs zu tun. Bezahlbare und wettbewerbsfähige Preise könne VW aber nur anbieten, „wenn man eine wettbewerbsfähige Kostenbasis hat. Die müssen wir uns wieder gemeinsam erarbeiten“.

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