Brücken in Deutschland: Sondervermögen weckt Begehrlichkeiten in den Ministerien
An fehlenden finanziellen Mitteln soll es nicht liegen. Der Bund hat zur Stärkung der Infrastruktur ein kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von rund 500 Milliarden Euro bereitgestellt. „Aus dem Sondervermögen werden Mittel zur Auflösung des Sanierungsstaus insbesondere bei Brücken und Tunneln bereitgestellt“, heißt es in einem Papier der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD. Die konkrete Verteilung dieser Gelder bleibt jedoch unklar.
„Das Sondervermögen Infrastruktur weckt natürlich Begehrlichkeiten vieler Kolleginnen und Kollegen“, erklärte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) der Deutschen Presse-Agentur zum Auftakt der Verkehrsministerkonferenz in Nürnberg. Viele Brücken, Schienen und Straßen, die in den 60er- und 70er-Jahren entstanden sind, wurden bis an ihre Belastungsgrenze beansprucht. Der Verkehr hat sich vervielfacht, und die Bauwerke sind an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Bernreiter ist Gastgeber der zweitägigen Konferenz in Nürnberg.
Zusätzlich erschweren unterschiedliche Zuständigkeiten die Sanierung: Während die marode A100-Brücke in Bundesverantwortung liegt, trägt die Stadt Dresden die Verantwortung für die eingestürzte Carolabrücke. Die Bundesländer sollen aus dem Sondervermögen rund 100 Milliarden Euro erhalten.
Bauindustrie: Keine Kapazitätsengpässe
Finanzielle Mittel sind vorhanden, und auch an Baukapazitäten scheitert die Sanierung nicht, so Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Die Bauindustrie hat kein Kapazitätsproblem, im Gegenteil.“ Unternehmen seien eher unterausgelastet als überlastet. „Wir würden gerne mehr, schneller und effizienter bauen.“ Hier sieht Müller eine zentrale Herausforderung: „Es mangelt oft an einem verschlankten Gesamtprozess.“ Er fordert ein flexibleres Vergaberecht, „sodass neben der Fach- und Teillosvergabe auch die Gesamtvergabe möglich ist.“
Die langen Planungszeiten und die bürokratischen Hürden gelten als weitere Hemmnisse. Der Bund hat zwar ein Gesetz zur Planungsbeschleunigung erlassen, das Bau- und Umweltauflagen für bestimmte Projekte reduziert und Planfeststellungsverfahren digitalisiert. Müller fordert eine verbindliche Stichtagsregelung, die eine feste Rechts- und Sachlage im Planungsprozess schafft. Auch die Abschaffung des Planfeststellungsverfahrens für Ersatzneubauten könnte Prozesse beschleunigen.
Verkehrsexperten: „Schnelle Sanierung ist unrealistisch“
Ein weiteres Hindernis ist die fehlende langfristige Finanzierungssicherheit. Experten plädieren für einen überjährigen Finanzrahmen für Investitionen in die Infrastruktur. Gernot Sieg, Verkehrsforscher an der Uni Münster, hält es für sinnvoll, die Autobahn GmbH finanziell unabhängig aufzustellen, damit langfristige Planungen möglich sind. „Eine rasche Sanierung wird es jedoch nicht geben, da Fehler der vergangenen 30 Jahre nicht kurzfristig behoben werden können“, so Sieg.
Die Berliner erleben aktuell hautnah, was marode Brücken bedeuten. Ein Riss im Tragwerk der A100-Brücke vergrößerte sich unerwartet, sodass der dreispurige Abschnitt – mit täglich 95.000 Fahrzeugen – kurzfristig gesperrt wurde. Vergangene Woche folgte der nächste Schock: Auch die S-Bahn darf nicht mehr unter der Brücke verkehren. 50.000 Fahrgäste sind betroffen.
Bis zum 25. April soll die Brücke abgerissen werden. Der Wiederaufbau der Leit- und Sicherungstechnik verzögert jedoch die Rückkehr des S-Bahn-Verkehrs. Der Bund stellt kurzfristig 150 Millionen Euro für den Abriss bereit – trotz der vorläufigen Haushaltsführung. Pendler sind von den Sperrungen hart getroffen. Lkw fahren durch Wohnviertel, während Eltern protestieren, weil ihre Kinder auf dem Schulweg gefährliche Umwege nehmen müssen. „Das deutsche Straßennetz ist eng geknüpft, sodass Ausfälle oft kompensiert werden können“, erklärt Sieg. „Dennoch steigen Transportzeiten und -kosten, was die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen mindert.“ Besonders kritische Bauwerke erhalten besondere Aufmerksamkeit, da ihr Ausfall gravierende Auswirkungen hätte.
Region leidet seit Jahren unter gesperrter Brücke
Ein prominentes Beispiel ist die Rahmede-Talbrücke an der A45 bei Lüdenscheid. Seit ihrer Sperrung im Dezember 2021 leiden Anwohner unter Dauerstaus, Lärm, Abgasbelastung, Lieferproblemen und wirtschaftlichen Einbußen. Inzwischen ist die Brücke gesprengt und der Neubau in Arbeit. Laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos) soll der erste Abschnitt ab Frühjahr 2026 für den Verkehr freigegeben werden.
Die künftige Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD hat Reformen angekündigt, doch klare Zeitpläne für die Modernisierung von Deutschlands Brücken fehlen bislang. Die Koalitionsverhandlungen laufen noch.