Der deutschen Stahlindustrie geht es schon lange schlecht. Sie ist gebeutelt von billigen chinesischen Importen und den stark gestiegenen Energiepreisen. Dementsprechend sieht es mit der Beschäftigung in der Branche auch ganz trübe aus. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten ist seit 1990 übrig geblieben. Von den ehemals 175.000 Stellen gibt es aktuell nur noch 78.000.
Der deutsche Stahlstandort ist immerhin der größte in Europa und der siebtgrößte weltweit. Doch seit nunmehr drei Jahren bleibt die Rohstahlproduktion unter der 40-Millionen-Tonnen-Grenze und damit auf Rezessionsniveau, wie die Wirtschaftsvereinigung Stahl jüngst meldete. Das Zusammenspiel von anhaltender Rezession, den wachsenden Standortnachteilen und dem Importdruck durch Billigstahl ist für die Branche nicht mehr zu stemmen, hieß es weiter.
Verteidigung und Aufrüstung: Neue Chancen für die deutsche Stahlindustrie?
Die geopolitischen Entwicklungen könnten nun aber die Wende für die Branche bedeuten. Aufrüstung steht auf dem Plan, um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu gewährleisten. Da ist auch die Stahlbranche wieder gefragt. Doch Unternehmen wie Thyssen Krupp, die zur Hälfte an einem der größten Stahlproduzenten, der HKM, beteiligt ist, möchten ihre Stahlsparte am liebsten abstoßen. Damit würden weitere 3000 Jobs auf Messers Schneide stehen, wenn keine Investoren für den Konzern zu finden sein sollten.
Gerade aus den Reihen der Linken macht sich nun Engagement breit, um eine Staatsbeteiligung am Unternehmen anzuregen. Doch ist das sinnvoll und brauchen wir den deutschen Stahl wirklich so dringend? Zumindest im Saarland und auch in NRW spielt die Stahlproduktion auch heute noch eine wichtige Rolle.
Staatliche Rettungen und Beteiligungen gab es in der Vergangenheit schon öfters. So hat sich das Land Niedersachsen an Volkswagen und dem Stahlhersteller Salzgitter beteiligt. Rettungen gab es während der Corona-Krise bei Lufthansa und jetzt jetzt auch Beteiligungen bei der Meyer Werft und Uniper.
Ökonomen beurteilen Staatsbeteiligungen unterschiedlich
Ökonomen wie Achim Truger befürworten eine derartige Staatsbeteiligung an strauchelnden Stahlunternehmen. Seiner Meinung nach könnte dies einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten, um die betroffenen Regionen zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern.
Andere Ökonomen, wie Justus Haucap von der Universität Düsseldorf, sehen eine Staatsbeteiligung am Stahl hingegen kritischer. Er befürchtet unkalkulierbare finanzielle Risiken und mahnt an, dass Unternehmen mit Staatsbeteiligung nicht bekannt dafür sind, besonders effizient und innovativ zu sein – da sie ja den Staat immer als Backup haben, der sie auffängt.
Die aktuelle geopolitische Lage ist bei der Diskussion der Staatsbeteiligung am Stahl jedoch auch eine Größe. Deutschland ist wieder stärker auf sich selbst gestellt, nach der Abwendung der USA von Europa und den schwer einschätzbaren Entwicklungen im Ukrainekrieg. Die Zollpolitk der USA und die Störungen in den Lieferketten verschärfen die Situation zusätzlich. Auch aus diesem Grund muss es in Deutschland auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie gehen.
Deutsche Stahl AG als Lösung?
Wie der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter betont, können strategische Kooperationen zwischen der Verteidigungspolitik und den Stahlproduzent durchaus als wirtschaftspolitisches Instrument dienen. Für ihn ist Stahl in diesen Zeiten systemrelevant, um sowohl die zivile Infrastruktur kriegstüchtig zu machen und notwendige Ressourcen für die Streitkräfte bereitstellen zu können. Stahl wird zur Verteidigung unter anderem für Raketen, Drohnen und Flugabwehrsysteme benötigt.
Kiesewetter geht noch weiter. Er schlägt sogar die Gründung einer deutschen Stahl AG mit staatlicher Beteiligung vor. Dies könnte seiner Meinung nach die drohende fehlende Wettbewerbsfähigkeit beim Stahl abmildern und verhindern, dass deutsche Stahlproduzenten von ausländischen Konzernen aufgekauft werden.
Deutscher Stahl für die Rüstungsindustrie aktuell wenig konkurrenzfähig
Die Rüstungsindustrie boomt derzeit. Rheinmetall als Rüstungsunternehmen fährt aktuell Rekordgewinne ein und erfreut sich an stark gestiegenen Aktienkursen. Aktuell kaufen die Rüstungsproduzenten dabei einen Großteil des benötigten Stahls in Schweden. Rheinmetall verarbeitet 250.000 Tonnen Stahl im Jahr, mit steigender Tendenz. Wie aus Reihen von Rheinmetall bekannt gegeben wurde, würde das Unternehmen in Zukunft auch gerne wieder verstärkt Stahl in Deutschland einkaufen und bemüht sich deshalb, deutsche Stahlproduzenten verstärkt zu zertifizieren. Allerdings müsste der deutsche Stahl nicht nur qualitativ den Anforderungen entsprechen, er müsste eben auch preislich konkurrenzfähig sein.
Die Zeichen in Deutschland stehen auf Aufrüstung. Ökonomen wie Achim Truger warnen auch davor, in diesen Zeiten globaler Konflikte den eigenen benötigten Stahl aus dem Ausland zu beziehen, da dies in den sich schnell ändernden Zeiten zu Lieferengpässen und Abhängigkeiten führen kann. Er plädiert für eine aktive Förderung der deutschen Stahlindustrie durch den Staat, mit Beteiligungen und Absatzstrategien.
Auch die EU plant Sonderprogramme für die Stahlindustrie
Auch von Seiten der EU kommt Hilfe für die Stahlindustrie. Gerade erst vergangene Woche wurde dafür bei Thyssen Krupp eine Aktionsplan vorgestellt, der milliardenschwere Unterstützung in Form von geringeren Energiesteuern und einen besseren Schutz vor Billigstahlimporten vorsieht. Für Thyssen Krupp kommt allerdings eine Staatsbeteiligung momentan nicht infrage. Der Konzern konzentriert sich im Bereich der Stahlproduktion aktuell auf Produktionen für die Automobilindustrie oder Haushaltsgerätehersteller.
Allerdings kann auch die Rüstungsindustrie alleine die deutsche Stahlbranche nicht retten. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Verwerfungen würde eine starke Stahlindustrie in Deutschland aber mehr Unabhängigkeit bedeuten.