Steuerhinterziehung: Zahl der Betriebsprüfungen geht seit Jahren zurück – das bringt Probleme mit sich

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung ist immer wieder ein erklärtes Ziel der Politik. Doch in der Realität gibt es immer weniger Betriebsprüfungen und damit gibt es auch immer weniger nachträglich erhobene Steuern. Die Hintergründe.
Steuerhinterziehung: Zahl der Betriebsprüfungen geht seit Jahren zurück - das bringt Probleme mit sich

Kampf gegen Steuerhinterziehungen stagniert: Betriebsprüfungen gehen weiter zurück

Wie Bundesfinanzminister Lars Klingbeil gerade erst wieder betonte, ist der Kampf gegen Steuerhinterziehung ein erklärtes Ziel seiner Finanzpolitik und eine wichtige Priorität. Für ihn ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dafür zu sorgen, dass sich große Unternehmen und auch vermögende Bürger nicht auf Kosten der Allgemeinheit bereichern können. Allerdings spiegelt die Aussage Klingbeils nicht die Realität wider, denn das Engagement der Finanzbehörden in den Ländern zur Aufdeckung von Steuerbetrug ist schon seit Jahren rückläufig. Insgesamt gehen geschätzte 100 Milliarden Euro jedes Jahr Bund, Ländern und Gemeinden durch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug verloren. Neben der klassischen Steuerhinterziehung geht es dabei auch um Schwarzarbeit, Mehrwertsteuerbetrug und fehlerhafte Steuererklärungen.

Insgesamt 12.350 Betriebsprüfer waren im vergangenen Jahr in den Finanzverwaltungen beschäftigt, wie eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung unter den Bundesländern ergab. Das sind knappe 10 Prozent weniger als noch vor 10 Jahren. Noch dramatischer sank die Anzahl der jährlich geprüften Unternehmen. Seit 2015 sank diese um ganze 60 Prozent auf aktuell nur noch 140.000 Prüfungen in den insgesamt 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland. Logischerweise hat dies auch zur Folge, dass die Steuernachzahlungen infolge der Prüfungen immer weiter zurückgehen. Wurden in den beiden Jahrzehnten vor der Pandemie noch rund 16 Milliarden Euro von den Betriebsprüfern durchschnittlich eingetrieben, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 11 Milliarden. Eine sehr ungünstige Entwicklung, wenn man bedenkt, dass in den Haushaltsplänen von 2027 bis 2029 aktuell noch gute 170 Milliarden Euro fehlen.

Nicht einmal jedes 60. Unternehmen wurde letztes Jahr geprüft

Wie das Bundesfinanzministerium mitteilte, wurden im vergangenen Jahr nur 16 von 1000 Betrieben geprüft. Allerdings ist die Prüfungsdichte dabei stark von der Unternehmensgröße abhängig. So wurden bei großen Unternehmen immerhin 296 Betriebe von 1000 geprüft, bei mittleren Unternehmen immerhin noch 183 von 1000. Durchgehend geprüft werden nur Großkonzerne, bei denen die steuerlichen Angaben für mehrere Jahre unter die Lupe genommen werden.

Kleine Unternehmen werden durchschnittlich nur alle 38 Jahre überprüft. Kleinstbetriebe, die immerhin 80 Prozent der deutschen Firmen ausmachen, sind nur alle 150 Jahre dran. Dies alles gilt für reguläre Betriebsprüfungen und nicht für Fälle, in denen der Verdacht auf eine Steuerstraftat besteht. Bei einem konkreten Verdacht können Steuerfahnder gezielt in die Betriebe geschickt werden, die umfangreichere Befugnisse haben und auch Unterlagen sicherstellen und Verdächtige festnehmen dürfen.

Bei mehr als der Hälfte der Betriebsprüfungen werden Steuernachzahlungen fällig

Auch wenn die Anzahl der Betriebsprüfungen sinkt, so sind die durchgeführten Betriebsprüfungen doch ziemlich erfolgreich in Bezug. In mehr als der Hälfte aller Fälle werden Steuernachzahlungen fällig. Das liegt auch an den Auswahlkriterien. Geprüft werden vorrangig Unternehmen, die bereits Auffälligkeiten aufweisen oder aufgrund der Branchenzugehörigkeit ein höheres steuerliches Risiko aufweisen. Betriebe der Gastronomie- oder Glücksspielbranche werden entsprechend häufiger geprüft als Arztpraxen oder Rechtsanwaltskanzleien. In der Baubranche wird auch viel geprüft – hier geht es allerdings in erster Linie um Schwarzarbeit.

Mehr Betriebsprüfer bedeuten nicht unbedingt auch wesentlich höhere Einnahmen

Zunächst einmal erscheint es logisch, die Zahl der Betriebsprüfer aufzustocken, denn die Erfahrung zeigt, dass jeder Prüfer im Jahr Mehreinnahmen von ca. einer Million Euro in die öffentliche Kasse spült. Er bringt dem Staat also wesentlich mehr ein als er kostet. Und doch nimmt die Zahl der Prüfer beständig ab. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass mehr Prüfer auch nicht unbedingt zu Mehreinnahmen in der beschriebenen Größenordnung führen würden, denn schon jetzt werden die Prüfungen gezielt dort angesetzt, wo auch am meisten an Steuernachzahlungen zu holen ist. Zusätzliche Steuerprüfer würden dann im Bereich weniger steuerlich anfälliger Unternehmen tätig werden und würden dort nicht die gleichen Erfolge erzielen können. Statt umfangreicher zusätzlicher Staatseinnahmen würde sich vermutlich vor allem eins erhöhen – die Bürokratie, die den Staatsapparat weiter aufblähen würde.

Für die Einstellung zusätzlicher Steuerprüfer sind ferner ausschließlich die Länder zuständig und sie müssten diesen zusätzlichen Beamten dann später auch die Pensionen bezahlen. Umgekehrt ist es allerdings so, dass die zusätzlichen Einnahmen, die in erster Linie aus Gemeinschaftssteuern, wie Einkommens- Umsatz- und Körperschaftssteuer kommen, zwischen Bund, Ländern und Kommunen geteilt werden. Auch aus diesem Grund sind die Länder wenig motiviert, den Beamtenapparat in diesem Bereich auszubauen.

Der Rückgang bei den Betriebsprüfungen ist auch personell bedingt, denn es fehlt auch in den Steuerbehörden an Fachkräften und an geeignetem Nachwuchs. Steuerprüfungen werden ferner immer zeitaufwändiger und komplexer und Fachkräfte wurden zuletzt behördenintern auch für andere Projekte gebraucht, wie beispielsweise im Rahmen der Grundsteuerreform.

Kritik an den Entwicklungen von der Initiative Finanzwende und dem Bundesrechnungshof

Die aktuellen Entwicklungen bei den rückläufigen Steuerprüfungen werden jedoch vielfach kritisiert. Wie Anne Brorhilker als Geschäftsführerin der Initiative Finanzwende ausführte, ist eine bessere Performance der Finanzbehörden notwendig, um Rechtsstaat und Demokratie stärken zu können. Sie plädiert dafür, dass der Bund zusätzliche Betriebsprüfer einstellen sollte, wenn die Länder dies finanziell nicht stemmen können.

Unterstützung bekommt sie dabei auch vom Bundesrechnungshof, der die Untätigkeit der Länder ebenfalls kritisiert. Er betont, dass das fehlende Engagement der Steuerbehörden die Haushalte von Bund und Ländern belastet und steuerehrliche Unternehmen benachteiligt. Eine Stärkung der Finanzbehörden sei unumgänglich und vor allen Dingen bräuchten diese eine moderne IT-Infrastruktur.

Der Rechnungshof schätzt alleine den finanziellen Schaden durch nicht erfasste Bareinnahmen auf bis 70 Milliarden Euro im Jahr. Obwohl die Kassenschauen zuletzt umfangreich ausgebaut wurden, werden doch nur 2,4 Prozent der Bargeld-intensiven Betriebe wie Gastronomie oder Einzelhandel jährlich geprüft. Die aktuell noch geltende Bonpflicht will die aktuelle Bundesregierung im Rahmen des Bürokratieabbaus abschaffen – für den Bundesrechnungshof eine kontraproduktive Maßnahme.

Steuerhinterziehung: Auch Fahndungsprüfungen bei den Bürgern sind rückläufig

Nicht nur die Betriebsprüfungen sind rückläufig, auch die Personenüberprüfungen bei Verdacht auf Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug werden weniger. Allerdings wird hier bislang jährlich relativ konstant ca. 1 Milliarde Euro nachträglich eingetrieben. Diese Überprüfungen bei Privatleuten können sich dabei sowohl auf den privaten, den beruflichen als auch einen betrieblichen Kontext beziehen. Im Fokus stehen dabei insbesondere vermögende Personen, die eben keine Arbeitnehmer sind, denn diese haben fast keine Möglichkeit, Steuern zu hinterziehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich für das Bekenntnis zum Kampf gegen Steuerhinterziehung seitens der Politik in der Realität kein entsprechendes Engagement finden lässt. Wie dargestellt, sind die Gründe hierfür vielfältig.

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