Die mächtigste Bank der Welt sieht weiter Probleme

Die Entscheidung der US-Notenbank Federal Reserve, weiter unbegrenzt Geld zu drucken könnte auf „Befehl von oben“ gefallen sein.

Offenbar dämmert den Zentralbanken, dass es eng wird.

Sehr eng.

Die mächtigste Bank der Welt, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichten Quartals-Bericht das mögliche Ende der Geldschwemme direkt angesprochen – und gleichzeitig die Lage auf den Schulden-Märkten als äußerst kritisch beschrieben. Die „außergewöhnlichen Maßnahmen der Zentralbanken“ – aka das hemmungslose Drucken – hätten auf den Märkten die Illusion geweckt, dass die massiv in den Markt gepumpte Liquidität die fundamentalen Probleme lösen könnte (mehr zu den gewaltig angestiegenen Schulden – ).


Diese klaren Worte dürften dazu geführt haben, dass Ben Bernanke und der Offenmarkt-Ausschuss der Fed kalte Füße bekommen haben. Statt wie erwartet, das Ende der Geldschwemme nun auch formell anzukündigen, hat sich die Fed entschlossen, einfach weiterzumachen wie bisher.

Wenn man den BIZ-Experten glauben darf, wird damit kein einziges Problem gelöst.

Alle Probleme werden nur noch größer.

Weil die BIZ offenbar jedoch selbst nicht weiß, wie sie den Geist wieder in die Flasche bekommt, lohnt es sich, jenen zuzuhören, die Teil des Systems waren – nun aber keine offiziellen Funktionen mehr haben und daher klare Worte finden können.

Der frühere Chef-Ökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), William White, hat sich parallel zur BIZ ebenfalls zu Wort gemeldet.

Seine Aussagen sind nicht mehr und nicht weniger als ein Ankündigung des großen Crashs.

White warnt in ungewöhnlich deutlicher Form vor einer enormen, weltweiten Kreditblase.

Der Anteil der „leveraged loans“ oder die extreme Form des Kreditrisikos lagen Mitte 2013 bei einem Allzeithoch von 45 Prozent. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2007. Ein Jahr später, im September 2008 gingen Lehman Brothers pleite.

Demnach ist die aktuelle Lage wesentlich gefährlicher als vor der Lehman-Insolvenz.

„Alle vorherigen Ungleichgewichte sind immer noch da. Insgesamt liegt die öffentliche und private Verschuldung bei 30 Prozentpunkten, gemessen am Anteil des Bruttosozialprodukts der Industrieländer. Und wir haben ein ganz neues Problem mit Blasen in den Schwellenländern, die in einem Boom-Bust-Zyklus enden werden“, schreibt William White im britischen Telegraph.

Ursache sei die weltweite Jagd auf risikoreiche Finanzprodukte. Das kollektive Verhalten erinnere an das Phänomen der „Überschwänglichkeit“, die in die globale Finanzkrise führte.

Entscheidend sei, so warnt White, dass niemand wisse, wie hoch die globalen Fremdkapitalkosten steigen, ob die US-Notenbank ihre Geldpolitik verschärft, oder „wie ungeordnet der Prozess möglicherweise ist und die Herausforderungen vorbereitet werden soll.“

Dies bedeutet: Es ist eine Illusion zu glauben, dass der Markt unter Stress liquide bleiben würde. Die BIZ ist schon seit längerem über die außer Kontrolle geratene Entwicklung besorgt, erst vor wenigen Monaten hatte BIZ-Chef Jaime Caruana vor einer schweren Krise gewarnt (hier).

Bemerkenswerter Weise kritisierte die BIZ, die auch gerne als Bank der Zentralbanken beschrieben wird, die offenkundig unzureichenden Aktionen der Zentralbanken. Namentlich nahm sich die BIZ den Gouverneur der Bank of England, Mark Carney und seinen Amtskollegen, EZB-Chef Mario Draghi, vor.

Der Versuch, bestimmte „Richtlinien“ („forward guidance“) zu definieren, um langfristig die Zinsen für Staatsanleihen niedrig zu halten, sei allein Rhetorik, die im Wesentlichen versagte. „Es gibt Grenzen dafür, wie weit die gute Kommunikation Märkte steuern können. Diese Grenzen sind allzu offensichtlich“, sagte Claudio Borio, zuständig für Forschung und Entwicklung bei der BIZ. Die Richtlinien der EZB bestehen in der Ankündigung, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen (OMT). Die Fed und die Bank of England hatten ihre Maßnahmen an die Arbeitslosenzahl gekopppelt.

Bereits im Jahresbericht 2012/2013 hielt die BIZ die Schuldentragfähigkeit der Industrieländer als desolat und pochte auf einen schnellen Schuldenabbau.

Zu welchen Konsequenzen es führt, wenn die Industriestaaten den Schuldenabbau nicht in den Griff bekommen, wird am Beispiel der USA klar: Vorausgesetzt, das Rendit-Niveau der US-Staatsanleihen wächst über die gesamte Laufzeit um drei Prozent an, so müssten Investoren dieser Staatsanleihen einen Verlust von über einer Billion US-Dollar in Kauf nehmen.

In Italien, Frankreich, Großbritannien und Japan würden in diesem Fall die Verluste etwa zwischen 15 und 35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, warnte die BIZ bereits im August dieses Jahres.

Eine weitere Folge sei, dass Zentralbanken und Banken mit großen Beständen an US-Staatsanleihen zu den am meisten Geschädigten gehörten. Sie wären damit insolvent.

Bisher war es nützlich, Vorhersagen der BIZ ernst zu nehmen. Die BIZ hatte vor sechs Jahren auf das Eintreten der globalen Finanzkrise und auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen.

Ende vergangenen Jahres warnte auch Kaushik Basu, Chefökonom der Weltbank: „Eine Schuldenwand kommt auf uns zu“.

Er bezog sich damit auf die von der EZB den Banken zur Verfügung gestellten rund eine Billion Euro LTRO (longer-term refinancing operations). Ziel der EZB war, damit einen „Transmissionsriemen der Geldpolitik“ herzustellen, der vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen in Südeuropa zugutekäme und somit die Eurokrise zu stoppen.

Dabei handelt es sich um Kredite für die Banken mit einer dreijährigen Laufzeit, die jeweils Ende 2014 und Anfang 2015 zur Rückzahlung fällig werden. Ob dies gewährleistet ist, in welcher Höhe die Kredite von den Banken in Anspruch genommen wurden und wie und ob sie an die EZB zurückgezahlt werden, ist vollkommen intransparent.

Der Chefökonom der Weltbank, Kaushik Basu, sprach in diesem Zusammenhang davon, dass man in den Jahren 2014 und 2015 mit einer „weiteren großen Erschütterung“ für die Weltwirtschaft rechnen müsse.

BIZ und Weltbank sind die zentralen globalen Instanzen, die über die wirtschaftliche Entwicklung der Welt bestimmen (mehr zu diesem gespenstischen Geflecht – ). Beide Banken haben, gemeinsam mit dem IWF, theoretisch die Aufgabe, die Zentralbanken zu beaufsichtigen.

Tatsächlich besteht das Personal in den Zentralbanken jedoch aus einer Kombination von Wirtschafts-Wissenschaftlern und Investment-Bankern, namentlich von Goldman Sachs: Draghi und Carney kommen von Goldman. Bernanke arbeitete für Harvard, Stanford und Princeton.

Wissenschaftler und Investment-Banker haben in der Regel wenig Ahnung von der realen Wirtschaft. Die einen sind der Theorie verpflichtet, die anderen den handfesten Interessen der elitären Welt der Investment-Banken. Sie haben niemals auch nur einen Tag wie normale Menschen gearbeitet, sagt der Investor Marc Faber.

Mit der ungebremsten Geldschwemme kommt der giftige Cocktail aus wissenschaftlicher Theorie und Dauer-Party für die Spekulanten nun an seinem Bodensatz angelangt.

Der Tagesanzeiger aus Zürich glaubt, dass Bernanke und seine Kollegen durch das Gelddrucken „eine weltweite Depression verhindert“ hätten.

Aber:

„Es ist ihnen aber nicht gelungen, damit eine nachhaltige Erholung der realen Wirtschaft zu bewerkstelligen. Zudem hat die unkonventionelle Geldpolitik ihren Preis. Die damit verbundene Geldflut gefährdet das Vertrauen der Menschen in die Währungen. Obwohl es keine Anzeichen dafür gibt, dass die Teuerung ansteigt, nimmt die Angst vor Inflation zu. Der politische Druck auf die Notenbanken, die Geldschleusen wieder zu schließen, ist daher sehr groß geworden.“

Das Problem: Die Zentralbanken haben vor dem Schließen der Schleusen offenbar noch mehr Angst aus vor dem vermeintlich sicheren „Weiter so!“.

Die FT kam kürzlich zu einer radikalen Schlussfolgerung: „Die Zentralbanken haben die Hoffnung aufgegeben, dass sie das Weltfinanz-System wieder in Ordnung bringen können.“ Vom jährlichen Treffen der Fed in Kansas nahm die Zeitung das Fazit mit: „Die Welt ist zu einem endlosen Zyklus von Blasen, finanziellen Krisen und Währungs-Kollapsen verdammt.“ Die Zentralbanken hätten keine Werkzeuge, um die globalen Ungleichgewichte auszubalancieren.

Hélène Rey von der London Business School hat in einem Arbeitspapier für Jackson Hole die Folgen als „hoffnungslos“ beschrieben: Die Zentralbanken könnten nicht mehr steuern, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt. In einem von der Geldschwemme der Fed ausgelösten globalen Kredit-System seien die Kapitalflüsse nicht mehr zu kontrollieren. Selbst bei flexiblen Wechselkursen verlieren die Staaten der Welt die Möglichkeit, Herren über ihr eigenes Schicksal zu sein. Die einzige Lösungen, von der Rey nicht erwartet, dass die Welt sie akzeptieren würde, wäre die Verhängung von weltweiten Kapitalverkehrskontrollen oder die totale Kontrolle der US-Notenbank über die Weltwirtschaft.

Es wäre illegal, wenn die Fed ihre Politik auf die Entwicklungen in anderen Staaten abstellen würde.

Doch auch alle anderen Lösungen sind unwahrscheinlich: Es gibt massive Widerstände gegen die freiwillige Rückkehr zum Gold-Standard. Die Einführung von strengen Kapitalverkehrskontrollen, strenge Regulierung der Banken und ein Verzicht der Politik in aller Welt auf das Schuldenmachen, wie von Rey vorgeschlagen, werden in der Praxis nicht stattfinden. Das Scheitern der Finanztraktionssteuer  und des Verbots des Short-Sellings  zeigen: Die Entwicklung ist aus dem Ruder gelaufen.

Die BIZ weiß das und bereitet die Märkte auf das Schlimmste vor.

Die aktuelle Entscheidung der Fed zum weiteren Gelddrucken ist daher nichts anderes als der Befehl „Schotten dicht!“, und somit die Rückkehr zum Primat der nationalen Interessen Amerikas.

Was diese Entscheidung weltweit auslösen wird, können die Amerikaner nicht mehr beeinflussen.

Ab jetzt gelten folgende Losungen: Jeder ist sich jeder selbst der Nächste! Rette sich, wer kann! Frauen, Kinder und Banker zuerst! Mehr Öl ins Feuer!

Wir haben nun das Eingeständnis der Zentralbanken, dass sie den Schulden-Tsunami nicht mehr stoppen können.

Sie versuchen nur noch eines: Einen Zustand zu erreichen, bei dem sie noch sagen können: „Nach uns die Sintflut!“

Gerade dieses Rennen aber wird eng, verdammt eng.

Schreibe einen Kommentar