Anja Förster und Dr. Peter Kreuz sind Wirtschaftswissenschaftler und gelten als Vordenker einer neuen Generation in Wirtschaft und Management. Seit 2001 sind sie gemeinsam als Managementberater selbstständig und auch als Bestsellerautoren („Alles, außer gewöhnlich“, „Spuren statt Staub“) erfolgreich.
FinanzPraxis: Als Business-Querdenker halten Sie den Unternehmen einen Spiegel vor. Was regt Sie auf?
Peter Kreuz: Dass erwachsene Menschen in viel zu vielen Unternehmen immer noch wie Kinder behandelt werden! Das ist doch verrückt. Aber noch viel absurder ist dann die Beschwerde der Chefs in genau diesen Unternehmen über die mangelnde Initiative, Kreativität und Leidenschaft ihrer Mitarbeiter.
Wir haben aber gar keine andere Chance: Seine Arbeit sorgfältig, zuverlässig, pünktlich und unter Einsatz von einer Prise Intelligenz zu erledigen ist heutzutage nicht mehr ausreichend. Was den wettbewerbsentscheidenden Unterschied ausmacht sind Mitarbeiter, die ihr volles Potenzial bei der täglichen Arbeit einbringen, Menschen die eigeninitiativ, kreativ und leidenschaftlich jeden Tag an wertschaffenden Lösungen für ihr Unternehmen und ihre Kunden arbeiten. Der springende Punkt dabei: Kreativität, Initiative und Leidenschaft kommen nur dann zum Tragen, wenn im Gegenzug eine andere Art der Führung gelebt wird, die den Mitarbeitern ein sehr hohes Maß an Freiraum und Vertrauen gewährt und erwachsene Menschen nicht mit Hilfe von Richtlinien, Dienstvorschriften und Regularien wie Kinder behandelt.
FinanzPraxis: Nun haben Sie für Ihr Buch „Alles, außer gewöhnlich“ viel recherchiert und stellen darin Unternehmen vor, die alles, außer gewöhnlich sind. Was sind einige der Gesetzmäßigkeiten, die Sie bei diesen Firmen gefunden haben?
Anja Förster: Außergewöhnlich erfolgreiche Unternehmen haben den Mut, intelligent gegen scheinbar unumstößliche Gesetze ihrer Branchen zu verstoßen und eigene neue Regeln aufzustellen. Um das zu tun, sind vier Dinge unabdingbar: Erstens einen unvoreingenommenen Blick auf bestehende Märkte und Zielgruppen. Zweitens den Mut, Branchendogmen konsequent infrage u stellen. Drittens das Rückgrat, Neues auch umzusetzen – oftmals gegen die institutionalisierten Bedenkenträger und scheinbar unverrückbare ökonomische und gesellschaftliche Wahrheiten. Und viertens eine gehörige Portion Sturheit: Diese Organisationen glauben an ihre Ideen und setzen sie durch. Ihr Credo: Das Unmögliche ist oft auch das Unversuchte.
FinanzPraxis: Welches ist eine außergewöhnliche Querdenker-Idee, die Sie bei Ihrer Forschung beeindruckt hat?
Peter Kreuz: Der Online-Schuhversender Zappos setzt eine Menge ungewöhnlicher Ideen um. Und einer der Haupttreiber für das fortwährende Ausprobieren neuer, ungewöhnlicher Ideen ist die Unternehmenskultur, gestützt durch einen fest definierten und gelebten Wertekanon. Nun lässt sich ja einwenden, dass sich so ziemlich jedes Unternehmen irgendwann einen Wertekatalog auf die Fahnen schreiben kann. Aber bei Zappos gilt: Das Unternehmen wurde basierend auf diesen Werten GEGRÜNDET. Bei Null Dollar Umsatz standen sie schon fest und wurden dann in die Tat umgesetzt. Das sieht zum Beispiel so aus: Jeder neue Mitarbeiter erhält nach erfolgreichem Abschluss seiner Probezeit das Angebot, entweder mit einem Bonus von 2.000 Dollar in der Tasche das Unternehmen zu verlassen oder ohne diesen Bonus weiter zu arbeiten. Nach dem Motto: Nimm das Geld und geh‘ – oder aber es ist Dir mehr wert zu bleiben. Eine simple Methode für Zappos, um herauszufinden, wer sich leidenschaftlich der Firma zugehörig fühlt und wer nicht. Ein anderer wichtiger Grundsatz bei Zappos ist der, ständig zu wachsen und zu lernen. Auch dafür bietet Zappos ein anschauliches Beispiel: Mit dem Consulting-Service Zappos Insight bietet man anderen Unternehmern für nicht einmal 40 Dollar pro Monat interessante Einblicke in seine Firma und seine Erfolgsrezepte. Welches andere Unternehmen würde sich für 40 Dollar in die Karten schauen lassen? Das Credo: Wer Sein und Handeln in authentischen Einklang bringt und dabei an sich glaubt, muss keine Angst vor Transparenz haben.
FinanzPraxis: Welche Methoden fallen Ihnen ein, um Kunden in der Finanzbranche zu verblüffen?
Anja Förster: Kundenverblüffung ist ein ziemlich inflationär gebrauchter Begriff, der gerne auch mal mit einem witzigen Gimmick verwechselt wird. Damit entfachen ie bestenfalls ein kurzzeitiges strohfeuer. Echte Kundenverblüffung funktioniert nur, wenn Sie als Unternehmen tatsächlich ein tiefes Verständnis der kompletten Wertschöpfungskette Ihrer Kunden entwickeln und bei jedem Wertschöpfungsbaustein intelligente Antworten auf die Fragen finden: Wie könnten wir das radikal neu überdenken und wertschöpfend innovieren? Ein Beispiel: die holländische Privatbank Insinger de Beaufort hat einen Service entwickelt, der für zeitknappe vermögende Kunden gedacht ist und ihnen das nervige Sortieren von Rechnungen, Kontoauszügen, Quittungen, Steuerbescheiden, Strafzetteln, etc. erspart. Der Kunde sammelt all diese Dinge einfach in einen kleinen Karton und am Ende des Monats wird diese „Zettelwirtschaft“ von einem Kurier der Bank abgeholt. Drei Geschäftstage später erhalten Sie eine komplette Übersicht der Finanzflüsse und man kümmert sich, wenn es vom Kunden gewünscht wird, auch um das Follow-up also die Bezahlung der Rechnungen, das Ausfüllen der Steuerunterlagen, die Erstellung von Spesenabrechnungen, etc. Eine clevere Idee für die Zielgruppe der Bank. Aber Vorsicht! Es geht nicht warum, dieses Beispiel jetzt so oder so ähnlich zu kopieren. Das wäre dumm, denn Kundenverblüffung funktioniert nur, wenn Ihre Idee einzigartig ist und nicht schon so oder so ähnlich von Ihrem Wettbewerber praktiziert wird.
FinanzPraxis: Was sind für Sie die effektivsten Networking Tools für Sie?
Peter Kreuz: Wir betreiben kein bewusstes Networking. Stattdessen stellen wir uns regelmäßig die Frage: Welche wirklich interessanten Menschen haben wir in den vergangenen vier Wochen kennengelernt? Und das hat einen ganz simplen Grund: Mit der Zeit werden wir so wie die Leute, mit denen wir uns tagtäglich umgeben. Wer sich mit Langweilern umgibt, wird langweilig. Wer sich herausfordern lässt, wird neue Seiten an sich entdecken. Wer weiter will, umgibt sich mit Leuten, die anders sind als er selbst und lässt Reibung zu.
Anja Förster: Für uns gilt: Wir langweilen uns in Gesellschaft von Gleichgesinnten. Wir gehen nicht sonntags Golf spielen, um auf dem Rasen dieselben Dinge zu hören wie letzten Donnerstag auf den Fluren irgendeines Konzerns. Wenn wir etwas Neues für unser Geschäft lernen wollen, unterhalten wir uns mit Andersdenkern. Mit Künstlern, Architekten, Filmemachern, Musikern. Wir versuchen, uns ständig mit neuen Leuten zu umgeben, die anders ticken. Diese schrägen Vögel brauchen wir wie die Luft zum atmen.
FinanzPraxis: Welche Lehren sollte die Finanzbranche Ihrer Meinung nach aus der aktuellen Krise ziehen?
Peter Kreuz: Wir alle, Politik, Wirtschaft und mündige Bürger, sind momentan hoffentlich damit beschäftigt, die richtigen – und nicht die falschen – Lektionen aus der Finanzkrise zu lernen. Der größte Trugschluss aus unserer Sicht lautet: Keine Freiräume mehr für Experimente.
Kreativität, Mut und kalkulierte Risikobereitschaft jedem operativ entfernen, der ins mittlere Management aufsteigt. Natürlich wollen es jetzt wieder alle gewusst haben. Die Finanzkrise als Folge von Kreativität, die Amok gelaufen ist. Ging es uns nicht allen besser, als es noch nicht diese komplizierten Finanzprodukte gab, die kein Mensch mehr verstanden hat? Sollten wir nicht diesen ganzen innovativen Quatsch gleich mit abschaffen?
Anja Förster: Warren Buffet hat dazu in einem Interview etwas sehr Intelligentes gesagt. Er sieht einen natürlichen Entwicklungspfad für Innovationen, den er durch die „drei I‘s“ gekennzeichnet sieht: Zuerst kommen die Innovatoren, die Chancen erkennen, die andere Menschen nicht sehen. Dann kommen die Imitatoren, die die Ideen der Innovatoren gnadenlos kopieren. Und zum Schluss kommen die Idioten, die diese Innovationen dazu benutzen wollen, sehr schnell sehr viel Geld zu machen. Dank ihrer ungezügelten Gier gelingt es ihnen, die ursprünglich innovativen Ideen in ihr Gegenteil zu verkehren. Wir sagen „Amen“ dazu. Das Problem sind nicht die Innovationen, sondern Idiotie und Geldgeilheit.
FinanzPraxis: Was ist das besondere am Ihrem Backstage Report für die Leser?
Peter Kreuz: Wir fahnden auf allen fünf Kontinenten nach Unternehmen, die so unkonventionell wie erfolgreich sind. Nach Organisationen, denen sich die besten Talente und Kunden anschließen und nach Menschen, die dafür brennen, mit ihrer Arbeit einen echten Unterschied zu machen. Jeden Monat stellen wir in unserem kostenlosen elektronischen Magazin, die interessantesten Menschen und Organisationen vor.