Von Bullen und Bären

Anleihen sind sicherer als Aktien. Das weiß jeder, der sich mit Geldanlage beschäftigt. Und hohe Dividenden sind ein sicheres Einkommen. Falsch! Das sind einige der Mythen, die Vermögensverwalter Ken Fisher enthüllt

Von wegen Stoppkurse stoppen Verluste. Von wegen Anleihen sind sicherer als Aktien. Und: Von wegen hohe Dividenden sind ein sicheres Einkommen. Diese und viele andere vermeintliche Wahrheiten kennt jeder Anleger. Aber stimmen sie deshalb auch? Der renommierte Vermögensverwalter Ken Fisher räumt in seinem neuen Buch „Börsen-Mythen enthüllt für Anleger“ auf mit falschen Wahrheiten

Einer der wohl gängigsten Mythen: Anleihen sind sicherer als Aktien. Der Börsencrash nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ist vielen Anlegern noch schmerzhaft in Erinnerung. Aktien rauschten weltweit in den Keller, einzelne Papiere verloren 50 Prozent und mehr. Das tat weh. Dass die folgenden Jahre aber äußerst gute Jahre für Aktieninvestoren waren, wiegt in unserer Erinnerung nicht so viel wie die hohen Verluste aus der Zeit zuvor. Anleger mögen keine hohen Schwankungen und schon gar keine Minuszeichen, und genau deshalb greifen viele nach schlechten Erfahrungen mit Dividendentiteln lieber zu den vermeintlich sicheren Anleihen.


Aber stimmt das überhaupt? Sind Anleihen die bessere Wahl? „Die Frage, ob Anleihen sicherer sind oder nicht, hängt davon ab, was man mit ‚sicher‘ meint“, schreibt Ken Fisher. Er bestreitet nicht, dass Anleihen normalerweise nicht so volatil, also schwankungsanfällig sind wie Aktien. Allerdings macht er die ihm sehr wichtige Einschränkung „über kürzere Zeiträume“. Denn er beweist, dass über lange Zeiträume hinweg die Volatilität der Aktien enorm abnimmt, über 30 Jahre hinweg ist sie sogar nur noch halb so hoch wie bei Festverzinslichen. Die Rendite aber ist deutlich höher.

Wer also die kurzfristigen höheren Schwankungen von Aktien in Kauf nimmt, wird langfristig belohnt. Ken Fisher belegt das anhand von Daten aus den vergangenen 90 Jahren: Historisch gesehen entwickeln sich Aktien in 62 Prozent der Kalendermonate positiv. Rollierende Zwölf-Monats-Zeiträume sind in 73,2 Prozent der Fälle positiv. Anleger sollten also mehr Angst haben, dass sie die Anstiege des Marktes verpassen, so Fisher, als das sie einen Crash miterleben. Und auch wenn Anleihen weniger stark schwanken, sicher ist, dass Anleger mit ihnen langfristig geringere Renditen einfahren.

Fehleinschätzung bei Anleihen

Die Fehleinschätzung, Anleihen seien sicherer als Aktien, kostet also Rendite. Und das kann gerade bei der Altersvorsorge fatale Auswirkungen haben. Ken Fisher ist überzeugt, dass der Anlageerfolg zu zwei Dritteln darin besteht, Fehler zu vermeiden, und zu einem Drittel daraus, dass man etwas richtig macht. Was einfach klingt, ist in der Praxis gar nicht so einfach umzusetzen, denn Fehler begehen Anleger nicht, weil sie wissen, dass es Fehler sind. Sondern sie machen sie, weil sie diese Fehler für die richtigen Entscheidungen halten. Oft fallen sie auf Mythen herein, weil sie dem gesunden Menschenverstand entsprechen oder weil kluge Leute es in der Vergangenheit genauso gemacht haben. Die Kunst besteht also darin, so Fisher, immer und überall alles zu hinterfragen, anstatt sich auf altbewährte Weisheiten zu verlassen

Stopp dem Stoppkurs

Hohe Dividenden sind ein sicheres Einkommen, das ist eine solche altbewährte Weisheit. Fisher warnt davor, dem Mythos aufzusitzen, man könne seinen Ruhestand mit einem Portfolio, das viele Aktien mit hohen Dividendenrenditen und/oder Festverzinsliche mit hohen Kupons enthält, leicht und berechenbar finanzieren. Diese gängige Anlagestrategie hat durchaus ihre Tücken, denn Aktien mit hoher Ausschüttungsquote kommen – genau wie alle anderen großen Aktienkategorien – mal in Mode und mal wieder aus der Mode. Sie machen also Phasen durch, in denen sie führend sind, und Phasen, in denen sie hinterherhinken. Wer also ausschließlich auf Aktien mit hoher Dividendenrendite setzt, ist nicht in jeder Marktlage optimal investiert.

Nun könnte man einwenden, dass das einen Langfristanleger, dem es auf den Cashflow, also die regelmäßige Ausschüttung ankommt, nicht unbedingt interessieren muss. Ein weiteres Manko ist aber: Die Dividenden sind nicht garantiert. Firmen können ihre Ausschüttungen kürzen oder komplett streichen – und das tun sie auch. Eine hohe, vielleicht sogar steigende Dividendenrendite muss auch nicht zwangsläufig bedeuten, dass ein Unternehmen besonders gut dasteht. Stürzt der Kurs ab, steigt nämlich rein rechnerisch die Dividendenrendite. Hat der Kursverfall einen guten Grund, etwa dass die Geschäfte nicht mehr so gut laufen, folgt die Dividendenkürzung meist einige Zeit später. „Wenn man sich ausschließlich auf die Dividendenrendite konzentriert, kann man weit hinter dem zurückbleiben, was man andernfalls bekommen hätte“, warnt Fisher.

Der Vermögensverwalter will aber keinesfalls einzelne Strategien verteufeln. Im Gegenteil. Er animiert seine Leser immer wieder, gängige Meinungen und vermeintliche Wahrheiten zu hinterfragen. „Wenn man feststellt, dass etwas, was man bislang für wahr hielt, in Wirklichkeit ein Mythos ist, hält einen das von einem womöglich kostspieligen, vielleicht wiederholten Fehler ab“, schreibt er in seinem Vorwort. „Das ist nicht erniedrigend, sondern schön. Und möglicherweise gewinnbringend.“

Ein Mythos, der zwangsläufig das Gegenteil bewirkt, ist dieser: Stoppkurse stoppen Verluste. Ein Stop-Loss ist eine Verkaufsorder, die bei einem Broker oder der Bank abgegeben wird, und die automatisch ausgelöst wird, wenn ein bestimmter, vorher festgelegter Kurs unterschritten wird. Dahinter steht der Gedanke, dass der Stop-Loss Anleger vor großen Verlusten bewahrt. Wenn eine Aktie fällt und den Stoppkurs erreicht, wird sie verkauft. Keine katastrophalen Verluste mehr von 80 Prozent! Klingt verlockend? Doch Fisher ist überzeugt: „Die Methode funktioniert einfach nicht – jedenfalls nicht wie erhofft.“

Ein Grund sind allgemeine Marktkorrekturen, die relativ häufig, nämlich ungefähr einmal im Jahr passieren. Wenn eine Aktie zusammen mit dem Gesamtmarkt fällt, ist nicht unbedingt die Aktie daran schuld. Ein Stoppkurs schützt dann nicht vor einem Verlust, im Gegenteil. Er garantiert lediglich, dass der Anleger in einem relativen Tief verkauft und zusätzliche Transaktionskosten bezahlt. Dann kann es passieren, dass er auf Bargeld sitzt, wenn der Markt – und mit ihm die soeben verkaufte Aktie – schnell dreht und in neue Höhen schießt. Das heißt: Der Anleger hat teuer gekauft und billig verkauft. Fishers Fazit: „Stop-Losses garantieren keinen Schutz gegen Verluste. Sie erhöhen sogar die Chancen, Kursgewinne zu verpassen, und sie steigern definitiv die Transaktionskosten.“ Es gebe keinen Beleg dafür, dass sie bessere Ergebnisse produzieren würden, aber es gebe bergeweise Beweise für das Gegenteil.

 

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