NNIP Versicherungsnachrichten: Ausgabe 4/2015 – Die zukünftige Entwicklung der Buchrenditen – Hoher Druck auf Finanzkraft von Versicherungen vorprogrammiert

 

image002Viele deutsche Versicherer sehen sich mit Blick auf die bestehenden Buchrenditen in ihren Portfolios auf der sicheren Seite. Die Situation trügt, denn eine Halbierung der Buchrenditen in den nächsten fünf Jahren droht. Das senkt die Ertragskraft, vermindert die Puffer gegen versicherungstechnische Schocks und verhindert die dringend notwendige Verbesserung der Eigenmittelausstattung. Versicherer müssen daher ihr Fixed Income-Portfolio nicht nur wegen Solvency II kritisch unter die Lupe nehmen.

BEDEUTUNG DER BUCHRENDITE

Die Buchrendite ist eine der wichtigsten Kennzahlen für die Steuerung der Kapitalanlage einer Versicherung. Sie ist eine entscheidende Maßgröße für die aktuelle und zukünftige Finanzkraft des Unternehmens. Sie misst im Kontext des Rechnungswesens den realisierten Ertrag festverzinslicher Anlagen. Dabei werden Kuponzahlungen sowie Zu- bzw. Abschreibungen mit dem unterliegenden Buchwert ins Verhältnis gesetzt.

Die Buchrendite erlangt ihre Bedeutung daraus, dass die Kapitalanlage nicht nur zur Deckung geplanter Cash Outflows durch Leistungszahlungen genutzt wird. Sie soll gleichzeitig einen Puffer für unerwartete versicherungstechnische Entwicklungen bieten (z.B. wegen höher als erwarteter Leistungszahlungen oder wegen länger als erwarteter Auszahlungsphasen), die die GuV belasten.

 

AUF HOHEM NIVEAU FALLEND

Die Buchrenditen deutscher Versicherer haben sich bis zur Finanzkrise immer auf einem komfortabel hohen Niveau bewegt (siehe Grafik 1). Der Abstand zu den in der Lebensversicherung ausgesprochenen Garantieverzinsungen erwies sich als beruhigendes Polster.

In der Finanzkrise haben sich die Buchrenditen aufgrund der Spreadausweitungen zunächst sogar auf deutlich über 5% erhöht. Seit dem Sommer 2009 hat sich dieser Effekt umgekehrt und die Buchrenditen sinken seitdem kontinuierlich.

RAPIDER ABSTURZ BEI WIEDERANLAGERENDITEN

Ausgangpunkt für den stetigen Rückgang der Buchrenditen ist die Entwicklung des Zinsniveaus am Kapitalmarkt. Nach einem krisenbedingten Höchststand der Wiederanlagerendite von über 8% folgte ein rapider Absturz auf etwa 1% im ersten Quartal 2015 (siehe Grafik 2). Im Vergleich zu der Zeit vor der Finanzkrise ist der laufende Ertrag für Wiederanlagen auf die Hälfte bis ein Drittel abgeschmolzen.

ERHOLUNG IN SICHT?

Für die von der BaFin geforderte Stärkung der Eigenmittelausstattung ist eine gute Ertragslage Grundvoraussetzung. Niedrige Wiederanlagerenditen senken nicht nur die Buchrenditen und damit die Ertragslage sondern im Endeffekt auch die Fähigkeit der Eigenmittelbildung. Ein niedriges Zinsniveau verlangt gleichzeitig einen schnellen Aufbau an Zinszusatzreserve.

Das Verlangen nach einer Rückkehr zu einem auskömmlichen Zinsniveau ist enorm, dürfte sich jedAußer im Falle einer Japanifizierung der Eurozone resultieren alle Szenarien in einer höheren Wiederanlagerendite innerhalb der nächsten fünf Jahre. Dieser Anstieg ist in keinem Fall ausreichend, um weiter fallende Buchrenditen zu verhindern.

DÜSTERER AUSBLICK

Rechnet man verschiedene Szenarien der Kapitalmarktzinsentwicklung in eine Projektion der Buchrenditen in deutschen Versicherungsportfolios um, so muss man zu dem Schluss kommen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten 5 Jahren deutlich weiter fallen werden. Bereits im Jahr 2018 ist ein Unterschreiten des Garantiezinsniveaus der Lebensversicherer zu erwarten. Im Basisszenario sinkt die Buchrendite auf etwa 2,2% im Jahr 20201. Selbst bei einer starken globalen wirtschaftlichen Erholung könnte sich das Buchrenditeniveau bis 2020 auf einem Niveau von 2,5% einpendeln. Im Japanszenario könnte die durchschnittliche Buchrendite auf etwa 1,8% fallen.

VIELLEICHT DOCH IRGENDWIE…

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit weiter fallender Buchrenditen der Portfolios ist, zeigt eine Zielanalyse mit der Annahme, dass die Buchrendite sich innerhalb von fünf Jahren in 2020 wieder auf dem heutigen Niveau einpendelt. Um dies zu erreichen, müsste die Wiederanlagerendite in den nächsten fünf Jahren im Durchschnitt (!) bei 5,3% liegen. Eine aus heutiger Sicht kaum vorstellbare Entwicklung.

BEREITS HEUTE GEGENSTEUERN

Zu denken gibt mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die Buchrenditen deutscher Versicherungsportfolios in den nächsten Jahren fallen werden. Wegen der genannten regulatorischen Rahmenbedingungen, der Unverrückbarkeit ausgesprochener Garantien in klassischen Versicherungspolicen und dem zunehmenden Wettbewerb durch Startups, ist dies eine kaum tolerierbare Entwicklung.

Im Zentrum aktueller Bemühungen sollte zumindest der Versuch stehen, in der Wiederanlage den Rückgang der Buchrenditen des Gesamtportfolios zu bremsen. Wichtige Maßnahmen in diese Richtung sind (sofern sie im Einklang mit den Verbindlichkeiten stehen):

  • Veränderung der strategischen Aufstellung des Direktbestands. Dieser ist von besonderer Bedeutung, weil er im Schnitt etwa 70% des gesamten Portfolios ausmacht. Eine Reservierung dieses Portfolios ausschließlich für Anlagen mit einem Solvency Capital Requirement von Null ist

nicht zielführend. Die Ertragslage darf für diesen wichtigen Bestand nicht vergessen werden.

  • Erschließen einer (risikoadjustierten) Illiquiditätsprämie als Quelle für höhere Erträge.
  • Diversifikation hin zur Gruppe der Alternative Credit Assets. Diese bilden eine attraktive Alternative zwischen „sicheren“ Staatsanleihen und volatilen Aktienmärkten. Hierzu gehören z.B. privat platzierte Kredite im Investment Grade, Convertible Bonds, Mezzanin-Kredite, Senior Secured Loans, Hypothekenkredite und variabel verzinsliche Schuldtitel.
  • Erweiterung der Anlageklasse Real Estate. Hier sind neben der engen Definition Immobilien auch die Bereiche Infrastruktur und Sozialwohnungen attraktiv.

Die Erschließung neuer Assetklassen mit dem Ziel die Ertragskraft zu steigern und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu stärken, erscheint unausweichlich.

 

 

 

 

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