Notenpresse hier, Druckerpresse da

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Immer wieder wird seit der Finanzkrise in der Medienlandschaft suggeriert die Europäische Zentralbank (EZB) wirft die Notenpresse an und überflutet die Währungsunion mit Banknoten. So entsteht oft der Eindruck die Geldmenge begibt sich in unkontrollierbare Hemisphären. Doch wie so häufig ist es auch hier wichtig zu differenzieren. Denn das Geldmengenwachstum liegt immer noch weit unter dem Niveau vor Einbruch der Weltwirtschaft im Jahre 2007. Erfahren Sie im heutigen Zinskommentar warum wir von einer sinnflutartigen Geldschwemme weit entfernt sind.

 

Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor steht aktuell bei -0,312 % und ist somit abermals leicht gesunken. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,4 % halten wir nach wie vor für sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz liegt derzeit bei 0,39 % und ist in den letzten Wochen wieder leicht nach unten gependelt. Durch BREXIT erwarten wir weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

 

Notenpresse hier, Druckerpresse da

 

 

Zunächst stellt sich die Frage nach der Definition der Geldmenge. Im Allgemeinen kann die Geldmenge als der Geldbestand der Nichtbanken bezeichnet werden. Sie ist eine wichtige ökonomische Größe und liefert Hinweise auf die zukünftige Preisentwicklung. Die Differenz aus Geldmengenwachstum und Wirtschaftswachstum (BIP) kann generell als Inflation erachtet werden. Das Eurosystem unterscheidet drei Geldmengenaggregate, die nach dem Grad der Liquidität aufeinander aufbauen: M1, M2 und M3. In der praktischen Geldpolitik der EZB steht die Geldmenge M3 im Vordergrund ihrer monetären Lageeinschätzung. Bei faktischer Betrachtung der weitgefassten Geldmenge M3 wird deutlich, dass sie sich erst 2015 wieder der Referenzgröße von 4,5 Prozent annähern konnte. Im September 2016 lag das Wachstum der relevanten Geldmenge M3 bei ca. 5 Prozent und somit weit weg von einer expansiven Geldmengenausweitung.

 

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Quelle: Tai-Pan

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Anscheinend ist in den Köpfen der Deutschen die Hyperinflation 1923 noch fest verankert. Damals führte eine massive Ausweitung der Geldmenge durch den Staat zu einer Teuerungsrate von zwischenzeitlich 20.000 Prozent. Doch die Zeiten in Europa, in denen eine ausartende Inflation das Wirtschaftssystem derart in Mitleidenschaft zieht, sind vorbei. Eher schüren Deflationsängste die Finanzwelt.
Besonders der Rettungsschirm der Europäischen Union (EU) fütterte immer wieder den Gedanken einer stupiden Druckerpresse von Banknoten. Explizit die Rekapitalisierung der spanischen Banken im Jahre 2012 durch die Eurozone löste öffentliche Empörung aus. Doch oft wird dabei vergessen, dass hier keine Notenpresse angeworfen wurde, sondern ein Liquiditätsloch durch faule Kredite gefüllt werden musste. Die spanischen Finanzinstitute müssen spätestens bis 2028 die verzinsten Kredite zurückzahlen. Es ist ein Nullsummenspiel ohne Effekt auf die Geldmenge. Das darf bei solchen Rettungsmaßnahmen nie vergessen werden.
Erklingen die Begriffe „Notenpresse“ oder „Druckerpresse“ durch Chef-Volkswirte oder vermeidliche Finanzexperten ist es wichtig die Begrifflichkeiten nicht als unwiderrufliche Geldmengenausweitung zu interpretieren. Die Fähigkeit Geld zu unerheblichen Kosten zu schöpfen verlieh der EZB derartige Synonyme. Doch dies hat nichts mit der klassischen Geldschöpfungspraxis zu tun.

 

 

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