Geschäftsprozess- und Change-Management verzahnen

Oft entwerfen Unternehmen am „grünen Tisch“ Geschäftsprozesse in ihrer Organisation neu. Doch nach einiger Zeit stellen sie fest: Deren Einführung funktioniert nicht so reibungslos wie geplant. Eine Ursache hierfür: Wenn sich die Abläufe und Strukturen ändern, müssen auch die Mitarbeiter ein verändertes Verhalten zeigen. Das sollte beim Re-Design von Prozessen beachtet werden.

 

„Wir müssen unsere Geschäftsprozesse auf den Prüfstand stellen und ein gezieltes Geschäftsprozessmanagement betreiben.“ Diese Aussage hört man oft von Unternehmensführern. Denn sie versprechen sich von einem Neugestalten der Geschäftsprozesse unter anderem

  • kürzere Durchlaufzeiten,
  • weniger Fehlerquellen und
  • einen effizienteren Einsatz der Ressourcen
  • also letztlich eine höhere Qualität und Kundenzufriedenheit sowie niedrigere Kosten und mehr Gewinn.

 

Im Unternehmensalltag erweist sich das Geschäftsprozessmanagement jedoch als ein sensibles Thema – auch weil die Mitarbeiter mit dem Neugestalten der Geschäftsprozesse meist Vokabeln wie „Personalabbau“, „Automatisierung“, „Outsourcing“ und einen erhöhten Veränderungsdruck assoziieren. Entsprechend reserviert reagieren sie auf entsprechende Initiativen der Unternehmensleitung – auch die Führungskräfte. Denn sie befürchten: Wenn die (bereichs- und funktionsübergreifenden) Prozesse optimiert werden, wird manche Führungsposition obsolet. Außerdem wird das Alltagshandeln der verbleibenden Führungskräfte einer stärkeren Kontrolle unterworfen. Also sperren auch sie sich mental gegen ein Geschäftsprozessmanagement, selbst wenn sie dessen Notwendigkeit und Nutzen durchaus sehen.

 

 

Ziel: Alle ziehen am selben Strang

 

Ein professionelles Geschäftsprozessmanagement geht davon aus: In der Vergangenheit beschränkten sich die Prozessoptimierungen in den Unternehmen meist auf die einzelnen Bereiche – so als seien diese autarke Einheiten. Dadurch stieg die Zahl der Schnittstellen; zudem wurde die funktions- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit komplexer. Entsprechend groß ist heute der Bedarf an Abstimmung und Koordination, weshalb viele Fach- und Führungskräfte einen großen Teil ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. In Vergessenheit geriet dabei teilweise, dass die eigentliche kundenorientierte Leistung bereichsübergreifend erbracht wird.

 

Dieses Manko soll durch das Geschäftsprozessmanagement beseitigt werden, und zwar indem die für den Kunden Wert schöpfenden Prozesse identifiziert und mit der Strategie des Unternehmens in Verbindung gebracht werden. Hieraus werden dann Optimierungsvorschläge abgeleitet, die anschließend umgesetzt werden. Dabei sorgen Prozesskennzahlen für eine Transparenz der Qualität und Kosten. Sie ermöglichen zudem eine zeitnahe Reaktion, wenn das Erreichen der Ziele gefährdet ist.

 

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Prozessmanager oder -berater. Seine Aufgaben variieren von Unternehmen zu Unternehmen. In der Regel ist er verantwortlich für

  • das Aufsetzen neuer Projekte,
  • das Re-Design der Geschäftsprozesse,
  • deren Einführung in der Organisation und
  • das kontinuierliche Führen, Planen, Überwachen, Steuern und Verbessern der Prozesse – mit den Führungskräften.

 

 

Die Mitarbeiter: Erfolgsfaktor und Hemmschuh

 

Der wichtigste Erfolgsfaktor und zugleich Hemmschuh beim Neugestalten und Weiterentwickeln der Geschäftsprozesse sind die Mitarbeiter. Sie müssen eine hohe Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft zeigen. Deshalb hängt der Erfolg eines Geschäftsprozessmanagements weitgehend davon ab, inwieweit es gelingt, die Betroffenen von der Notwendigkeit einer Änderung der Abläufe und Strukturen zu überzeugen.

 

An diesem Punkt zeigen viele Unternehmen Entwicklungsdefizite. Ort erfolgt das Re-Design der Prozesse und das Planen des Projektverlaufs am „grünen Tisch“. Nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass das Unternehmen beim Umsetzen auf die Mitarbeit der Betroffenen angewiesen ist. Folglich werden auch die Grundprinzipien für das Gestalten jedes Change-Prozesses nicht ausreichend berücksichtigt und fließen nicht in das Design des Gesamtprojekts ein. Hierdurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die initiierten Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden. Deshalb werden im Folgenden die wichtigsten Change-Management-Prinzipien, die es beim Geschäftsprozessmanagement zu beachten gilt, kurz vorgestellt.

 

  1. Die betroffenen Mitarbeiter/Führungskräfte beteiligen
    Abläufe in Unternehmen funktionieren dann sicher, wenn die beteiligten Menschen diese verinnerlicht und Routine im Umgang mit ihnen entwickelt haben. Dann destabilisieren auch kleinere Störungen das System nicht, was die Qualität sichert. Sollen jedoch Prozesse neu gestaltet werden, dann ist dieses Beharrungsvermögen eher hinderlich. Deshalb sollten die verantwortlichen Führungskräfte und die wichtigen Schlüsselpersonen in die Analyse der aktuellen Situation und in das Neugestalten der Prozesse einbezogen werden. Das stellt sicher, dass ihr Erfahrungs- und Expertenwissen ausreichend berücksichtigt wird. Außerdem haben die Beteiligten weniger das Gefühl, dass ihnen etwas übergestülpt wird. Deshalb identifizieren sie sich stärker mit dem Neuen.
  2. Freiräume für Reflexion und Dialog schaffen
    Bei jedem Geschäftsprozessmanagement-Projekt stehen die Beteiligten unter einem hohen Zeit- und Arbeitsdruck. Zu kurz kommt deshalb oft die gemeinsame Reflexion über

    • das bereits Erreichte,
    • die noch offenen Aufgaben und
    • die bestehenden Blockaden/Schwierigkeiten.

Solche Reflexionsrunden sollten fest institutionalisiert werden, denn sie stärken den Zusammenhalt des „Kernteams“ und sorgen dafür, dass seine Mitglieder dieselbe „Sprache“ sprechen und am selben Strang ziehen – unter anderem, weil der Gedanken- und Erfahrungsaustausch zu einer Sensibilisierung für die Sichtweisen der Kollegen führt und einen Abgleich mit der eigenen Sicht ermöglicht. Dieser Austausch sollte abseits des operativen (Alltags-)Geschäfts erfolgen.

  1. Die Kommunikation über die Veränderungen planen
    Bevorstehende Veränderungen bewirken Unsicherheiten bei den Mitarbeitern und diese führen zur bekannten Gerüchteküche, wenn ein Informationsvakuum besteht. Und hieraus resultieren Reibungsverluste und Produktivitätseinbußen. Um diese zu vermeiden, sollte in einem Kommunikationskonzept geplant werden, „wer was wann und auf welche Weise an wen kommuniziert“. Und werden Informationen aus guten Gründen zurückgehalten? Dann sollte dies auf Basis einer expliziten Entscheidung und im Bewusstsein der möglichen Folgen geschehen.

 

  1. Widerstände und Konflikte berücksichtigen und nutzen
    Ein Neugestalten (und Automatisieren) von Geschäftsprozessen verursacht Widerstände. Diese Widerstände sind immer emotional bedingt und werden meist verschlüsselt artikuliert. Deshalb sollten die Verantwortlichen mit den „Widerständlern“ den persönlichen Dialog suchen, um herauszufinden, was die realen Ursachen sind. Diese sollten dann in einer sachlichen Atmosphäre bearbeitet werden, so dass Vereinbarungen über das weitere Vorgehen möglich sind. Das entschärft die Situation.

 

  1. In Systemen denken
    Komplexe Veränderungsprozesse, die sich in zahlreiche (Teil-)Projekte, die sich wechselseitig beeinflussen, untergliedern, können nicht mit linearen Denkansätzen umgesetzt werden. Hierfür ist ein Denken in Systemen, also vernetzten Strukturen, nötig. Dieses Denken geht davon aus, dass das Verhalten des Einzelnen von seinem sozialen System beeinflusst wird und er dessen Entwicklung wiederum beeinflussen kann. Dies berücksichtigt ein systemischer Beratungsansatz, weshalb er keine isolierten Problemlösungen entwirft.
  2. Den Schlüsselpersonen die nötigen Kompetenzen vermitteln
    Bei jedem Veränderungsprozess gibt es Phasen der Unsicherheit. In ihnen müssen die Führungskräfte ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt bieten, auch wenn sie selbst Unsicherheiten plagen; entsprechendes gilt für die Prozessmanager/-berater. Deshalb sollten sie mit den Besonderheiten von Veränderungsprozessen vertraut sein und wissen, dass in ihnen an sie teils andere Anforderungen als in „stabilen Zeiten“ gestellt werden. Außerdem sollten sie die Methoden und Instrumente des Change-Managements beherrschen, damit sie die Veränderungen gestalten können. Diese Fähigkeiten müssen die Unternehmen den Schlüsselpersonen in ihrer Organisation vermitteln – auch weil „stabile Zeiten“ heute eher die Ausnahme sind. Deshalb hat sich das Change-Management zu einer Kernkompetenz von Führungskräften entwickelt.

 

  1. Das Prozessdenken in der Unternehmenskultur verankern
    Der Einstieg in ein prozessorientiertes Denken und Handeln erfordert in vielen Unternehmen einen Wandel der Unternehmenskultur. Diese Kultur definiert sich aus bewussten und unbewussten Haltungen und Werten, die für die Mitarbeiter wichtig sind, und deren Missachtung für sie oft ein Tabubruch ist. Beim Verändern der Unternehmenskultur spielen die Führungskräfte die zentrale Rolle, weil sie für ihre Mitarbeiter Vor- und Leitbilder sind. Folglich muss mittels entsprechender Maßnahmen des Change-Managements daraufhin gearbeitet werden, dass sich im Handeln der Führungskräfte die veränderte Unternehmenskultur zeigt und sie sich in der Organisation etabliert.
  2. Multiplikatoren einsetzen; mit Coaching die Nachhaltigkeit sichern
    Wie bereits erwähnt, ist die Rolle des Prozessmanagers/-beraters in Unternehmen nicht fest definiert. Auf alle Fälle sollte es in der Organisation jedoch eine Person oder Institution geben, die für das Geschäftsprozessmanagement verantwortlich ist. Weitere wichtige Aufgaben sind
  • das Coachen der Prozesseigner/
    -verantwortlichen,
  • das Organisieren der Weiterbildung zum Thema Prozess und
  • das Etablieren eines Wissensmanagements, um aus Erfahrungen zu lernen.

Um diese Aufgaben professionell wahrzunehmen, benötigen die Verantwortlichen eine hohe Kompetenz in Sachen Change-Management.

 

 

Die nötige Change-Management-Kompetenz vermitteln

 

Eine stärkere Verzahnung von Geschäftsprozess-Management und Change-Management lässt sich auf verschiedene Art und Weise erreichen. Dabei ist jedoch eine Change-Management-Qualifizierung der Prozessmanager/-berater sowie der Führungskräfte und der Mitarbeiter, die eine Schlüsselrolle spielen, unverzichtbar. Entsprechende Aus- und Weiterbildungen werden in verschiedenen Umfängen angeboten – vom dreitägigen Einstiegsseminar bis zur einjährigen berufsbegleitenden Fortbildung. Für die Prozessmanager/-berater bietet sich Letzteres an, weil der Erwerb der nötigen Kompetenz auch mit einem Sammeln von Erfahrung und einer persönlichen Entwicklung verbunden seine sollte. Deshalb sollte bei der Wahl der Ausbildung auf einen hohen Praxisbezug und eine ausreichende Transfermöglichkeit auf das eigene Aufgabenfeld geachtet werden.

Dr. Georg Kraus

 

Zum Autor: Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Internet: www.kraus-und-partner.de), die unter anderem eine „Change-Safari“ genannte Change-Management-Ausbildung anbietet.

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