Market Profile – Der Fingerabdruck des Marktes

Zeit, Preis und Volumen sind die drei Faktoren, welche die Kursbildung an den Märkten bestimmen. Mit Hilfe des Market Profile erhält man eine graphische Darstellung, die diese drei Faktoren miteinander verknüpft.

Entstehung des Market Profile

Das Market Profile wurde in den achtziger Jahren von Peter Steidlmayer entwickelt. Steidlmayer war ein Trader an der Chicago Board of Trade (CBOT).

Er suchte nach einer Möglichkeit, einen tieferen Einblick in die Märkte zu bekommen, als man das bislang mit normalen Charts erhielt. Dies war die Entstehung des Market Profile.

Anfangs wurde das Market Profile nur von den Händlern an der CBOT genutzt, bis es nach und nach auch immer mehr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

In Deutschland ist es trotz des langen Bestehens noch recht unbekannt.

Der Aufbau des Market Profile Charts

Bei den meisten Charts wird das Preisniveau eingezeichnet. Bei dem Market Profile dagegen die Zeitintervalle ( z. B. 30 Minuten). Das ermöglicht eine schnelle und einfache Ermittlung der wichtigen Handelsniveaus (Levels) des Tages. Denn man sieht, wo sich die Preise im Verlauf des Tages aufgehalten haben, und welche Niveaus vom Markt als „fair“ betrachtet wurden.

Die Verteilung des Preisniveaus wird mit Hilfe der Normalverteilung berechnet und beläuft sich auf 70 %.

Auf den ersten Blick sieht das Market Profile etwas verwirrend aus. Doch beim zweiten Blick kann man mit Hilfe des Market Profile schnell gute Rückschlüsse zum beobachteten Markt erhalten.

Man sieht hier eine Handelswoche im Bund Future.

Market Profile Chart beim Bund-Future - Tagesprofile aufgeteilt in 30 Minuten Intervalle

Ein Beispiels eines Market Profils in der Plattform ProRealTime anhand des Bund Futures

Hinweis: Die Market Profile Charts in diesem Artikel sind der Prorealtime Chartsoftware entnommen.

Die einzelnen Tagesprofile bilden jeweils einen Handelstag ab. Diese sind in diesem Beispiel in 30 Minuten Intervalle unterteilt.

Die wichtigsten Informationen eines Market Profile sind folgende:

  • Der POC (Point of Control) zeigt das Niveau, bei dem sich der Preis die längste Zeit aufgehalten hat.
  • Das VPOC (Volume Point of Control) zeigt das Niveau, bei dem das meiste Volumen gehandelt wurde.
  • Die VA (Value Area) zeigt das Preisintervall. bei dem mindestens 70 % der Transaktionen stattgefunden haben.
    (Die Value Area für das Volumen zeigt den Bereich an, bei dem mindestens 70 % des Tagesvolumen gehandelt wurde).
  • Das Initialintervall (blaue senkrechte Linie) zeigt dasjenige Preisintervall, in dem die ersten beiden Zeitperioden  stattgefunden haben (A und B). Dies wird auch als OB (Opening Balance bezeichnet).
  • Das unfair high zeigt die überbewertete Preiszone an
  • Das unfair low zeigt die unterbewertete Preiszone an
  • Der Öffnungspreis (grünes Dreieck)
  • Der Schlusspreis (blaues Dreieck)

Im Detail sieht dann ein Tagesprofil wie folgt aus:

Market Profil Chart des Bund-Future mit Tagesprofil

Tagesprofil im Detail mit den wichtigsten Informationen und Begriffe

Die Handelstage werden in Zeitintervalle unterteilt. In diesem Beispiel in Zeitintervalle von je 30 Minuten.

Es erfolgt eine Darstellung der so genannten Time Price Opportunities (TPOs) durch Buchstaben. TPOs sind eine Darstellung zwischen der Verknüpfung von Zeitperiode und Preisbereich. Jede TPO stellt eine Handelsgelegenheit zu einem festen Preis dar.

Die ersten 30 Minuten werden somit mit einem A bezeichnet. Die nächsten 30 Minuten mit einem B usw. Die erste Periode wird somit mit einem A markiert und stellt die ersten 30 Minuten der Handelseröffnung dar. Zusammen mit der zweiten Periode wird dies dann als Initialintervall oder OB (Opening Balance) bezeichnet. Es gibt umso mehr gleiche Buchstaben, desto mehr Preisabschnitte innerhalb einer Periode gehandelt wurden. Zusätzlich zu den Großbuchstaben wurden diese auch um kleine Buchstaben ergänzt. Somit könnten auch Märkte abgebildet werden, die eine längere Handelszeit haben, als dies urspünglich an der CBOT der Fall war.

Bei dem Market Profile geht man nun davon aus, dass die Preise, die sich in der Normalverteilung von 70 % bewegen, als fair zu bewerten sind. Dieser Bereich wird auch als VA (Value Area) bezeichnet. Das heißt, der Markt findet sich in diesem Bereich in Balance. Käufer und Verkäufer sind hier ausgeglichen. Die Normalverteilung kann man auch auf das Volumen anwenden. Auch hier kann man eine VA erkennen. Diese beschreibt den Bereich, in dem mindestens 70% des Tagesvolumen stattgefunden hat.

Der Bereich über der VA wird auch als unfair high bezeichnet. Der Markt befindet sich hier nicht in Balance, und diese Zone wird auch als überbewertete Preiszone bezeichnet. Das Gegenstück dazu bildet das unfair low. Diese Zone wird auch als unterbewertete Preiszone bezeichnet. Auch hier ist der Markt nicht mehr in Balance. Die Marktteilnehmer lehnen diese Preise ab und versuchen in der Regel wieder in die VA rein zukommen.

Beim Point of Control (POC) gibt es zwei Arten. Dieser kann sich zum einen aus dem Buchstaben ergeben. Der POC ist dann der Punkt, an dem sich der Preis die längste Zeit aufgehalten hat. Die zweite Art ist der Volumen Point of Control (VPOC). An diesem Punkt fand das meiste Handelsvolumen statt. Diese beiden Punkte können oftmals identisch sein, aber können auch auseinander liegen. In unserem Beispiel liegen sie sehr nah beieinander, aber sind nicht identisch.

Hoch und Tiefs eines Profils, die nur aus einem Buchstaben bestehen, werden „single print buying tails“ bzw. „single print selling tails“ genannt.

Die Profilarten

  • Normal Day (D Profil)

Hierbei liegt die VA, wie auch der POC,  nahe in der Mitte des Marktprofls. Oftmals wird hierbei schon bereits in den ersten zwei Handelsstunden die Range für den Tag gebildet. Dies ist oft der Fall bei News zu Marktbeginn oder durch ein zu positives (negatives) Marktsentiment. Das Marktprofil ist hierbei ziemlich ausgeglichen, aber eine breitere OB ist vorhanden. Ober- und unterhalb der Value Area findet man oft Single Prints. Das bedeutet, der Preis hat sich hier nur sehr kurze Zeit aufgehalten. Bei dieser Marktstruktur ist also niemand in Kontrolle und das CRV für Daytrader ist besonders an den Extrempunkten sehr gut. Das bedeutet, je breiter die Range, desto höher ist das mögliche CRV für Daytrader.

  • Normal Variation Day (b oder p Profil)

Erfolgt der Großteil der Dynamik erst im späteren Verlauf des Handelstages, so wird dieser auch als Normal Variation Day bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein Marktprofil, dass sich nicht in Balance befindet. Der Tag ist dominiert von langfristigen Akteuren (Käufer oder Verkäufer). Diese warten, bis der Markt sich etwas beruhigt und legen dann fest, welchen Preis diese als „fair“ sehen, um dann die Kontrolle über den Markt zu erlangen. Dies führt zu einem Ausbruch der OB. Im Idealfall ist die Range des Ausbruchs zwei Mal größer als die der OB.

  • Trend Day (I oder l Profil)

Bei einem Trendtag handelt es sich auch um ein Marktprofil, bei dem sich der Markt nicht in Balance findet. Hierbei ist der Handelstag wieder durch die langfristigen Akteure dominiert. In einem perfekten Trendtag sieht die Abfolge der Buchstaben bei einem Aufwärtstrend wie folgt aus: Tief von dem Buchstaben A > B > C >D usw. Bei einem Abwärtstrend ergibt sich folgende Reihenfolge: Hoch des Buchstaben A < B < C < D. Natürlich kann es immer wieder zu Überschneidungen zwischen den einzelnen Buchstaben kommen. Das Profil ist hier in der Regel eher schmaler und es gibt wenige Preisrotationen auf einem Level. TPOs sind hierbei selten über fünf. Die VA ist an Trendtagen oft sehr groß. Hierbei ergeben sich für Daytrader in der Regel die besten CRV´s.

  • Double Distribution Day (B Profil)

Auch hierbei handelt es sich um ein unbalanciertes Marktprofil. Die OB ist klein und es bildet sich hier ein erster Bereich der sich in Balance befindet. Dann übernehmen wieder langfristige Akteure und dies führt den Preis in eine andere Richtung der aktuellen Normalverteilung. Die Bewegung in die andere Richtung erfolgt oft durch einige Single Prints einer Periode. Anschließend bildet sich dann hier ein weiterer balancierter Bereich und es formt sich eine zweite Normalverteilung.

  • Neutral Day

Bei einem neutral Day ist das Profil in Balance. Hierbei ist die OB kleiner als an einem Normal Day. Die extrem kleine Handelsspanne lässt sich oft vor Feiertagen oder der Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten beobachten.

Schließt der Preis in dem Center bzw. der Balance, wird dies als Neutral Profile Center bezeichnet.

Wenn der Preis dagegen in der Nähe eines Extrempunkt des Profil schließt, wird dies als Neutral Day Extreme bezeichnet.

  • P Profil

P Profile sind bsp. Tage, an dem ein short covering erfolgt. Die Buchstaben A oder B bilden den Boden mit Single Prints in der OB. Der Markt bildet danach eine Value Area oberhalb des Opening.

Proaktives Verhalten oder Reaktion

Bei dem Market Profile werden die Marktteilnehmer grob in drei Gruppen eingeteilt:

  • langfristige Akteure
  • kurzfristige Akteure
  • Daytrader

Langfristige Akteure haben eine bestimmte Meinung zum Markt und sind in der Lage, diese Meinung durch entsprechende Handelsentscheidungen umzusetzen. Sie sind die einzigen Marktteilnehmer, die in der Lage sind, neue Trends auszulösen.

Daytrader haben kein Interesse an längerfristigen Postionen oder keine bestimmte Meinung zum Markt. Diese folgen einfach dem Trend oder versuchen, Ungleichgewichte ausfindig zu machen. Überwiegen im Markt die kurzfristigen Akteure und Daytrader, so impliziert das häufig Seitwärtsphasen.

Es geht hierbei immer darum, sich folgende Fragen zu stellen:

  • Wer ist zur Zeit in Kontrolle?
  • Sind andere Akteure vorhanden?
  • Was versucht der Markt? In welche Richtung versucht der Markt sich zu bewegen?
  • Ist der Markt dabei erfolgreich/effizient?
  • Was sind die wichtigen Levelsm die der Markt versuchen wird zu testen oder nochmals aufsuchen wird?

Zusätzlich ist es wichtig zu unterscheiden, ob es sich um ein proaktives Verhalten (Kauf oder Verkauf) handelt, oder ob es sich hierbei nur um eine Reaktion auf einem bestimmten Level handelt. In der Regel ist das proaktive Verhalten eine aggressivere Reaktion.  Auch ist es wichtig, ob das überwiegende Kaufverhalten sich ober- oder unterhalb der gestrigen Value Area abspielt. Initiative Käufer (Verkäufer) treten oberhalb (unterhalb) der gestrigen Value Area auf und haben in der Regel eine größere Überzeugung in ihren Handlungen als reagierende Käufer (Verkäufer), welche nur auf eine Gelegenheit (Reaktion) gewartet haben um einzusteigen.

Wenn der Markt sich außerhalb der Value Area des Vortages befindet, ist es die größte Herausforderung des Traders zu klären, ob diese Instabilität dadurch gelöst wird, das noch einmal eine Rückkehr zur Value Area erfolgt oder ob sich der Trend weiter fortsetzt.

Fazit zur Nutzung des Market Profile

Bei dem Market Profil handelt es sich um keinen Indikator im klassischen Sinne.  Das Market Profil ermöglicht einen guten Einblick in den Markt, den man mit einem klassischen Chart nicht erhält. Doch auf der anderen Seite können die oben gestellten Fragen auch mit einem normalen Chart „beantwortet“ werden. Trotzdem kann es für viele Trader sinnvoll sein, sich einmal näher mit dem Market Profile zu befassen. Auch wenn es auf den ersten Blick etwas verwirrend aussieht, so lässt sich dieses bereits nach kurzer Einarbeitungszeit gut verstehen und anwenden.

 

>> zurück zum Anfang des Artikels Market Profile – Der Fingerabdruck des Marktes

 

Hier weiterlesen:

 

Schreibe einen Kommentar