Krankenkasse unterliegt im Streit mit der PKV

Private Krankenversicherer haben einen Anspruch darauf, dass gesetzliche Krankenversicherer ihren Mitgliedern nur Wahlleistungen anbieten, die sich auf wenige spezielle Tarife beschränken. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juli 2019 hervor (B 1 KR 34/18 R).

Im Jahr 2007 war das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ verabschiedet worden (VersicherungsJournal 2.4.2008). Der Gesetzgeber räumte Krankenkassen darin das Recht ein, in ihren Satzungen vorzusehen, dass ihre Mitglieder für sich und ihre mitversicherten Angehörigen Kostenerstattungs-Tarife wählen können.

Von dieser Möglichkeit machte die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse, die AOK Rheinland/Hamburg, in umfangreichem Rahmen Gebrauch. Sie bot ihren Versicherten Tarife zur Kostenerstattung für Leistungen im Ausland, Krankenhauszuzahlungen, Ein- oder Zwei-Bett-Zimmer im Krankenhaus sowie für Zahnersatz an.

Dieses Angebot ergänzte sie später noch durch Tarife für Vorsorgeleistungen zur Zahngesundheit, für kieferorthopädische Behandlungen sowie Tarife zur häuslichen Krankenpflege und für Brillen.

Verstoß gegen Wettbewerbsrecht?

Ein privater Krankenversicherer, die Continentale Krankenversicherung a.G., sah darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Nachdem er die Krankenkasse vergeblich zur Unterlassung aufgefordert hatte, reichte er schließlich Klage ein mit dem Ziel, der AOK das Angebot der Versicherungsleistungen zu untersagen.

Damit hatte er zunächst keinen Erfolg. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Dortmunder Amtsgericht zeigte sich davon überzeugt, dass der gesetzliche Krankenversicherer den Rahmen des gesetzlich Möglichen nicht überschritten hatte. Er sei vielmehr dazu berechtigt, die monierten Tarife anzubieten.

Das in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hielt die Klage hingegen für weitgehend berechtigt. Es gab daher der Berufung des privaten Versicherers statt (Urteil vom 14. Juni 2018, L 16 KR 251/14) (24.1.02018).

Überschreitung des vorgesehenen Rahmens

Das Landessozialgericht zeigte sich überzeugt, dass es Krankenkassen nicht erlaubt ist, ihren Mitgliedern Versicherungsangebote in Form der von der beklagten AOK offerierten Kostenerstattungstarife für Zusatzleistungen zu machen. Eine Ausnahme bildeten lediglich Vorsorgetarife zur Zahngesundheit und zur häuslichen Krankenpflege.

Als Teil der öffentlichen Hand sei es den gesetzlichen Versicherern grundsätzlich verwehrt, Leistungen zu erbringen, die über das, was zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge geboten und verfassungsmäßig zulässig ist, hinausgehen.

Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse habe mit den angebotenen Wahltarifen größtenteils den Rahmen des vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungsumfangs überschritten. Sie habe so unzulässigerweise in den privaten beruflichen Betätigungsbereich Dritter zu deren Nachteil eingegriffen. Dem klagenden privaten Krankenversicherer stehe folglich ein Unterlassungsanspruch zu.

Erfolglose Revision

Diesen Richterspruch wollte wiederum die Krankenkasse nicht hinnehmen. Sie legte daher Revision beim Bundessozialgericht ein. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg.

Nach Ansicht der Richter dienen die gesetzlichen Regelungen zur Gestaltung von Krankenkassenleistungen, die in Form von Wahltarifen und Leistungserweiterungen angeboten werden, unter anderem den Schutz der Interessen der privaten Krankenversicherer.

Ausdehnung des Leistungskatalogs nicht statthaft

„Indem der Gesetzgeber selektiv und abschließend den Krankenkassen ermöglicht, zusätzliche freiwillige Leistungen in ihren Satzungen vorzusehen, schützt er zugleich die Unternehmen der privaten Krankenversicherung vor anderen, nicht von ihm autorisierten Marktzutritten. Die genannten Satzungsermächtigungen ziehen hierbei generelle Grenzen“, so das Gericht.

Die Ausdehnung des Leistungskatalogs, zum Beispiel um zusätzliche Auslandsleistungen, sei daher nicht statthaft.

Soweit die Beklagte Wahltarife für Zahngesundheit und häusliche Krankenpflege anbiete, missachtet sie, dass leistungserweiternde Gestaltungen nur als Leistungen für alle Versicherten einer Krankenkasse möglich seien. Die seien dann jedoch mit dem allgemeinen Beitrag abgegolten. Die Revision der AOK wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.

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