Autodiebstahl: So genau muss das Opfer die Laufleistung angeben

Ein Versicherter hatte nach dem Diebstahl seines Fahrzeugs dessen Kilometerstand nicht exakt angegeben. Der Kaskoversicherer konnte sich jedoch nicht auf eine Obliegenheitsverletzung berufen. Ein Abweichen zur mutmaßlichen Laufleistung von lediglich zehn Prozent muss er tolerieren. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgericht Dresden vom 11. Juni 2019 hervor (4 U 1399/18).

Nachdem sein Fahrzeug Mitte Juli 2017 gestohlen worden war, hatte der Kläger die Frage nach der Laufleistung in der Schadenanzeige seines Kaskoversicherers mit 100.000 Kilometer angegeben. Der Zahl hatte er eine Tilde vorangestellt.

Möglicherweise mehr Kilometer als angegeben

Auf die Frage „Können Sie mir den Kilometerstand des Fahrzeugs benennen, als Sie es am 15.7.2017 abgestellt hatten“, hatte der Bestohlene dem aufnehmenden Polizeibeamten gegenüber geantwortet: „Genau kann ich dies nicht sagen. Aber es könnten über 100.000 Kilometer gewesen sein.“

Im Rahmen seiner Ermittlungen kam der Versicherer zu dem Ergebnis, dass die Angaben nicht stimmen konnten.

Dabei berief er sich auf ihm vorliegende Unterlagen eines kurz zuvor stattgefundenen anderen Kaskoschadens. Die ließen den Schluss zu, dass die Laufleistung am Tag des Diebstahls möglicherweise 110.000 km betragen haben konnte. Da das Auto nicht wieder auftauchte, konnte der exakte Kilometerstand allerdings nicht ermittelt werden.

Bewusst wahrheitswidrige Angaben?

Der Versicherer behauptete trotz allem, dass der Kläger offenkundig bewusst wahrheitswidrige Angaben zum Kilometerstand gemacht hatte. Er versagte ihm daher wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Aufklärungspflicht den Versicherungsschutz.

Zu Unrecht, befanden die Dresdener Richter. Sie gaben der Klage des Versicherten statt.

Das Gericht stellte zwar nicht in Abrede, dass ein Versicherungsnehmer im Rahmen seiner ihm obliegenden vertraglichen Pflichten alles zu tun hat, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist.

Fehlendes Aufklärungsbedürfnis

Einschränkend stellte das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest: „Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis, weil der Versicherer einen maßgeblichen Umstand bereits kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers über diesen Umstand keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht rechtfertigen“.

Die Richter gingen in dem entschiedenen Fall davon aus, dass der Kunde keine bewusst wahrheitswidrigen Angaben zur Laufleistung seines Fahrzeugs gemacht hatte. Denn er habe sowohl gegenüber der Polizei als auch in der Schadenanzeige – dort durch ein Voranstellen einer Tilde vor der Kilometerangabe – klar genug deutlich gemacht, dass es sich um eine Schätzung handelte.

Doch selbst wenn der tatsächliche Kilometerstand zum Zeitpunkt des Diebstahls des Fahrzeuges 110.000 km betragen haben sollte, könnten die Angaben des Klägers nicht als bewusst wahrheitswidrig gewertet werden. Denn Abweichungen von zehn Prozent zur tatsächlichen Laufleistung ließen in einem solchen Fall keinen Rückschluss auf eine Täuschungsabsicht zu.

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