Business-Coaching: Vom Reparatur- zum Tuning-Instrument

Das Coaching erlebt zurzeit einen Funktionswandel – auch weil die Unternehmen zunehmend erkennen, welche neuen Möglichkeiten ihnen die Digital-Technik zum Fördern ihrer Mitarbeiter eröffnet.

„Wenn unsere Mitarbeiter mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen sollen, müssen wir sie auch individueller fördern.“ Dieses Bewusstsein hat sich in letzten Jahren in den Unternehmen entwickelt. Das zeigt unsere Ende 2020 erstellte Studie „Bedeutung und Organisation des Business-Coaching“, für die 187 Personalverantwortliche in Unternehmen und 413 potenzielle Coachees (also Personen, die gecoacht werden) befragt wurden.

Die Befragung ergab: Coaching ist ein fester Bestandteil der Personalentwicklung in den Unternehmen. So betonten zum Beispiel 75 Prozent der Personalverantwortlichen bzw. -entwickler, das Coaching habe in ihrer Organisation einen hohen Stellenwert und genieße eine große Akzeptanz. In über 60 Prozent der Unternehmen wurde zum Befragungszeitraum (Oktober 2020) das Coaching aber noch rein als individuelle Entwicklungsmaßnahme gesehen und in nur 34 Prozent auch als Organisationsentwicklungsinstrument.

Team- und Projekt-Coaching gewinnen an Bedeutung

Dementsprechend handelt es sich bei den Coachings weitgehend um Einzelcoachings, die sich zudem meist auf die Führungskräfte fokussieren. Eher selten finden in den Unternehmen noch Team- und Projektcoachings statt. Diese Tools befinden sich zwar in 47 Prozent der Unternehmen sozusagen im Werkzeugkasten der Personalentwicklung. Faktisch werden sie aber in 87 Prozent von ihnen „selten“ oder „sehr selten“ durchgeführt. Zugleich zeigt sich das Gros der befragten Personalverantwortlichen aber überzeugt: Die Bedeutung des Team-Coachings (81 Prozent) und des Projekt-Coachings (59 Prozent) wird steigen.

Mit der Dominanz der Einzelcoachings korrespondiert, dass fast zwei Drittel der Personalverantwortlichen betonen: Aktuell sind die Coachings in unserer Organisation oft Folgemaßnahmen von Feedback- und Zielvereinbarungsgesprächen mit Mitarbeitern. Zudem werden sie häufig in Konfliktsituationen (20 Prozent) und bei akuten Problemen durchgeführt (18 Prozent).

Business-Themen gewinnen an Relevanz

Damit korrespondieren die Top-Coaching-Themen. Sie sind aus Entscheidersicht: „Mitarbeiterführung“ (75 Prozent), „Konfliktmanagement“ (63 Prozent) und „Resilienz, Stressresistenz, Umgang mit belastenden Situationen“ (53 Prozent).

Zugleich sieht das Gros der befragten Personalverantwortlichen aber einen steigenden Bedarf an Coachings mit einem klaren Business-Bezug – so zum Beispiel zu den Themen „Optimierung der Geschäftsprozesse“, „Projektmanagement“ sowie „Kooperation/Zusammenarbeit“.

Das Coaching wird von den Personalverantwortlichen also zunehmend auch als ein Organisationsentwicklungsinstrument gesehen, wenn es darum geht, herausfordernde Ziele im Unternehmen zu erreichen. Oder bildhaft formuliert: Das Coaching wird nicht mehr als reines „Reparatur-Instrument“ zum Beheben personaler Defizite gesehen, sondern auch als „Tuning-Instrument“, um die Performance der Organisation zu steigern. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass in einer Folgebefragung im März 2021 64 Prozent der Entscheider betonten, ihre Organisation baue gerade die erforderliche Infrastruktur auf bzw. aus, um das Coaching mit Hilfe solcher digitaler Tools wie einer Lernplattform zu unterstützen. Das heißt, die Coachings sind in ihrer Organisation bereits in komplexere PE- und OE-Prozesse eingebunden, die es gezielt zu planen, steuern und evaluieren gilt.

Telefon- und Online-Coaching werden Standardtools

Bei diesen Prozessen ist eine gezielte Steuerung auch nötig, weil im zurückliegenden Jahr corona-bedingt in der Personal- und Organisationsentwicklung neben dem Online-Training auch das Online-Coaching an Bedeutung gewann. So fällt zum Beispiel auf, dass im Befragungszeitraum für die Studie (Oktober 2020) nur 63 Prozent der befragten Entscheider betonten, diese Coachingform werde in ihrer Organisation aktiv genutzt; bei der Folgebefragung im März 2021 betrug deren Anteil bereits 81 Prozent. Ähnlich verhält es sich beim Telefon-Coaching. Auch dieses entwickelt sich zu einem Standardtool, das nicht nur beim Konzipieren von Coaching-, sondern auch Personalentwicklungsprozessen immer häufiger Berücksichtigung findet.

Die Unternehmen haben also erkannt, dass das Online- und Telefon-Coaching auch Vorzüge hat. So lassen sich zum Beispiel mit diesen Tools auch Mitarbeiter im Homeoffice leicht coachen. Zudem lassen sich mit ihnen, wenn’s brennt, oft zeitnäher Coachingtermine vereinbaren, als wenn der Coach und der bzw. die Coachees ein persönliches Treffen vereinbaren müssen. Deshalb haben speziell die Coachingprozesse im Rahmen größerer Changeprojekte in Unternehmen zunehmend einen hybriden Charakter. Die Coachings erfolgen also – situations-, bedarfs- und teilnehmerabhängig – mal in persönlichen Treffen, mal telefonisch, mal online.

Hybriden Coachingkonzepten gehört die Zukunft

Solchen hybriden Coachingkonzepten gehört die Zukunft – speziell dann, wenn das Coaching zunehmend auch als ein Instrument zur Organisationsentwicklung verstanden wird und deshalb Coaching-Themen mit einem klaren Business-Bezug wie Projektarbeit und Strategieumsetzung stärker in den Fokus rücken. Spätestens dann werden das Telefon- und das Online-Coaching, die bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie weitgehend ein Schattendasein führten, ein integraler Bestandteil aller modernen Personalentwicklungskonzepte sein.

Sabine Machwürth, Hans-Peter Machwürth

Zu den Autoren: Sabine und Hans-Peter Machwürth sind die Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI), Visselhövede, die unter anderem die digitale Plattform MTI CoachingPRO zum Planen, Durchführen und Evaluieren von Coachingprozessen entwickelt hat (www.mticonsultancy.com).

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