von Rechtsanwalt und Hochschullehrer Prof. Dr. Bröker und Rechtsanwalt Schmidt, Göttingen
Krypto-Währungen faszinieren seit Jahren die Anlegerszene. Wer sich in solchen Währungen engagiert hat, konnte Gewinne von vielen 100% einfahren, aber auch Totalverluste erleiden. Nun ist es wieder einmal soweit: Durch die Insolvenz der Nuri GmbH drohen den Anlegern auch hier möglicherweise Totalverluste.
Was war passiert? Die Nuri GmbH aus Berlin bot Geschäfte in Kryptowährungen an und ist nun in der Insolvenz (Amtsgericht Charlottenburg in Berlin, AZ 36n 4212/22, Insolvenzantrag am 09.08.2022).
Kryptowährungen sind nach § 1 Abs. 11 Nr. 10 Kreditwesengesetz (KWG) Finanzinstrumente und dürfen deshalb nur von solchen Unternehmen angeboten und/oder vermittelt werden, die über eine entsprechende Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) verfügen. Genau über eine solche verfügte aber die Nuri GmbH nicht. Die Nuri GmbH trat als sogenannter gebundener Vermittler unter der Haftung der Solaris Bank AG auf. Ein gebundener Vermittler ist eine Person oder ein Unternehmen, welches nach § 2 Abs. 10 KWG als Finanzdienstleistungen nur die Anlagevermittlung, die Anlageberatung oder das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Rechnung und unter Haftung eines Kreditinstitutes erbringt. Der Vermittler ist hier die Nuri GmbH, das haftende Institut die Solaris Bank AG. Diese Daten sind auch aus den beiden bei der BaFin geführten Registern (Unternehmen mit Bankerlaubnis, gebundene Vermittler) unter www.bafin.de abrufbar.
Zusätzlich hatte die Nuri GmbH ihre Dienstleistungen im Hinblick auf den An- und Verkauf der „Nuri-Pots“ ausschließlich für die Bankhaus von der Heydt GmbH & Co KG in München erbracht. Diese Bank fungierte auch als Finanzkommissionär und Kryptoverwahrer für die Nuri Pots. Für die Vermittlungsgeschäfte, die Nuri GmbH über das Bankhaus von der Heydt GmbH & Co KG abwickelte, war die Nuri GmbH aber laut BaFin-Register nicht als deren gebundener Vermittler registriert.
Bei einer solchen Konstruktion stellen sich u. a. folgende Fragen:
Durfte die Nuri GmbH überhaupt mit solchen Verträgen tätig werden und auf ihren Internetseiten damit werben, sie biete Sparpläne an (Sparpläne in hochspekulativen Kryptowährungen?), so § 4a der Nuri-AGB und habe schon viele Kundenkonten (400.000+)?
Wenn ein gebundener Vermittler exklusiv arbeitet, dann erscheint eine Konstruktion problematisch, bei der er einerseits unter der Haftung der Solaris Bank AG als gebundener Vermittler arbeitet und andererseits die Kauf- und Verkaufsgeschäfte (die er doch nur vermitteln darf) über eine weitere Bank abwickelt. Dabei wird in § 2 der AGB der Nuri GmbH erklärt, dass Nuri GmbH über die Nuri App Finanzinstrumente zum Kauf und Verkauf anbietet und dabei als gebundener Vermittler der Solaris Bank AG handelt. Von der Abwicklung der An- und Verkäufe ausschließlich über das Bankhaus von der Heydt GmbH & Co KG ist dabei dort gerade nicht die Rede.
Auch erscheint höchst fraglich, ob die „Nuri-Pots“ überhaupt als Kyrptowährung einzustufen sind.
In Wirklichkeit handelt es sich bei den „Nuri-Pots“ nicht um eine virtuelle Währung, sondern um eine Schuldverschreibung, sog. Tokenbasierte Schuldverschreibung, ausgestaltet als nicht verbriefte Inhaberschuldverschreibung, vgl. Ziffern 2.6 ff. der Allgemeinen Bedingungen der Nuri Allrounder Pot. Rechtlich handelt es sich damit um ein Darlehen, welches der Anleger der Emittentin gewährt und damit dieser die Möglichkeit einräumt, den so erhaltenen Geldbetrag nach Belieben im Rahmen der Unternehmensgegenstandes zu verwenden (so Ziffer 2.2, der Allgemeinen Bedingungen der Nuri Allrounder Pot).
Ob den einzelnen Anlegern dies wirklich bei Abschluss der Geschäfte klar war, erscheint sehr fraglich. Erst recht dürfte in diesem Zusammenhang fraglich sein, ob solche Bestimmungen unter Beachtung der Rechtsprechung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt wirksam sind. Zusätzlich erhebt sich die große Frage, ob die beiden Banken das Angebot und auch den Internetauftritt des gebundenen Vermittlers Nuri GmbH hätten genau prüfen und das Angebot überwachen müssen?
Interessant ist, dass die Nuri GmbH auch nicht die Emittentin bzw. die Herausgeberin dieser „Nuri-Pots“ ist. Das ist vielmehr die Tradias Issuance GmbH aus Frankfurt. Dabei handelt es sich laut Auszügen aus dem Handelsregister (AG Frankfurt HRB125428) um eine erst am 13.10.2021 mit einem Stammkapital von 25.000 € gegründete GmbH, deren beide Geschäftsanteile wiederum von der Tradias GmbH aus Frankfurt (AG Frankfurt HRB 122176) gehalten werden, die ihrerseits laut BaFin-Register ein gebundener Vermittler eines weiteren Finanzdienstleistungsinstituts bzw. Wertpapierinstituts ist.
Ein Wertpapierverkaufsprospekt wurde nicht erstellt, nicht bei der BaFin hinterlegt und auch nicht veröffentlicht, da die Tradias Issuance GmbH als Emittentin von einer rechtlichen Ausnahme nach Art. 3 Abs. 2 EU-VO 2017/1129, § 3 Nr. 2 WpPG Gebrauch macht
Soweit die Kundenkonten bei der Solaris Bank AG geführt werden, könnte sich hier die Frage stellen, ob die Einlagensicherung – jedenfalls mindestens im Hinblick auf die im Konto bzw. im Depot gehaltenen „Nuri-Pots“ – überhaupt greift, denn es darf bezweifelt werden, ob Kryptowährungen vom Begriff der Einlage und der Einlagensicherung erfasst sind. Wenn es sich allerdings – wie es die Produktbedingungen festlegen – um Schuldverschreibungen handeln sollte, dürfte diese Frage einfacher zu beurteilen sein, denn dann kommt wahrscheinlich § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Einlagensicherungsgesetz in Betracht. Danach sind nämlich solche „Einlagen“ nicht gesichert, die erst durch die Existenz eines Finanzinstruments nach § 2 Abs. 4 Wertpapierhandelsgesetz nachgewiesen werden müssen. Im Übrigen sind Inhaberschuldverschreibungen ohnehin nicht von den Regelungen der Einlagensicherung erfasst.
Die Nuri GmbH stellt in ihrem Internetauftritt „das Konto, mit dem dein Geld wächst“ als „unser Bankkonto“ vor und preist zusätzlich ihre Nuri VISA Debitkarte an. Gleichzeitig wird mit 100%iger Sicherheit des Kontos geworben. Vor dem Hintergrund der vorstehenden kurzen Ausführungen und der im Hinblick auf Produkt und Konstrukt „Nuri-Pots“ geäußerten erheblichen rechtlichen Bedenken, erscheint es nicht völlig unwahrscheinlich, dass sich hier die beiden beteiligten Banken einem rechtlichen Haftungsrisiko ausgesetzt sehen dürften. Auch dürfte wohl zu prüfen sein, in wie weit eine persönliche Haftung der verantwortlichen Geschäftsführer der Nuri GmbH in Betracht kommen kann.
Fest steht jedenfalls schon jetzt: Die betroffenen (Krypto-) Anleger können über ihre Konten und damit über ihre Vermögenswerte derzeit nicht verfügen und haben somit einen Schaden erlitten. Die Chance, das Geld jemals in voller Höhe wiederzusehen, dürfte möglicherweise kritisch zu beurteilen sein.
Anleger sollten daher stets prüfen, ob sie tatsächlich ein Geschäft mit einer Bank, die eine Erlaubnis nach dem KWG besitzt, machen, oder ob sie durch Vermittler ihre Geschäfte machen und vor allem, in welchen Produkten sie Geschäfte machen.