Wenn es um Japan geht, stellen sich den Anlegern derzeit zwei wichtige Fragen. Wie anfällig ist das Land als offener und zyklischer Markt für eine weltweite Rezession, zumal es als Netto-Energieimporteur mit steigenden Energiepreisen konfrontiert ist? Die zweite Frage ist, wie Japan im Vergleich zu Europa und den Schwellenländern dasteht.
Sollte es weltweit zu einer schweren Rezession kommen, ist jedes Land anfällig, und Japan ist keine Ausnahme. Steigende Energiepreise würden ebenfalls für Gegenwind sorgen. Im Vergleich zu anderen Märkten spricht unserer Meinung nach jedoch vieles dafür, dass Japan besser abschneiden könnte.
Japan ist wohl das politisch stabilste Land der Welt. Kishida und die LDP haben gerade eine Oberhauswahl gewonnen, um ihre Macht zu festigen, nachdem sie im Oktober das Unterhaus gewonnen hatten. Sie haben eine überwältigende Unterstützung, um einen Großteil ihrer Reformen und Vorschläge durchzusetzen, ohne sich um die Umfragen für mindestens drei Jahre zu sorgen. Dies dürfte es ihnen ermöglichen, wirtschaftlich pragmatische, aber politisch umstrittene Maßnahmen wie die Aufhebung der Beschränkungen für den Viehhandel, die Öffnung der Grenzen und die Wiedereinführung der Kernkraft durchzusetzen.
Als Nettoenergieimporteur ist Japan von den steigenden Energiepreisen betroffen. Kurzfristig ist Japan jedoch weniger anfällig und verfügt über eine pragmatische Lösung, da Kishida kürzlich angekündigt hat, die Entwicklung und den Bau von Kernkraftwerken der „nächsten Generation“ anzuordnen. Angesichts der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 ist dies ein wichtiger Schritt. Entscheidend ist, dass dadurch die langfristige Energieabhängigkeit Japans verringert wird und das Land bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreicht.
Kurzfristig plant die Regierung Kishida die Wiederinbetriebnahme von bis zu 17 Kernkraftwerken ab Sommer 2023. Japan ist bei der Energieversorgung derzeit auf Erdöl und Flüssigerdgas angewiesen. „Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Japan im Gegensatz zu Europa weniger von russischer Energie abhängig ist und eine längerfristige Lösung für die Energieabhängigkeit und die grüne Energiewende hat“, sagt Daniel Hurley, Portfoliospezialist bei T. Rowe Price.
Japan hat Aufschwung von „Covid-off“ noch vor sich
Japan hat eine der höchsten Impfraten der Welt, und obwohl die Zahl der Fälle derzeit sprunghaft ansteigt, werden die Grenzbeschränkungen weiter gelockert; vor kurzem wurde angekündigt, dass die Anforderungen für den PCR-Einreisetest aufgehoben werden. Wir glauben, dass die Zahl der Touristen, die einreisen dürfen, in den kommenden Monaten steigen wird. Angesichts des 25-Jahres-Tiefs des Yen wird es eine hohe Nachfrage geben. Während Europa und die USA in den letzten 18 Monaten vom Aufschwung des „covid-off“ profitiert haben, glauben wir, dass Japan diese Entwicklung noch vor sich hat.
Die Fokussierung auf die Pandemie, die Konzentration auf Wachstum gegenüber Value und der rasante Fall des Yen haben die anhaltende und sehr ermutigende Verbesserung der Corporate Governance in Japan überschattet. Dies ist ein großer Erfolg für das Land, der unserer Meinung nach von ausländischen Anlegern übersehen wird.
Trotz der Unsicherheit in der Weltwirtschaft kaufen Japans Unternehmen weiterhin Aktien zurück und zahlen Kapital in Rekordhöhe an die Aktionäre aus. Dies ist ein sehr ermutigendes Zeichen für die Gesundheit der Unternehmen und ein Hinweis auf die anhaltende Verbesserung der Corporate Governance auf Unternehmensebene in Japan. Wir glauben, dass der unerbittliche Druck der letzten Zeit eine Chance für langfristige Anleger darstellt.
Bewertung und Währung
Japan wird mit dem 12-fachen fwd. P/E, gegenüber einem Durchschnitt von 14x fwd. KGV.[1] Da Japan unter dem Durchschnitt gehandelt wird, glauben wir, dass eine wirtschaftliche Verlangsamung eingepreist ist. Wenn die Weltwirtschaft eine sanfte Landung hinlegen kann, hat Japan unseres Erachtens das Potenzial, von einem attraktiven Niveau aus neu zu bewerten. Die Wiederbelebung der japanischen Binnenwirtschaft und die allmähliche Wiedereröffnung der Grenzen würden auch die Erträge inländischer Unternehmen begünstigen.
Unserer Meinung nach ist der Yen unterbewertet und notiert gegenüber dem USD auf einem 25-Jahres-Tief.[2] Der schwache Yen hat die Wettbewerbsfähigkeit Japans gestärkt und war ein Segen für die Exporteure.
Der Hauptgrund für die Yen-Schwäche ist die hohe US-Inflation. In Japan hingegen bleibt die Inflation weitgehend im Einklang mit dem Ziel der Bank of Japan; sie muss die Zinsen nicht erhöhen.
Fazit
Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind unsicher, und die Liste der Länder, die von einer Rezession bedroht sind oder sich bereits in einer solchen befinden, wird immer länger. Es ist sicherlich eine schwierige Zeit für Investoren. Für diejenigen, die über fundierte und umfassende Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten verfügen, gibt es jedoch klare Gründe, die mittelfristigen Aussichten für Japan optimistisch zu sehen.
Die jüngste Ertragssaison war weitgehend solide. Die operativen Margen der Unternehmen wurden durch den schwächeren Yen angekurbelt, insbesondere bei den größeren Exporteuren, die derzeit mehrere zusätzliche Yen für ihren Dollar erhalten. Wenn man den Energiesektor ausklammert, gehört Japan zu den Ländern mit der besten Performance unter den Industrieländern. Allerdings folgt der japanische Aktienmarkt tendenziell dem Beispiel der USA und insbesondere der Inflation und dem politischen Hintergrund, so dass das makroökonomische Umfeld derzeit der wichtigste Faktor ist.
Die Aussichten für den Markt sind nicht gerade rosig, aber das gilt auch für die anderen Märkte der Welt. Im Vergleich zu anderen Regionen weist Japan jedoch viele positive Faktoren auf, die es den Anlegern rechtfertigen, das Land näher zu betrachten.