Vom Salzsee zur Schlüsselressource – Droht eine Lithium-Knappheit?
Lithium ist entscheidend für Akkus, E-Autos und die Energiewende. Für Deutschland und die EU wird der Zugang zum kritischen Rohstoff zur geopolitischen Herausforderung. Denn der globale Bedarf wächst deutlich schneller als die verfügbare Menge.
In der flimmernden Hitze der südamerikanischen Hochwüste breitet sich ein strahlend weißes Feld aus – kein Wasser, sondern Salz. Unter der harten Kruste des Salar de Uyuni in Bolivien liegt ein unsichtbarer Schatz, der unseren Alltag antreibt: Lithium. Dieses Leichtmetall steckt in Smartphones, treibt E-Autos an und ist für die Energiewende unverzichtbar. Doch die Versorgung mit dem begehrten Rohstoff wird zunehmend unsicher.
Lithium-Nachfrage vervielfacht sich bis 2030
Hier rückt Lateinamerika in den Fokus: Das sogenannte Lithium-Dreieck zwischen Bolivien, Argentinien und Chile wird für Industrieländer essenziell, denn es beherbergt die weltweit größten bekannten Vorkommen. Lithium ist strategisch wichtig, weil es für Akkus in E-Autos, Computern und Speicherlösungen für grüne Energie gebraucht wird. Der weltweite Hunger nach Lithium wächst – doch vom „Öl des 21. Jahrhunderts“ gibt es schlicht zu wenig.
Laut der Lithium-Studie der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) von 2023 wird sich der weltweite Bedarf an Lithium bis 2030 – je nach Szenario – vervier- bis verachtfachen. „Aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften stellt Lithium für wiederaufladbare Batterien auch in den kommenden Jahrzehnten eine unverzichtbare, nicht substituierbare Schlüsselkomponente dar“, so die Studie. Lithium ist reaktiv, leicht und unersetzlich für moderne Akkus.
Studien prognostizieren drastischen Mangel
Insbesondere die wachsende Verbreitung von E-Autos könnte laut einer Analyse der East China Normal University und der Universität Lund zu einem gravierenden Mangel an Lithium führen. Der ernüchternde Befund: Selbst bei ambitionierten Förderprogrammen reicht das Angebot an Lithium bis 2030 weder in Europa noch in den USA oder China aus, um die steigende Nachfrage zu decken.
Die größten Engpässe erwarten die Forscher in Europa. Zwar dürfte die Förderung in der EU in den nächsten Jahren stark ansteigen – auf geschätzte 325.000 Tonnen Lithiumcarbonatäquivalent im Jahr 2030. Doch das wird kaum genügen, denn der Bedarf dürfte dann bei rund 792.000 Tonnen liegen – eine enorme Lücke beim wichtigsten Rohstoff für Akkus.
EU strebt mehr Unabhängigkeit beim Lithium an
Die drohende Knappheit bei Lithium könnte die globale Konkurrenz um Ressourcen weiter zuspitzen. Die G7-Staaten haben das erkannt. Beim Gipfeltreffen in Kanada im Juni beschlossen die führenden Industrienationen (USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) einen gemeinsamen Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen.
Ziel der Initiative ist es, die Abhängigkeit von autoritären Lieferländern wie China zu verringern und eigene Lieferketten für strategisch relevante Rohstoffe aufzubauen. Dazu zählen unter anderem Seltene Erden, Kobalt – und Lithium. Denn für zahlreiche Schlüsseltechnologien rund um Klimaschutz, Digitalisierung, Verteidigung und die Energiewende sind diese Materialien essenziell.
China dominiert weiterhin den Lithiummarkt
Derzeit haben westliche Länder beim Lithium das Nachsehen, denn China ist seit Jahren stark engagiert – sowohl bei der Rohstoffförderung als auch in der Weiterverarbeitung und Akku-Produktion. Auch mit Beteiligungen an Minen in Südamerika dominiert China große Teile der globalen Lieferkette. Die EU versucht gegenzusteuern, etwa mit dem Critical Raw Materials Act, der für sichere und nachhaltige Lieferketten sorgen soll. Auch mit neuen Handelsabkommen mit Lateinamerika verfolgt die EU ihre Energie- und Digitalstrategien bis 2030.
Marktanteile auf dem Lithiummarkt: Südamerika besitzt größte Lithium-Vorkommen
Bolivien steht weltweit an der Spitze, wenn es um Lithium-Ressourcen geht. Laut DERA befindet sich dort fast ein Viertel der globalen Reserven. Diese lagern vor allem in Salzseen wie dem Salar de Uyuni (Bolivien), dem Salar de Atacama (Chile) und dem Salar del Hombre Muerto (Argentinien). Während Chile und Argentinien ihre Lithiumförderung bereits massiv ausgebaut haben, bleibt Bolivien – aufgrund politischer Unsicherheiten, technischer Hürden und staatlicher Kontrolle – hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Ressourcen umfassen alle bekannten Vorkommen, während Reserven den Teil bezeichnen, der wirtschaftlich förderbar ist. Derzeit dominieren Australien und Chile das weltweite Angebot an Lithium – 2020 stammten rund drei Viertel der weltweiten Minenproduktion laut DERA aus diesen beiden Ländern. Doch bis 2030 könnten insbesondere Argentinien und Brasilien sowie Kanada, die USA, Mali und die Demokratische Republik Kongo erhebliche Marktanteile am Lithiumgeschäft hinzugewinnen. Die Spitzenpositionen Australiens und Chiles könnten ins Wanken geraten. Lateinamerika insgesamt dürfte dann ein Drittel des globalen Angebots stellen – und so „neben Australien zum zweiten wichtigen Eckpfeiler für die Gesamtversorgung des Marktes werden“, so die DERA.