Steigende Immobilienpreise und teure Energievorgaben machen verdeckte Mängel 2025 riskanter denn je. Eine aktuelle Studie des Bauherren-Schutzbundes (BSB) zeigt: Drei Viertel aller privaten Neubauten weisen schon in der Gewährleistungszeit schwere Defekte auf – durchschnittlich 31 pro Haus.
„Es ist alarmierend, dass die Zahl der Baumängel in den letzten Jahren weiter gestiegen ist“, warnt BSB-Geschäftsführer Florian Becker. „Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten darf die Bauqualität nicht zum Sparposten werden. Die Risiken, die Bauherren tragen, sind immens.“
Bei älteren Häusern ist die Lage kaum besser
Sachverständigenverbände wie der Verband Privater Bauherren (VPB), der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (BVS) und Prüfdienstleister wie Dekra berichten übereinstimmend: Feuchte Keller, marode Leitungen oder Asbestplatten sind eher die Regel als die Ausnahme.
Gutachter schätzen, dass allein diese Standardschwachstellen rund 5-Prozent des Kaufpreises verschlingen – bei 400 000 Euro also etwa 20 000 Euro, energetische Nachrüstungen noch nicht eingerechnet.
Wo der Gewährleistungsausschluss endet
Ein anschauliches Beispiel liefert Familie Wagner. Beim Kauf wirkte das 70er-Jahre-Haus makellos. Doch schon im ersten Herbst drückte ein Sturm Regen unter das Terrassendach; bald zeigten sich dunkle Flecken, Farbe blätterte ab und Schimmelgeruch zog durchs Wohnzimmer. Im notariellen Vertrag stand klipp und klar: Gewährleistung ausgeschlossen. Für viele Käufer wäre das der Moment der Resignation.
Dabei ist die Formel „gekauft wie gesehen“ kein Freibrief für versteckte Schäden. Verschweigt der Verkäufer einen Mangel, der Wohnwert oder Sicherheit spürbar mindert, greift § 444 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Der Haftungsausschluss verliert seine Wirkung. Dabei genügt schon beharrliches Schweigen über einen bekannten Schaden – offene Lügen sind nicht erforderlich, um den Verkäufer in die Verantwortung zu nehmen.
BGH stärkt Käuferrechte
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Grenze klar gezogen. In einem Urteil vom 27. Oktober 2023 (BGH, Urteil vom 27.10.2023 – V ZR 43/23) verurteilte er Verkäufer zu über 30 000 Euro Sanierungskosten, weil sie wiederholten Wassereintritt unter einer Terrasse verschwiegen hatten.
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2024 (BGH, Beschluss vom 12.12.2024 – IX ZR 28/23) stellte der BGH zusätzlich fest, dass schon deutliche Anzeichen eines Mangels die Aufklärungspflicht auslösen. Käufer müssen also nicht die technischen Ursachen darlegen, warum ein Schaden vorliegt; es reicht, nachzuweisen, dass der Verkäufer die Spuren kannte und schwieg.
So drehen Käufer die Beweislast
Für Käufer heißt das: Belege entscheiden. Fotografieren Sie alle Schadstellen mit Zeit- und Ortsdaten, sichern Sie Materialproben und lassen Sie ein Kurzgutachten erstellen. Alte Reparaturrechnungen oder Nachbaraussagen zeigen zusätzlich, dass der Schaden bekannt war.
Werden diese Unterlagen per Anwalt gebündelt und eine kurze Frist gesetzt, stoppt das die Verjährung – und etwa jede zweite Auseinandersetzung endet außergerichtlich, weil Eigentümer Prozessrisiken und negative Schlagzeilen scheuen.
Fall Wagner – vom Mangel zur Einigung
Familie Wagner folgte genau diesem Fahrplan. Sie dokumentierte jede Spur der Durchfeuchtung, beauftragte einen Sachverständigen, der 28 000 Euro Sanierungsaufwand ermittelte, und fand in den Hausunterlagen sogar eine drei Jahre alte Reparaturquittung, unterschrieben vom Vorbesitzer – ein klares Indiz für Vorwissen.
Da der Schimmel erst elf Monate nach Übergabe auftauchte, war die reguläre Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) noch lange nicht abgelaufen; bei Arglist beginnt die Frist ohnehin erst mit Entdeckung des Mangels (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Ein Anwaltsschreiben mit Zwei-Wochen-Frist zeigte Wirkung: Der Verkäufer bot 20 000, dann 25 000 Euro und übernahm schließlich die kompletten Sanierungskosten.
So vermeiden Sie Streit, bevor er entsteht
Vorbeugung spart am meisten Geld. Bevor Sie den Notarvertrag unterschreiben, lassen Sie eine unabhängige Kurzbegutachtung durchführen. Sie kostet selten mehr als 1-Prozent des Kaufpreises, deckt aber die meisten Schwachstellen auf. Bei Neubauvorhaben kommt ein zweiter Baustein hinzu – die baubegleitende Qualitätskontrolle. Sachverständige prüfen dabei jede Bauphase und greifen sofort ein, wenn Abdichtungen, Leitungen oder Dämmungen nicht fachgerecht ausgeführt sind.
„Eine kontinuierliche baubegleitende Qualitätskontrolle deckt Schwachstellen frühzeitig auf und hilft, Folgeschäden zu vermeiden – das belegt unsere Analyse eindeutig“, betont Becker vom BSB.
Dritter Baustein ist ein schriftlicher Fragenkatalog an den Verkäufer. Er zwingt dazu, heikle Punkte schwarz auf weiß zu beantworten und liefert eine belastbare Basis, falls später diskutiert wird. Abschließend lohnt der Blick in Bau- und Behördenakten – etwa Baulasten- oder Altlastenverzeichnis –, um früh zu erkennen, ob im Keller oder unter dem Dach Probleme schlummern, die im Exposé verschwiegen wurden. Damit sinkt das Risiko, dass aus dem Traumhaus eine teure Dauerbaustelle wird.
Und wenn es trotz aller Sorgfalt zum Worst Case kommt?
Welches Rechtsmittel greift, richtet sich vor allem nach der Höhe des Schadens, dem Finanzierungsstand und der weiteren Nutzung des Hauses. Ist der Mangel existenzbedrohend und die Immobilie kaum bewohnt, bietet sich eine Rückabwicklung an – als Rücktritt (§ 437 Nr. 2, § 323 BGB) oder, bei arglistiger Täuschung, als Anfechtung (§ 123 BGB).
Sind dagegen schon Umbauten erfolgt, steht häufiger eine Kaufpreisminderung (§ 441 BGB) oder Schadensersatz (§§ 280 ff., 437 Nr. 3 BGB) im Vordergrund: Der Kauf bleibt bestehen, doch der Verkäufer muss entweder den Minderwert ausgleichen oder sämtliche Sanierungs- und Nebenkosten übernehmen.
Ein Fachanwalt errechnet die wirtschaftlich beste Option. Viele Banken lassen erstrittene Beträge als Sondertilgung in den Kredit fließen – Ihre Zinslast sinkt, der Verkäufer zahlt.