Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist

Wer glaubt, dass mehr Tempo automatisch mehr Erfolg bringt, steuert sein Unternehmen direkt in den Abgrund. Überdrehte Chefs, aufgepeitschte Prozesse, erschöpfte Mitarbeiter – der Produktivitätswahn endet im Kollaps. Zeit, die Effizienzlüge zu beenden.
12.07.2025 15:55
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Kaffeepause statt Burn-out: Warum Müßiggang die beste Investition ist

Erfolg braucht Ruhe, Freiraum und kluge Führung. (Foto: dpa | Bernd Weißbrod)

Überforderte Mitarbeiter denken nicht schneller – sie schalten ab

Glaube nicht, dass ein überlasteter und abgelenkter Kopf eines Mitarbeiters sofort auf deine Anweisungen reagiert. Je stärker du das Tempo erhöhst, desto schlechter funktioniert es. Es ist Zeit, aus diesem Karussell der Hektik auszusteigen, schreibt das Wirtschaftsportal Puls Biznesu. In der Wirtschaft herrscht der Kult der Effizienz. Neue Abläufe, Transformationen, Deadlines – alles in der Hoffnung, dass die Menschen problemlos mitkommen. Doch das menschliche Gehirn funktioniert nicht wie eine SSD-Festplatte. Es braucht Zeit, Ruhe und Erholung. Sonst hängt es sich auf. Oder es rebelliert.

Viele Chefs glauben jedoch, das Problem sei fehlendes Können und Wissen. Die Lösung sehen sie darin, den Mitarbeitern detaillierte Anleitungen zu geben. Doch reichen ein kurzes Gespräch, ein paar Folien oder eine glänzende Broschüre wirklich aus? Das ist so, als würde man jemandem ein Kochbuch geben und erwarten, dass er ein Michelin-Stern-Dinner zaubert. Oder man veranstaltet ein Wochenendseminar über digitale Transformation und glaubt, alle werden plötzlich zu Datenanalyse-Experten. Nein, so funktioniert das nicht.

Vielleicht fragt man sich auch, warum niemand all die revolutionären Verfahren umsetzt. Warum das Team neue Prozesse nicht sofort begreift? Ist es fehlende Kompetenz? Verwunderung auf Managementebene ist verständlich. A.G. Lafley, Ex-Chef von Procter & Gamble, traf den Kern: „Die Leute sind überlastet, erschöpft, ständig beschäftigt. Ihre Köpfe laufen auf Reserve – wie ein Handy mit 2 Prozent Akku, das kaum noch funktioniert.“ Lafley sagte, manche Dinge müsse man wie in der „Sesamstraße“ erklären – einfach, oft, mit der Geduld von Elmo. Gehirne brauchen Freiraum, um neue Informationen zu ordnen und sich an Veränderungen anzupassen. Im Kern geht es darum, das Hetzen einzustellen.

Minimalismus setzt sich durch

Wir hatten alle schon Chefs, die durchs Büro liefen wie Detektive auf der Suche nach Faulenzern. Ein Gespräch über etwas anderes als Arbeit? Eine zu lange Kaffeepause in der Firmenküche? Ein Verbrechen! Solche Aufpasser rechneten sofort vor, wie viel die Firma jede vergeudete Minute kostet. Vielleicht seid ihr selbst jene, die mit dem Taschenrechner Faulenzer aufspüren?

Aber was wäre, wenn genau diese Müßiggang-Momente die größte Stärke des Teams sein können? Psychologe Amos Tversky sagte einmal einen Satz, der den Blickwinkel verändert: „Das Geheimnis großartiger Forschung ist, ein wenig unterbeschäftigt zu sein. Wenn du keine Stunden verschwendest, verschwendest du Jahre.“ Klingt kontraintuitiv? Sicher. Doch kluge Führungskräfte wissen: Eine zusätzliche Pause für die Mitarbeiter – ein Spaziergang im Park, Löcher in die Luft starren oder Darts spielen – ist kein Verlust, sondern eine Investition.

Warum? Weil kreative Arbeit, Problemlösung oder Querdenken genau solche Phasen der Unproduktivität braucht, damit das Gehirn durchatmen und Innovationen hervorbringen kann. Hört auf, Pausen zu kontrollieren oder zu bestrafen. Etwas Freiraum kann eine Geheimwaffe sein.

Vergesst all die lauten Ratgeber mit dem Motto: schneller, mehr, sofort. Warren Buffett sagte einmal spöttisch: „Neun schwangere Frauen bringen kein Kind in einem Monat zur Welt.“ Volltreffer. Trotzdem drücken Chefs weiter aufs Gaspedal, statt im natürlichen Rhythmus zu bleiben. Sie finden etwas Wertvolles – ein Top-Investment, eine bahnbrechende Idee, eine neue Fähigkeit – und fragen sofort, wie man es beschleunigt, wie man den Gewinn verdoppelt. Menschlich, klar – aber gegen den natürlichen Takt anzurennen, führt direkt ins Chaos.

Die Geschichte zeigt: Wer zu sehr drückt, sieht alles einstürzen wie ein Kartenhaus. Denkt an Charlie Chaplins Film „Moderne Zeiten“. Die Szene, in der Chaplin im Blaumann mit Werkzeug in der Hand dem Fließband hinterherhetzt, das immer schneller läuft? Schrauben, Hektik, Schweiß, zitternde Hände. Die Produktion beschleunigt, unser Held verliert den Takt, gerät in Panik – bis ihn die Maschinerie verschlingt. Genau das passiert, wenn wir höher schalten. Chaos, Stress, Scheitern – garantiert.

Wirtschaft – und das Leben – ist kein 100-Meter-Sprint. Es ist ein Marathon. Leider merken wir das oft erst zu spät. Howard Schultz, Ex-Chef von Starbucks, versuchte die Führung zu warnen. 2007 schrieb er einen Brief, der in jedem Unternehmen hängen sollte: „Wir wollten von 1.000 auf 13.000 Filialen wachsen und trafen Entscheidungen, die unsere Marke beschädigten.“ Die Führung ignorierte ihn – lief doch alles gut, oder? Dann kam 2008: 600 Läden dicht, 12.000 Jobs weg, Aktien minus 73 Prozent. Folge der Weltwirtschaftskrise? Nicht nur. Starbucks zahlte den Preis für das Überholen des natürlichen Wachstumstempos. Fazit: Haltet inne und fragt euch, ob ihr wirklich etwas Nachhaltiges aufbaut.

Raum für Entwicklung

Vor 100 Jahren, in rauchigen, lauten Fabriken, zählte jede Bewegung, jeder Tropfen Schweiß – bis der Arbeiter zusammenbrach wie Charlie Chaplin im Klassiker. In der Wissensgesellschaft führt dieses Tempo direkt ins Burn-out. Je mehr Druck, desto schneller sagen die Leute: Danke, such dir einen anderen Dummen.

Wir kennen das aus Filmen, Büchern – und doch gibt es Chefs, die diesen emotionalen Adrenalinkick lieben: Nervenkitzel, Risiko, der Reiz des Balanceakts zwischen Triumph und Totalabsturz. Doch mal ehrlich – das ist kein Spiel für jeden. Und zum Glück muss man kein Stuntman sein, um Großes zu erreichen.

Jason Fried und David Heinemeier Hansson, Autoren von „It Doesn’t Have to Be Crazy at Work“, stellen sich dem Wahnsinn der Hyperaktivität entgegen. Ihre Botschaft? Ihr müsst nicht jede Minute verplanen, um erfolgreich zu sein. Erfolg entsteht woanders – in Ruhe, Langsamkeit, im klugen Umgang mit Energie. Ich bin sicher, ihr alle träumt von einem Leben jenseits von Karriere und Excel-Tabellen. Mit Kindern, Hobbys, Büchern, die nichts mit Arbeit zu tun haben. Sport, Kochen, Herumalbern mit dem Hund. Ergebnis? Eure Ideen werden besser, die Energie steigt, Erfolge kommen von selbst.

Winston Churchill spottete über die angebliche Lernunfähigkeit der Menschheit. Er übertrieb. Menschen lernen – vorausgesetzt, sie bekommen die Rahmenbedingungen, inklusive Zeit zur Erholung. Stellt euch vor, ihr gebt eurem Team statt des nächsten Deadlines einfach Luft zum Atmen. Raum für Distanz. Und plötzlich begreifen die gleichen Leute, die vorher nichts kapierten, neue Lösungen, stellen kluge Fragen, entwickeln frische Ideen. Kein Wunder. Das ist der Effekt eines entlasteten Geistes. Vielleicht ist es Zeit, Effizienz neu zu denken?

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