Die EZB: Eine Erklärung “ – der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Der Neuwirth Finanzkommentar

Die EZB: Eine Erklärung
Keine andere Institution innerhalb der Europäischen Union wird derzeit so scharf kritisiert wie die Europäische Zentralbank (EZB). Doch was ist die EZB eigentlich? Wo liegen ihre Aufgaben? Wer entscheidet über ihre Maßnahmen? Wie weit reicht ihr Einflussgebiet? Lernen Sie im heutigen Zinskommentar die Europäische Zentralbank besser zu verstehen.

 

Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor ist in den letzten 2 Wochen weiter gesunken und steht aktuell bei -0,257 %. Ein leichtes Abfallen in Richtung – 0,4 % ist sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz liegt derzeit bei 0,55 % und ist in den letzten Wochen wieder leicht gesunken. Eine Seitwärtsbewegung zwischen 0,5 und 1,0 Prozentpunkten erwarten wir für den weiteren Verlauf in 2016.
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist ein offizielles Organ der Europäischen Union und die zentrale Institution des Eurosystems. Sie beschäftigt 2.500 Mitarbeiter und hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main. Präsident der EZB ist Mario Draghi, Vizepräsident ist Vítor Constâncio. Oberstes Beschlussorgan ist der EZB-Rat. Dieser setzt sich zusammen aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 19 Euroländer. Die Stimmrechte unterliegen seit dem 1. Januar 2015 durch den Beitritt Litauens in das Eurowährungsgebiet einem Rotationssystem. Das Direktorium besitzt dauerhafte Stimmrechte, nur die nationalen Präsidenten der Zentralbanken unterliegen einer Rangfolge, welche die Länder je nach Wirtschaftskraft und Größe des Finanzsektors in Gruppen unterteilt. Der gesamte Rotationszeitplan ist auf der Internetseite der EZB abrufbar. Der EZB-Rat wird unterstützt durch die Arbeit des Erweiterten Rates. Dieser umfasst den Präsidenten und Vizepräsidenten der EZB, sowie die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 28 EU-Mitgliedstaaten. Der erweiterte Rat kann als Übergangsgremium gesehen werden. Er nimmt jene Aufgaben wahr, mit denen ursprünglich das Europäische Währungsinstitut betraut war und die, aufgrund der Tatsache, dass der Euro nicht von allen Mitgliedstaaten eingeführt wurde, weiterzuführen sind.

 

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Die Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und des Eurosystems sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) festgelegt. Vorrangiges Ziel ist es, Preisstabilität zu gewährleisten. Aber ebenso die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität sowie eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt. Die grundlegenden Aufgaben bestehen darin die Geldpolitik im Eurowährungsgebiet festzulegen und auszuführen, die Währungsreserven der Mitgliedstaaten des Eurogebiets zu halten und zu verwalten und das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. Ebenso erfüllt die EZB gemeinsam mit nationalen Behörden Aufgaben zur Erfüllung der Bankenaufsicht.

 

 

Die politsche  Unabhängigkeit der EZB sollte zu jedem Zeitpunkt sichergestellt sein. Umfassende theoretische Analysen haben gezeigt, dass Zentralbankenunabhängikeit für die Gewährleistung von Preisstabilität förderlich ist. Weder die EZB, noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane darf Weisungen von Organen oder Einrichtungen der EU, Regierungen der EU-Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB zu beeinflussen. An diesen Grundsatz halten sich nicht alle. Immer wieder wettern hochrangige Politiker öffentlich über die Maßnahmen der EZB. Nicht zuletzt versuchte Wolfgang Schäuble auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Washington für einen Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik zu werben. Außerdem ist die EZB personell unabhänig. Es besteht keine Wahlmöglichkeit der Mitglieder durch die Bevölkerung. Wahl und Einsatz der geldpolitschen Instrumente bestimmt ausnahmslos die EZB.
Die institutionelle, personelle und operative Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist eine der tragendene Säulen, um dem Hauptzweck, der Preisstabilität, zu dienen. Die Einflussnahme, sei es durch Lobbyisten oder Politiker, behindert diesen makroökonmischen Prozess. Die Organstruktur der EZB unterscheidet sich nicht wesentlich von der der FED (Federal Reserve/US-Notenbank). Der EZB-Rat tagt grundsätzlich alle 14 Tage. Geldpolitische Sitzungen finden in der Regel alle sechs Wochen statt. Das Direktorium setzt die Maßnahmen dann um. Der erweiterte Rat steht als Beratungsfunktion in der Entscheidungsfindung bei. Die Niedrigzinspolitik ist eine demokratische  Entscheidung, die von der Mehrheit der nationalen Bundesbanken der Euroländer unterstützt wird. Dies sollte stets beachtet werden, wenn Mario Draghi als personifizierter Herrscher des Euros gesehen wird.

 

 

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