„Kontroverse EZB Entscheidung: Von unerfüllten Markterwartungen und erfüllten Forderungen an Mario Draghi“

geldscheineDer aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Die Entscheidung des EZB-Rats über eine Zinserhöhung wurde lange erwartet und dann kontrovers diskutiert. Sind die Eingriffe zu gering, zu groß oder ausreichend? Lesen Sie im heutigen Zinskommentar eine Einordnung und Bewertung dieser Zinsentscheidung.

 

Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor verharrt weiter im Minus und sinkt stetig in kleinen Schritten. Aktuell steht er bei -0,113 %.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz (1/4-jährlich tats. Tage/360 vs. 3M-Euribo) liegt derzeit bei 0,82 % und bewegt sich wieder langsam in Richtung der 1%-Marke.

 

 

Kontroverse EZB Entscheidung: Von unerfüllten Markterwartungen und erfüllten Forderungen an Mario Draghi
Die Reaktion an den Finanzmärkten kam bereits vor Verkündung der EZB Entscheidung. Eine Falschmeldung oder eine undichte Stelle waren der Grund für einen Tweet der englischen Finanzzeitung Financial Times, der die EZB Entscheidung vorwegnahm und für die ersten Turbulenzen sorgte.
Dann folgte die offizielle Bestätigung: Die EZB senkt die Einlagenfazilität um 0,10% auf nun minus 0,30% und auch das Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing) wird bis mindestens März 2017 verlängert. Mit der Senkung der Einlagenfazilität werden die Anreize für Banken größer, vorhandene Liquidität nicht an die nationalen Notenbanken zurückzugeben, sondern in der Realwirtschaft unterzubringen. Die Spitzenrefinanzierungsfazilität und der Hauptrefinanzierungssatz bleiben aber unangetastet.
Kursverluste an der Börse und die Verteuerung des Euro waren Reaktionen auf die Bekanntgabe der Entscheidung. Aber auch Folgen der nicht erfüllten Erwartungen zeigen einmal mehr die Klasse Mario Draghis in seiner Rolle als EZB Präsident. Er folgt nicht den Märkten, sondern den Prinzipien des Auftrags der EZB. „Wir machen mehr, weil unsere Geldpolitik funktioniert“, sagte er auf der anschließenden Pressekonferenz. Mehr, aber nicht zu viel. Und damit handelt er richtig. Denn in der Tat zeigen, wie im letzten Zinskommentar anhand der Geldmenge M3 erläutert, einige Indikatoren einen positiven Trend.
Der Umfang des Programms ist trotzdem nicht so expansiv gestaltet, wie von vielen erwartet und teilweise schon in die Marktwerte eingepreist wurde. Neben der Tatsache, dass Draghi mit dieser Entscheidung sein Mandat erfüllt, behält er auch noch einige Pfeile in seinem Köcher, und verschießt nicht gleich seine ganze Munition. Sollten anvisierte Entwicklungen ausbleiben, kann er nachlegen.
Noch in der vergangenen Woche hatte die Investmentbank Goldman Sachs eine Paritäts-Prognose zwischen Euro und US-Dollar abgeben. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, dass Draghi, dem immer noch intensive, manchmal sogar zu intensive Kontakte zu seinem früheren Arbeitgeber Goldman Sachs nachgesagt werden, zu konkrete Hinweise auf zukünftige Maßnahmen gegeben hätte. Aber mit dieser Entscheidung stellt er klar, dass er sich gegen die Interessen der Märkte und für seine eigene Integrität entschieden hat. Er lässt sich nicht von den Markterwartungen treiben, wie manches Fed-Vorstandsmitglied, deren Entscheidungen oft die Erwartungen der Finanzmärkte widerspiegeln.
Das Programm reicht auch, um das, im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) festgelegte, vorrangige Ziel der EZB (die Preisstabilität zu gewährleisten) zu erfüllen. Die Aufgabe der EZB ist es nicht, die Wirtschaft anzukurbeln. Die Rahmenbedingungen für ein Wirtschaftswachstum muss die Politik schaffen. Und nur in diesen können sich die Maßnahmen der EZB bewegen.
Trotzdem lässt sich spätestens mit dieser Entscheidung fundiert behaupten, dass Mario Draghi als einer der besten Notenbankchefs der Nachkriegszeit bezeichnet werden kann.

 

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